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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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14. Oktober 2000

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langjährigen Vorsitzenden Heinz Götze viel zur Arbeit der Akademie beigetragen.
Unter dem neuen Vorsitzenden Ronaldo Schmitz werden wir versuchen, die Arbeit
des Förderkreises auszudehnen und neue Freunde für die Akademie zu gewinnen.
Dabei rechne ich auch auf die meiner Erfahrung nach immer gute Unterstützung des
Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württem-
berg. Vor allem aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Interessieren Sie sich
für die Arbeit der Akademie, Ihr Interesse ist der beste Ansporn für uns alle.

5. Frau Ina Rösing hält einen Vortrag: „Die heidnischen Katholiken und das Vaterunser
im Rückwärtsgang. Zum Verhältnis von Christentum und Andenreligion“
In den ländlichen Regionen der überwiegend von Quechua- und Aymara-Indianern
bewohnten bolivianischen (und auch peruanischen) Anden ist die Katholische Kirche
zwar in jedem Dorf präsent - allerdings nur als ein kleines, von den Dorfbewohnern
selbst gebautes Adobekirchlein. Priester gibt es nur in den Hauptdörfern einer Region
oder, im Falle der Kallawaya-Region Boliviens, auf welche sich die vorliegende For-
schung bezieht, in der Hauptstadt der Provinz (Provinz Bautista Saavedra).
Die Tauf- und Heiratsvorbereitungen, welche in Form von Kursen absolviert wer-
den müssen, die sonntäglichen Bibellesungen und andere kirchliche Aufgaben werden
in den Dörfern von den indianischen Katechisten wahrgenommen. Diese vom jeweili-
gen Dorf bestimmten indianischen Katechisten werden für diese Aufgabe von der
Katholischen Kirche in mehreren Wochenkursen ausgebildet.
Natürlich kommt in dieser Ausbildung auch zur Sprache, daß die in den entlegenen
Anden-Regionen noch allenthalben praktizierte Andenreligion mit ihren Opfergaben
an die Berggötter, die Götter des Blitzes, der Quellen und Seen, der christlichen Reli-
gion widerspricht - heißt es doch: Ich bin der Herr Dein Gott, Du sollst keine ande-
ren Götter haben neben mir...
In den ausführlichen Gesprächen, die ich mit den Katechisten jener Kallawaya-
Region der Hochanden Boliviens geführt habe, geben die meisten an, zu Beginn ihrer
Katechisten-Laufbahn ihre eigene andin-religiöse Praxis aufgegeben zu haben. Aber
alle kehren nach kurzer Zeit dazu zurück. Sie lehren das Vaterunser, die Zehn Gebote
und den Sinn der Sakramente, sie verlesen die Bibel und versuchen auf die christliche
Moral in ihrem Dorf zu achten - und sie opfern auch den andinen Göttern, denen sie
Speise und Trank an ihren häuslichen Opferstätten darbieten.
Wie kommen die indianischen Katechisten in ihrem Kopf und ihrem Herzen mit
dieser doppelten Religionspraxis zurecht? Dies ist die zentrale Frage, welche ich in
einer empirischen Spezialuntersuchung der Katechisten im Rahmen meiner Anden-
forschung versucht habe zu erklären.
Diese Fragestellung wird zunächst eingeordnet in einen weiteren konzeptionellen
Rahmen: in die religionswissenschaftliche Diskussion um den Synkretismus-Begriff,
den missionstheologischen Kontext der neueren Konzepte von Inkulturation, Kon-
textualisierung und indigenen Theologien sowie deren Ausgestaltung im südamerika-
nischen Kontext.
Auf der Basis meiner empirischen Ergebnisse können zunächst einmal die Motive
nachgezeichnet werden, welche die indianischen Katechisten zur Übernahme dieser
 
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