Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

Citation link: 
https://digi.hadw-bw.de/view/jbhadw2000/0084
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
14. Oktober 2000

95

nicht lesen kann und den Kontext nicht versteht. Deshalb ist es notwendig, solche
Schriften zu entziffern, zu edieren und in ihren Kontext zu stellen, um sie der Nach-
welt zu erhalten und als gesicherte Grundlage vielen Generationen von Forschenden
und Studierenden zur Verfügung zu stellen.
Die Erhaltung unserer kulturellen Überlieferung ist ein ganz wichtiges Anliegen der
Akademien. Die Berliner Akademie ediert seit mehr als hundert Jahren die Schriften
von Leibniz. In Heidelberg werden neben der erwähnten Bucer-Edition Schriften von
Melanchthon, die Opera omnia Cusana, der Reuchlin-Briefwechsel und viele andere
ediert. Daneben werden lateinische und deutsche Inschriften des Mittelalters und der
frühen Neuzeit in Baden-Württemberg aufgenommen, bisher sind dreizehn des auf
fünfzig Bände angelegten Korpus-Werkes erschienen, um sie der Geschichte, der Phi-
lologie, der Kunstgeschichte und der Volkskunde zugänglich zu machen und sie vor
ihrem möglichen Verfall zu sichern.
An dieser Stelle möchte ich auch noch eine persönliche, durchaus politische Bemer-
kung machen: Ich würde mir wünschen, daß sich deutsche Akademien ebenso wie die
in anderen Ländern - zum Beispiel in England und den USA - mehr um die Wissen-
schaftsgeschichte der Gegenwart kümmern. Besonders aus meinen amerikanischen
Erfahrungen sehe ich mit Schrecken, wie andere die Wissenschaftsgeschichte aus ihrer
eigenen Sicht schreiben und unsere erstklassigen Leistungen auf den dritten Platz ver-
weisen oder überhaupt weglassen. Hier kann nur durch eine schnelle korrekte, gründ-
liche und ausgewogene eigene Darstellung gegengehalten werden.
Mein zweites Beispiel ist das Deutsche Rechtswörterbuch, ein großes Unterneh-
men. Denn es geht um die Herausgabe eines Wörterbuches der westgermanischen
Rechtssprache, das von den Anfängen der schriftlichen Überlieferung bis etwa 1803
und aus einem Archiv von etwa 2,5 Millionen Belegen herausdestilliert wird. Dieses
Vorhaben wurde 1897 von der Preußischen Akademie der Wissenschaften gegründet,
in der DDR nicht weiterverfolgt und deshalb seit 1959 von der Heidelberger Akade-
mie der Wissenschaften betreut. So erfordert ein Band fünf Jahre Arbeit, zehn sind
herausgekommen, sechs stehen noch aus. Daran können Sie die Laufzeit bis zum Jahre
2030 ablesen. Durch Mehreinsatz von Personal und Geld läßt sich das Unternehmen
kaum beschleunigen, denn ein solches Rechtswörterbuch kann nur entstehen, wenn es
eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Experten gibt. Auch hier
heißt das Stichwort Herstellung der Verfügbarkeit für Forschung und Lehre, Siche-
rung unserer eigenen Kultur. Gleiches gilt für andere Wörterbuchunternehmen wie
das Spanische Wörterbuch des Mittelalters, das Altfranzösische etymologische Wör-
terbuch oder das Altgaskogmsche und altokzitanische Wörterbuch. Soweit die Bei-
spiele aus der Philosophisch-historischen Klasse.
Mein drittes Beispiel kommt aus der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
und betrifft die radiometrische Altersbestimmung von Wasser und von Sedimenten.
Das Forschungsprojekt verfolgt das Ziel, Paläoumwelt-Archive, das sind Sedimente,
Wässer und Baumringe, in möglichst hoher zeitlicher Auflösung zu datieren und auf
diese Weise abrupte Klimaschwankungen in der Vergangenheit zu untersuchen. Die
verwendeten Methoden sind radioaktive Datierung, die Elektronenspinresonanz-
methode sowie die massenspektrometrische Analyse der Isotopenzusammensetzung
von Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Schon aus der Fragestellung und den
angewandten Methoden sehen Sie, daß hier höchste interdisziplinäre Kompetenz
gefragt ist. Die Proben werden weltweit genommen und untersucht. Es geht darum,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften