26. April 2013
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Hinweise auf religiöse Vorstellungen im frühen Jungpaläolithikum (Abb. 6) (Hahn
1970, 1988; Schmid 1989; Conard 2003). Man kann sicherlich auch in Erwägung
ziehen, dass die noch früheren Belege für Bestattungen von Neandertalern und
modernen Menschen ebenfalls Einblicke in die Glaubenswelten dieser frühen Men-
schen gewähren.
Wenn auch diese Fundgattung vielleicht weniger spektakulär erscheint als die
figürlichen Darstellungen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Schwäbische Aurig-
nacien die reichste frühe Quelle für Schmuck mit einer dreidimensionalen Formge-
bung ist. Mittlerweile sind viele hunderte Belege aus den Fundplätzen des Ach- und
Lonetals bekannt. Diese Funde wurden kürzlich von Sibylle Wolf und Kollegen
zusammengetragen und präsentiert (Wolf 2013; Wolf u.a. 2013) (Abb. 7). Eine
Analyse durch Marian Vanhaeren und Francesco d’Errico (2006) zeigt, dass für die
schwäbischen Höhlen mit Abstand die größte Formvielfalt dokumentiert ist und
dass diese Region wahrscheinlich das Ursprungsgebiet für viele Elemente dieser
Fundgattung ist.
Es gibt weitere Fundstellen, die figürliche Kunst aus dem Aurignacien geliefert
haben. Aus der Grotta di Fumane in Italien stammen beispielsweise mehrere Kalk-
steinblöcke mit roten Malereien (Broglio u.a. 2009). Zum Teil handelt es sich um
ungelenk wirkende Darstellungen nicht identifizierbarer Tiere. Ein Stein zeigt eine
anthropomorphe Darstellung, die vielleicht Hörner oder eine Maske trägt. Vom Gal-
genberg in Stratzing/Krems-Rehberg in Niederösterreich kennen wir die aus einer
flachen Steinplatte gearbeitete Darstellung einer Frau, die aufgrund ihrer Haltung in
Anlehnung an die österreichische Tänzerin Fanny Elßler den Spitznamen ‘Fanny’
erhielt (Neugebauer-Maresch 2007). Im Gegensatz zu den sorgfältig ausgearbeiteten
vollplastischen Darstellungen aus dem schwäbischen Aurignacien besteht die Kunst
des französischen Aurignacien vor allem aus meist grob herausgearbeiteten Halb-
reliefs, die überwiegendVulven, gelegentlich auch ungelenk dargestellte Tiere wie-
dergeben. Typische Beispiele stammen aus dem Abri Castanet (Mensan u.a.), dem
Abri Cellier und aus La Ferrassie (Leroi-Gourhan 1965). Alle genannten Kunstwerke
stammen zwar aus Aurignacien-Zusammenhängen, sie sind jedoch maximal etwa
36.000 Jahre alt und damit durchweg etwas jünger als die ältesten Figurinen von der
Schwäbischen Alb.
Dies gilt auch für die spektakulären Malereien aus der Grotte Chauvet in
Südfrankreich (Glottes 2001), die um einige tausend Jahre später datieren als die
Mehrheit der Kunstwerke von der Schwäbischen Alb. Interessanterweise datiert die
älteste figürliche Kunst aus Afrika, Malereien auf Steinplatten aus der Apollo 11-
Höhle in Namibia (Vogelsang 1998), im Bereich um maximal 30.000 Jahre vor heute
und ist damit deutlich jünger als viele Beispiele aus Europa.
Die genannten Funde zeigen, dass viele Innovationen, die Merkmale voll
moderner Verhaltensformen sind, erstmals außerhalb Afrikas anzutreffen sind und
damit gegen einen ausschließlich afrikanischen Ursprung der kulturellen Modernität
sprechen. Die neuen Artefaktkategorien mit symbolischer Bedeutung sind nicht
direkt mit verbesserten Subsistenzpraktiken verbunden, und sie müssen ihren Her-
stellern nicht per se demographische Vorteile gebracht haben. Stattdessen stellen sie
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Hinweise auf religiöse Vorstellungen im frühen Jungpaläolithikum (Abb. 6) (Hahn
1970, 1988; Schmid 1989; Conard 2003). Man kann sicherlich auch in Erwägung
ziehen, dass die noch früheren Belege für Bestattungen von Neandertalern und
modernen Menschen ebenfalls Einblicke in die Glaubenswelten dieser frühen Men-
schen gewähren.
