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SITZUNGEN
Die nahezu vollständige Aufklärung des Humangenoms — in jüngster Zeit zeigt
sich, dass dieses doch komplexer ist, als ursprünglich gedacht - ist ein weiteres
Addendum für die revolutionären Entwicklungen der Biomedizin, an die sich viele
Hoffnungen, aber auch viele Befürchtungen knüpfen. Es gibt wenige Gebiete der
biomedizinischen Forschung, die hinsichtlich ihrer ethischen Implikationen so kon-
trovers diskutiert wurden, wie die Felder der Genmedizin und Stammzellforschung.
Auf die Problematik der Verwendung sogenannter „embryonaler Stammzellen“ für
die regenerative Medizin, also die Herstellung verschiedener Gewebearten, kann hier
nicht im Detail eingegangen werden. Festzustellen ist allerdings, dass die Haltung zur
Verwendung von Zellen, die letztendlich immer von menschlichen Embryonen
abstammen, auch in verschiedenen westlichen Ländern durchaus unterschiedlich
gesehen wird.
Große Bedeutung haben in letzter Zeit ethische Aspekte der Gendiagnostik
erlangt. So wird es in nächster Zeit zu einem günstigen Preis möglich sein, eine
komplette Information des genetischen Codes eines individuellen Menschen zu
erhalten. Diese Entwicklung hat bereits die Gendiagnostik bei Erkrankungen revo-
lutioniert, die durch Mutationen, also Veränderungen in bestimmten Genen, verur-
sacht sind. Das Spektrum der Erkrankungen reicht dabei von angeborenen Gen-
defekten, die bereits im Säuglings- und frühen Kleinkindesalter zu schwersten
Erkrankungen oder Tod führen, bis hin zu genetischen Veränderungen, deren Aus-
wirkung auch als schwere Krankheit sich erst im höheren Lebensalter zeigt.Während
die reine Diagnostik zur Feststellung der Ursache einer Krankheit sinnvoll und
akzeptiert ist, hat die sogenannte „prädiktive Gendiagnostik“, also die Frage, ob
jemand in seinem späteren Leben eine bestimmte Krankheit entwickeln wird, und
die Frage, ob Angehörige dieselbe genetische Veränderung tragen, die ebenfalls zu
dieser Krankheit führt, erhebliches Konfliktpotential. Das Recht auf Nicht-Wissen
eines Nicht-Erkrankten ist hier genauso zu beachten wie die Notwendigkeit, bei
Familienuntersuchungen mit zeitaufwändiger Beratung den Betroffenen und ihren
Angehörigen Hilfe zu geben.
Ein großes Versprechen der Genforschung, die mögliche therapeutische Kor-
rektur genetischer Erkrankungen, hat sich bisher leider noch nicht realisieren lassen.
Die Versuchung, gezielt Gene bereits im allerfrühsten Stadium der Embryonalent-
wicklung zu manipulieren, ist sicher groß, hat allerdings — vielleicht auch Gott sei
Dank — noch keine Erfolge beim Menschen gezeigt. Allerdings ist die Möglichkeit,
in frühen Stadien des Embryos, d. h. bereits kurz nach der Befruchtung, z. B. bei einer
In-vitro-Fertilisation, Gendefekte festzustellen, bereits in einigen Ländern bei der
sogenannten „Präimplantationsdiagnostik“ zugelassen. Von der Entdeckung einer
möglicherweise bedrohlichen Erkrankung hin zur Vermeidung unerwünschter
Eigenschaften, ist der Weg kurz und die Gefahr bis hin zu Designerkindern bereits
diskutiert worden. Wenige Gebiete der Medizin sind einerseits so mit rasantem Fort-
schritt, andererseits mit unmittelbar auftretenden ethischen Problemen und
grundsätzlichen Fragestellungen assoziiert: „Was ist Leben, was ist lebenswertes
Leben und wie gehen wir damit um?“
SITZUNGEN
Die nahezu vollständige Aufklärung des Humangenoms — in jüngster Zeit zeigt
sich, dass dieses doch komplexer ist, als ursprünglich gedacht - ist ein weiteres
Addendum für die revolutionären Entwicklungen der Biomedizin, an die sich viele
Hoffnungen, aber auch viele Befürchtungen knüpfen. Es gibt wenige Gebiete der
biomedizinischen Forschung, die hinsichtlich ihrer ethischen Implikationen so kon-
trovers diskutiert wurden, wie die Felder der Genmedizin und Stammzellforschung.
