136 | VERANSTALTUNGEN
12. Juni 2013
PROF. DR. MICHAEL BOLUS
Forschungsstelle „The role of culture in early expansions of human“
Die Erfindung der Kultur — Lebensweisen früher Menschen
Archäologische Funde geben beredtes Zeugnis von den Verhaltens- und Lebens-
weisen unserer frühen Vorfahren ab. Insbesondere lässt sich durch die materiellen
Hinterlassenschaften früher Menschen viel über die fortschreitende Entwicklung
ihrer kulturellen Kapazitäten aussagen.
Die frühesten von Menschen hergestellten und benutzten Steinwerkzeuge
kennen wir aus Afrika, genauer aus Äthiopien. Sie haben ein Alter von etwa 2,6 Mil-
lionenjahren und bestehen vor allem aus Geröllgeräten und Abschlägen mit Schnei-
dekanten. In der Archäologie wird diese erste Steingerätkultur der Menschheit als
Oldowan bezeichnet. Seither waren die Menschen immer wieder bestrebt, neue
Technologien zu entwickeln, mit denen sie sich mehr und mehr von ihrer Umwelt
unabhängig machten und die es ihnen am Ende ermöglichten, die gesamte Welt zu
erobern. So machten sich in Afrika vor gut 2 Millionen Jahren erstmals Menschen-
gruppen auf, ihren Heimatkontinent zu verlassen. Vor 1,8 Millionen Jahren standen
sie bereits in Georgien vor den Toren Europas, und ungefähr gleichzeitig sind
sie auch in Ost- und Südostasien nachgewiesen. Erste Hinweise auf Menschen in
Europa stammen aus Spanien und sind 1,2 Millionen Jahre alt. Man fand in den
genannten Regionen Menschenfossilien zusammen mit materiellen Hinterlassen-
schaften, die meist noch dem Oldowan angehören. Gelegentlich, vor allem im
Nahen Osten, treten vor etwa 1,4 Millionen Jahren auch schon erste beidflächig
bearbeitete Werkzeuge, die Faustkeile, hinzu.
Wie die ältesten Steinwerkzeuge überhaupt, stammen auch die ältesten bisher
bekannten Faustkeile aus Afrika, in diesem Falle aus Kenia. Sie sind etwa 1,8 Millio-
nen Jahre alt und kennzeichnend für eine weitere Stufe menschlicher Kulturent-
wicklung, die nach einer nordfranzösischen Fundstelle als Acheuleen bezeichnet
wird. In Europa ist das Acheuleen allerdings erst etwa eine Million Jahre später als in
Afrika nachweisbar.
Von besonderer Bedeutung für die Menschheit war zweifellos die geplante und
systematische Nutzung von Feuer. Erste Belege hierfür stammen aus Südafrika und
sind etwa eine Million Jahre alt. Man kann bei der Feuererzeugung und -nutzung
durchaus von einer kulturellen Anpassungsstrategie sprechen, die es den Menschen
ermöglichte, nicht nur ihre Nahrung deutlich besser zu verwerten, sondern darüber
hinaus ganz neue, bisher unbewohnte Gebiete zu erschließen und gegen Raubtiere
zu verteidigen.
In Laufe der kulturellen Evolution beobachten wir immer wieder eine Zu-
nahme der Komplexität in der Steintechnologie, der bewussten Formung von Gerät-
schaften und der Beschaffung von Rohmaterial zur Werkzeugherstellung auch aus
größeren Entfernungen. Weiterhin ermöglichte die Entwicklung effektiver Jagd-
waffen, wie sie z.B. durch die etwa 300.000 Jahre alten hölzernen Wurfspeere von
Schöningen repräsentiert sind, den Menschen eine aktive Jagd auf Großwild und
12. Juni 2013
PROF. DR. MICHAEL BOLUS
Forschungsstelle „The role of culture in early expansions of human“
Die Erfindung der Kultur — Lebensweisen früher Menschen
Archäologische Funde geben beredtes Zeugnis von den Verhaltens- und Lebens-
weisen unserer frühen Vorfahren ab. Insbesondere lässt sich durch die materiellen
Hinterlassenschaften früher Menschen viel über die fortschreitende Entwicklung
ihrer kulturellen Kapazitäten aussagen.
Die frühesten von Menschen hergestellten und benutzten Steinwerkzeuge
kennen wir aus Afrika, genauer aus Äthiopien. Sie haben ein Alter von etwa 2,6 Mil-
lionenjahren und bestehen vor allem aus Geröllgeräten und Abschlägen mit Schnei-
dekanten. In der Archäologie wird diese erste Steingerätkultur der Menschheit als
Oldowan bezeichnet. Seither waren die Menschen immer wieder bestrebt, neue
Technologien zu entwickeln, mit denen sie sich mehr und mehr von ihrer Umwelt
unabhängig machten und die es ihnen am Ende ermöglichten, die gesamte Welt zu
erobern. So machten sich in Afrika vor gut 2 Millionen Jahren erstmals Menschen-
gruppen auf, ihren Heimatkontinent zu verlassen. Vor 1,8 Millionen Jahren standen
sie bereits in Georgien vor den Toren Europas, und ungefähr gleichzeitig sind
sie auch in Ost- und Südostasien nachgewiesen. Erste Hinweise auf Menschen in
Europa stammen aus Spanien und sind 1,2 Millionen Jahre alt. Man fand in den
genannten Regionen Menschenfossilien zusammen mit materiellen Hinterlassen-
schaften, die meist noch dem Oldowan angehören. Gelegentlich, vor allem im
Nahen Osten, treten vor etwa 1,4 Millionen Jahren auch schon erste beidflächig
bearbeitete Werkzeuge, die Faustkeile, hinzu.
Wie die ältesten Steinwerkzeuge überhaupt, stammen auch die ältesten bisher
bekannten Faustkeile aus Afrika, in diesem Falle aus Kenia. Sie sind etwa 1,8 Millio-
nen Jahre alt und kennzeichnend für eine weitere Stufe menschlicher Kulturent-
wicklung, die nach einer nordfranzösischen Fundstelle als Acheuleen bezeichnet
wird. In Europa ist das Acheuleen allerdings erst etwa eine Million Jahre später als in
Afrika nachweisbar.
Von besonderer Bedeutung für die Menschheit war zweifellos die geplante und
systematische Nutzung von Feuer. Erste Belege hierfür stammen aus Südafrika und
sind etwa eine Million Jahre alt. Man kann bei der Feuererzeugung und -nutzung
durchaus von einer kulturellen Anpassungsstrategie sprechen, die es den Menschen
ermöglichte, nicht nur ihre Nahrung deutlich besser zu verwerten, sondern darüber
hinaus ganz neue, bisher unbewohnte Gebiete zu erschließen und gegen Raubtiere
zu verteidigen.
In Laufe der kulturellen Evolution beobachten wir immer wieder eine Zu-
nahme der Komplexität in der Steintechnologie, der bewussten Formung von Gerät-
schaften und der Beschaffung von Rohmaterial zur Werkzeugherstellung auch aus
größeren Entfernungen. Weiterhin ermöglichte die Entwicklung effektiver Jagd-
waffen, wie sie z.B. durch die etwa 300.000 Jahre alten hölzernen Wurfspeere von
Schöningen repräsentiert sind, den Menschen eine aktive Jagd auf Großwild und