Andreas Meyer-Lindenberg
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Aus dem geplanten kurzen Postdoc wurden dann nahezu zehn Jahre, von
1997—2007. Es handelte sich hier um eine wissenschaftlich ausgesprochen spannende
Zeit. Ich hatte das Glück, das Labor zu einem Zeitpunkt zu betreten, als sich die
Erforschung psychischer Erkrankungen mit Hilfe der Bildgebung, die am NIMH in
hervorragender Weise etabliert war, kombinierte mit Methoden der Genetik, was
einen ganz neuen Zugriff auf biologische Mechanismen psychischer Erkrankungen
bedeutete. Diesen Ansatz der sogenannten „Imaging Genetics“ konnte ich in
Bethesda von Anfang an verfolgen und auch mit gestalten. Hierbei untersuchten
wir zunächst ein seltenes genetisches Syndrom, das sogenannte Williams-Beuren-
Syndrom, bei dem genetische Veränderungen zu erheblichen Veränderungen des
Sozialverhaltens fuhren. Wir konnten zeigen, wie im Gehirn diese Veränderungen des
Sozialverhaltens mechanistisch erklärbar werden. Zum anderen beschäftigten wir uns
mit häufigen genetischen Varianten, die das Risiko für die Schizophrenie, eine der
Erkrankungen im Hauptaugenmerk meiner Forschung, erhöhten. Ursprünglich als
Postdoktorand eingestellt, wurde ich nach einigen Jahren am NIMH zum „Staff
Clinician“ und dann zum „Investigator“, dem Äquivalent eines „Tenure-Track-Pro-
fessors“, bestellt, jeweils im Programm von Daniel Weinberger.
Aus unseren Untersuchungen von genetischen Risikomechanismen ergaben
sich seit Mitte der ersten Dekade dieses Jahrtausends auch zunehmend Hinweise auf
therapeutische Konsequenzen. So konnte meine Arbeitsgruppe als erste zeigen, wie
sogenannte prosoziale Neuropeptide, wie Oxytocin, im Gehirn wirken. Dies legte
einen Ansatz nahe, soziale Störungen bei psychischen Erkrankungen auch zu thera-
pieren. Es zeigte sich jedoch zunehmend, dass die Wissenschaftslandschaft am
NIMH, so ideal sie auch für die Grundlagenforschung war, für diese therapiege-
wandte oder „translationale“ Forschung erhebliche Beschränkungen aufwies. Insbe-
sondere war es praktisch nur schwer möglich, mit Patienten in dem Maße und in der
Tiefe zu arbeiten, wie dies für eine gute translationale Forschung nötig gewesen
wäre. Ich begann daher, mich nach einer Stelle umzusehen, die solche translationa-
len Perspektiven eröffnete. 2006 konnte ich zwischen zwei Angeboten wählen,
dem neu gegründeten Michael Davies Chair in Oxford und dem Zentralinstitut für
Seelische Gesundheit. Das zweite Angebot nahm ich mit wenig Zögern an, da das
Zentralinstitut in seiner Kombination von Lehre, Forschung, Krankenversorgung aus
meiner Sicht (die natürlich nicht ganz unparteiisch ist!) eine ideale Konstellation für
die translationale Forschung darstellt.
