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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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Sitzungen

sehen Wert häufig vernachlässigt, da das Erscheinungsbild, also im wesentlichen
Umriss und Oberfläche, eines Bauwerks als der eigentliche Wert angesehen wird. Die
Bausubstanz ist jedoch ein ebenso wichtiges Kulturgut und Geschichtsdokument, lässt
sie doch Rückschlüsse auf Arbeitsmethoden, Techniken und Handwerkskünste zu, die
anderweitig gar nicht überliefert sind. Auch sie gilt es also zu erhalten und zu pflegen.
Eingriffe in historische Bausubstanz müssen notgedrungen mit den modernen
Materialien durchgeführt werden, die sich insbesondere in den letzten 150 Jahren
beträchtlich von den jahrtausendelang verwendeten weg entwickelt haben. Die neuen
Materialien vertragen sich aber meistens nicht gut mit den historischen. Das kann so
weit gehen, dass sie eher zerstörend als erhaltend wirken. Es gilt also, Materialien zu
entwickeln, die mit historischer Bausubstanz kompatibel sind.
Hier findet der Mineraloge Eingang in den Bereich der Denkmalpflege: Mit den
Methoden, die ihm aus seiner alltäglichen Arbeit vertraut sind, ist es ihm möglich,
deren Matenalprobleme zu lösen. Das gilt in vielen Bereichen, angefangen bei den als
Werksteinen verwendeten Natursteinen über künstliche Steine (Ziegel) bis hin zu
Mörteln und Vergussmassen („Beton“) sowie Anstrichen. Mörtel als chemisch und
mineralogisch hochreaktive Systeme sind ein besonders lohnendes Bestätigungsfeld.
Falsche, unverträgliche Reparaturmaterialien haben schon manches Bauwerk fatal
geschädigt - was hätte vermieden werden können, wenn zuvor Verträglichkeitsunter-
suchungen mit mineralogischen Methoden durchgeführt worden wären. Beispielhaft
sei die großzügige und unkritische Verwendung von Portlandzement-Mörteln von der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis fast zum Ende des 20. erwähnt. Zement ist ein
vorzüglicher, unübertroffener Baustoff für moderne Bauten, kann in historischen
jedoch mehr schaden als nutzen. Die in ihm enthaltenen mobilen Alkalien können in
historischen Bauwerken verheerende Reaktionen auslösen. Historische Mörtel waren
durchweg Kalkmörtel, die Probleme dieser Art gar nicht aufkommen lassen. Ihre
Zubereitung muss jedoch wieder gelernt werden, vorzugsweise unter Verwendung
von verstärkenden, aber nicht schädlichen Beigaben wie hydraulische oder pozzulani-
sche Komponenten, Additiven übrigens, die schon den römischen Baumeistern
bekannt waren. Zur Ertüchtigung altersschwach gewordener historischer Bauwerke
sollten sie benutzt werden, nicht aber die moderne Hochleistungsbaustoffe. Es ist
manchmal unumgänglich, zur Sicherung eines Bauwerks Austausch von historischer
Bausubstanz vorzunehmen. Werksteine sollten dann nach Möglichkeit aus den histo-
rischen Quellen entnommen werden, Ziegelsteinen entsprechend den alten Techniken
in den historischen Formaten hergestellt und vermauert, nicht aber durch moderne
Massenprodukte ersetzt werden. Falls es sich - aus welchen Gründen auch immer -
nicht vermeiden lässt, Steinersatzmassen zu verwenden, sollten diese nicht nur optisch,
sondern auch mineralogisch-chemisch dem Altbestand angepasst werden und dürfen
ihn in keiner Weise schädigen. Eine Hinzufügung sollte wieder entfernt werden kön-
nen, ohne Spuren zu hinterlassen. Diesen Aspekt als „reversibel“ zu bezeichnen, wie
es in der Denkmalpflege Mode geworden ist, weigert sich allerdings der Naturwissen-
schaftler.
Die Behandlung historischer Bauwerke mit organisch-chemischen Substanzen -
meist auf Polymerbasis -, womit eine Vergütung der Oberfläche und eine Konservie-
rung der Bausubstanz bezweckt werden sollte, war einige Jahrzehnte lang als moder-
ne und elegante Koservierungsmethode hoch geschätzt und wurde verbreitet verwen-
det, bis auch hier neuartige Schädigungen darauf hinwiesen, dass man wohl zu unre-
 
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