Wenn auch diese Fundgattung vielleicht weniger spektakulär erscheint als die
figürlichen Darstellungen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Schwäbische Aurig-
nacien die reichste frühe Quelle für Schmuck mit einer dreidimensionalen Formge-
bung ist. Mittlerweile sind viele hunderte Belege aus den Fundplätzen des Ach- und
Lonetals bekannt. Diese Funde wurden kürzlich von Sibylle Wolf und Kollegen
zusammengetragen und präsentiert (Wolf 2013; Wolf u.a. 2013) (Abb. 7). Eine
Analyse durch Marian Vanhaeren und Francesco d’Errico (2006) zeigt, dass für die
schwäbischen Höhlen mit Abstand die größte Formvielfalt dokumentiert ist und
dass diese Region wahrscheinlich das Ursprungsgebiet für viele Elemente dieser
Fundgattung ist.
Es gibt weitere Fundstellen, die figürliche Kunst aus dem Aurignacien geliefert
haben. Aus der Grotta di Fumane in Italien stammen beispielsweise mehrere Kalk-
steinblöcke mit roten Malereien (Broglio u.a. 2009). Zum Teil handelt es sich um
ungelenk wirkende Darstellungen nicht identifizierbarer Tiere. Ein Stein zeigt eine
anthropomorphe Darstellung, die vielleicht Hörner oder eine Maske trägt. Vom Gal-
genberg in Stratzing/Krems-Rehberg in Niederösterreich kennen wir die aus einer
flachen Steinplatte gearbeitete Darstellung einer Frau, die aufgrund ihrer Haltung in
Anlehnung an die österreichische Tänzerin Fanny Elßler den Spitznamen ‘Fanny’
erhielt (Neugebauer-Maresch 2007). Im Gegensatz zu den sorgfältig ausgearbeiteten
vollplastischen Darstellungen aus dem schwäbischen Aurignacien besteht die Kunst
des französischen Aurignacien vor allem aus meist grob herausgearbeiteten Halb-
reliefs, die überwiegendVulven, gelegentlich auch ungelenk dargestellte Tiere wie-
dergeben. Typische Beispiele stammen aus dem Abri Castanet (Mensan u.a.), dem
Abri Cellier und aus La Ferrassie (Leroi-Gourhan 1965). Alle genannten Kunstwerke
stammen zwar aus Aurignacien-Zusammenhängen, sie sind jedoch maximal etwa
36.000 Jahre alt und damit durchweg etwas jünger als die ältesten Figurinen von der
Schwäbischen Alb.
Dies gilt auch für die spektakulären Malereien aus der Grotte Chauvet in
Südfrankreich (Glottes 2001), die um einige tausend Jahre später datieren als die
Mehrheit der Kunstwerke von der Schwäbischen Alb. Interessanterweise datiert die
älteste figürliche Kunst aus Afrika, Malereien auf Steinplatten aus der Apollo 11-
Höhle in Namibia (Vogelsang 1998), im Bereich um maximal 30.000 Jahre vor heute
und ist damit deutlich jünger als viele Beispiele aus Europa.
Die genannten Funde zeigen, dass viele Innovationen, die Merkmale voll
moderner Verhaltensformen sind, erstmals außerhalb Afrikas anzutreffen sind und
damit gegen einen ausschließlich afrikanischen Ursprung der kulturellen Modernität
sprechen. Die neuen Artefaktkategorien mit symbolischer Bedeutung sind nicht
direkt mit verbesserten Subsistenzpraktiken verbunden, und sie müssen ihren Her-
stellern nicht per se demographische Vorteile gebracht haben. Stattdessen stellen sie