Auf die Problematik der Verwendung sogenannter „embryonaler Stammzellen“ für
die regenerative Medizin, also die Herstellung verschiedener Gewebearten, kann hier
nicht im Detail eingegangen werden. Festzustellen ist allerdings, dass die Haltung zur
Verwendung von Zellen, die letztendlich immer von menschlichen Embryonen
abstammen, auch in verschiedenen westlichen Ländern durchaus unterschiedlich
gesehen wird.
Große Bedeutung haben in letzter Zeit ethische Aspekte der Gendiagnostik
erlangt. So wird es in nächster Zeit zu einem günstigen Preis möglich sein, eine
komplette Information des genetischen Codes eines individuellen Menschen zu
erhalten. Diese Entwicklung hat bereits die Gendiagnostik bei Erkrankungen revo-
lutioniert, die durch Mutationen, also Veränderungen in bestimmten Genen, verur-
sacht sind. Das Spektrum der Erkrankungen reicht dabei von angeborenen Gen-
defekten, die bereits im Säuglings- und frühen Kleinkindesalter zu schwersten
Erkrankungen oder Tod führen, bis hin zu genetischen Veränderungen, deren Aus-
wirkung auch als schwere Krankheit sich erst im höheren Lebensalter zeigt.Während
die reine Diagnostik zur Feststellung der Ursache einer Krankheit sinnvoll und
akzeptiert ist, hat die sogenannte „prädiktive Gendiagnostik“, also die Frage, ob
jemand in seinem späteren Leben eine bestimmte Krankheit entwickeln wird, und
die Frage, ob Angehörige dieselbe genetische Veränderung tragen, die ebenfalls zu
dieser Krankheit führt, erhebliches Konfliktpotential. Das Recht auf Nicht-Wissen
eines Nicht-Erkrankten ist hier genauso zu beachten wie die Notwendigkeit, bei
Familienuntersuchungen mit zeitaufwändiger Beratung den Betroffenen und ihren
Angehörigen Hilfe zu geben.
Ein großes Versprechen der Genforschung, die mögliche therapeutische Kor-
rektur genetischer Erkrankungen, hat sich bisher leider noch nicht realisieren lassen.
Die Versuchung, gezielt Gene bereits im allerfrühsten Stadium der Embryonalent-
wicklung zu manipulieren, ist sicher groß, hat allerdings — vielleicht auch Gott sei
Dank — noch keine Erfolge beim Menschen gezeigt. Allerdings ist die Möglichkeit,
in frühen Stadien des Embryos, d. h. bereits kurz nach der Befruchtung, z. B. bei einer
In-vitro-Fertilisation, Gendefekte festzustellen, bereits in einigen Ländern bei der
sogenannten „Präimplantationsdiagnostik“ zugelassen. Von der Entdeckung einer
möglicherweise bedrohlichen Erkrankung hin zur Vermeidung unerwünschter
Eigenschaften, ist der Weg kurz und die Gefahr bis hin zu Designerkindern bereits
diskutiert worden. Wenige Gebiete der Medizin sind einerseits so mit rasantem Fort-
schritt, andererseits mit unmittelbar auftretenden ethischen Problemen und
grundsätzlichen Fragestellungen assoziiert: „Was ist Leben, was ist lebenswertes
Leben und wie gehen wir damit um?“