Meine gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte konnte ich Ihnen, wie gesagt,
bereits bei der ausführlichen Sitzung in Mannheim darstellen und will sie daher
nicht wiederholen. Hier nur so viel: Das Zentralinstitut befindet sich gegenwärtig in
einem erheblichen Wachstumsprozess. Durch die Übernahme von Bettenkapazitäten
ist es uns möglich, innerhalb von wenigen Jahren die Vollversorgung der Stadt
Mannheim zu übernehmen. Im Zusammenhang damit bauen wir die internen
Abläufe des Zentralinstituts in neue Versorgungsstrukturen um, die es ermöglichen,
Klienten und Patienten aus einer Hand sowohl in der ambulanten wie in der vorsta-
tionären, stationären und nachstationären Phase, zu behandeln. Wir nennen diese
Behandlungsform „Tracks“ und erhoffen uns daraus eine Verbesserung sowohl der
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Aus dem geplanten kurzen Postdoc wurden dann nahezu zehn Jahre, von
1997—2007. Es handelte sich hier um eine wissenschaftlich ausgesprochen spannende
Zeit. Ich hatte das Glück, das Labor zu einem Zeitpunkt zu betreten, als sich die
Erforschung psychischer Erkrankungen mit Hilfe der Bildgebung, die am NIMH in
hervorragender Weise etabliert war, kombinierte mit Methoden der Genetik, was
einen ganz neuen Zugriff auf biologische Mechanismen psychischer Erkrankungen
bedeutete. Diesen Ansatz der sogenannten „Imaging Genetics“ konnte ich in
Bethesda von Anfang an verfolgen und auch mit gestalten. Hierbei untersuchten
wir zunächst ein seltenes genetisches Syndrom, das sogenannte Williams-Beuren-
Syndrom, bei dem genetische Veränderungen zu erheblichen Veränderungen des
Sozialverhaltens fuhren. Wir konnten zeigen, wie im Gehirn diese Veränderungen des
Sozialverhaltens mechanistisch erklärbar werden. Zum anderen beschäftigten wir uns
mit häufigen genetischen Varianten, die das Risiko für die Schizophrenie, eine der
Erkrankungen im Hauptaugenmerk meiner Forschung, erhöhten. Ursprünglich als
Postdoktorand eingestellt, wurde ich nach einigen Jahren am NIMH zum „Staff
Clinician“ und dann zum „Investigator“, dem Äquivalent eines „Tenure-Track-Pro-
fessors“, bestellt, jeweils im Programm von Daniel Weinberger.
Aus unseren Untersuchungen von genetischen Risikomechanismen ergaben
sich seit Mitte der ersten Dekade dieses Jahrtausends auch zunehmend Hinweise auf
therapeutische Konsequenzen. So konnte meine Arbeitsgruppe als erste zeigen, wie
sogenannte prosoziale Neuropeptide, wie Oxytocin, im Gehirn wirken. Dies legte
einen Ansatz nahe, soziale Störungen bei psychischen Erkrankungen auch zu thera-
pieren. Es zeigte sich jedoch zunehmend, dass die Wissenschaftslandschaft am
NIMH, so ideal sie auch für die Grundlagenforschung war, für diese therapiege-
wandte oder „translationale“ Forschung erhebliche Beschränkungen aufwies. Insbe-
sondere war es praktisch nur schwer möglich, mit Patienten in dem Maße und in der
Tiefe zu arbeiten, wie dies für eine gute translationale Forschung nötig gewesen
wäre. Ich begann daher, mich nach einer Stelle umzusehen, die solche translationa-
len Perspektiven eröffnete. 2006 konnte ich zwischen zwei Angeboten wählen,
dem neu gegründeten Michael Davies Chair in Oxford und dem Zentralinstitut für
Seelische Gesundheit. Das zweite Angebot nahm ich mit wenig Zögern an, da das
Zentralinstitut in seiner Kombination von Lehre, Forschung, Krankenversorgung aus
meiner Sicht (die natürlich nicht ganz unparteiisch ist!) eine ideale Konstellation für
die translationale Forschung darstellt.
Meine gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte konnte ich Ihnen, wie gesagt,
bereits bei der ausführlichen Sitzung in Mannheim darstellen und will sie daher
nicht wiederholen. Hier nur so viel: Das Zentralinstitut befindet sich gegenwärtig in
einem erheblichen Wachstumsprozess. Durch die Übernahme von Bettenkapazitäten
ist es uns möglich, innerhalb von wenigen Jahren die Vollversorgung der Stadt
Mannheim zu übernehmen. Im Zusammenhang damit bauen wir die internen
Abläufe des Zentralinstituts in neue Versorgungsstrukturen um, die es ermöglichen,
Klienten und Patienten aus einer Hand sowohl in der ambulanten wie in der vorsta-
tionären, stationären und nachstationären Phase, zu behandeln. Wir nennen diese
Behandlungsform „Tracks“ und erhoffen uns daraus eine Verbesserung sowohl der