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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Mitarbeitervortragsreihe. „Wir forschen. Für Sie“
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Welter, Rüdiger: All You Need Is Love: sagt Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0116
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26. Juni 2013 | 139

26. Juni 2013
DR. RÜDIGER WELTER
Forschungsstelle „Goethe-Wörterbuch“
All Yon Need Is Love. Sagt Goethe
Wenn im Vortragstitel von Goethe und von Liebe die Rede ist, dann denken viel-
leicht gar nicht so wenige, dass sie so etwas wie „Goethe und die Frauen“ erwartet,
eine Art von chronique scandaleuse aus dem Leben des deutschen Dichterfürsten. Da
muss ich Sie enttäuschen — aber keine Sorge, Frauen kommen schon vor! Es sind
jedoch weniger die „Frauen um Goethe”, eher schon die „Frauen von Goethe”, das
heißt, Frauenfiguren, die von ihm in seinen Dichtungen erschaffen bzw. „besungen“
worden sind. Nicht zuletzt deretwegen gilt Goethe ja als „Dichter der Liebe”.
Allerdings, und darum geht es eigentlich in meinem Vortrag, die erotische Liebe
ist nur eine Form der Liebe, und darum möchte ich Sie — zunächst einmal ganz kur-
sorisch — mit folgenden anderen Aspekten des Themas Liebe bei Goethe bekannt
machen: der Liebe als kosmischer Kraft, als göttlicher Gnade, als menschlicher
Lebenseinstellung, als eigenmächtiger (und eigenwilliger!) Gestaltungsmacht im
Leben des Einzelnen, als Fürsorglichkeit, Nächstenliebe, als Verehrung von Vorbil-
dern, Gefolgschaft gegenüber Anführern und Herrschen — die von diesen mit väter-
licher Liebe und Fürsorge erwidert werden sollte! —, als leidenschaftlicher Hingabe
an eine Sache — und, last not least, als erotischer Beziehung zwischen den Geschlech-
tern .
Jetzt wird es ganz schön unübersichtlich, werden Sie denken, doch wollen wir
uns gleich vergegenwärtigen, dass auch in unserem Alltag die Liebe — zumindest in
semantischer Hinsicht — reichlich komplex ist: Wir lieben unseren Lebenspartner -
oder deren mehrere —, unsere Kinder, unsere Eltern, unseren Hund und Katz, den
BVB — oder, meinetwegen, auch Hoffenheim —, das Mittelmeer, Erdbeereis, die
Wahrheit und die Gerechtigkeit, die Simpsons, Skilanglauf, die Beatles oder die Sto-
nes, Pink oder Adele, Italowestern, Pulswärmer, das Morgenrot und Grünen Tee. Und
unseren Nächsten und, mit etwas Glück oder guter Therapie, uns selbst. — Dass diese
Facetten des Liebens sich als Facetten im Gebrauch des Wortes‘Liebe’widerspiegeln,
und wie man diese verschiedenen Gebrauchsweisen als unterschiedliche Bedeutun-
gen möglichst genau umschreibt, das ist eben — bezogen auf Goethes Sprache (und
die seiner Zeitgenossen!) — der Forschungsgegenstand des Goethewörterbuchs. Hat man
sich am semantischen Facettenreichtum eines Wortes wie ‘Liebe’ einlässlich genug
abgearbeitet, dann setzt sich aus den Mosaiksteinchen der Einzelbedeutungen
schließlich wieder ein Gesamtbild zusammen, und das möchte ich Ihnen im Fol-
genden vermitteln. Bringen nun etwas Ordnung in Goethes viele Liebe.
„Es ist alles übrigens Stückwerk in der Welt außer der Liebe, wie St. Paulus
spricht“. Mit dieser berühmten Preisung der Liebe aus dem Korintherbrief 1,13 sind
wir im Kern, oder besser noch: im Herzen von Goethes Verhältnis zur Liebe. Fangen
wir im Großen an, bei der kosmischen Liebe als derjenigen Kraft, die „die Welt im
Innersten zusammenhält”. Die Schöpfung verdankt ihre stabile Harmonie der Dyna-
mik, der‘Polarität’ in den einzelnen Verhältnissen, und daher steht der Liebe stets der
 
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