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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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II. Die Forschungsvorhaben
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Tätigkeitsberichte
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1. Goethe-Wörterbuch (Tübingen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0185
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TÄTIGKEITSBERICHTE

man schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht nur volkstümlich das Springkraut,
sondern auch einen auf (soziale) Distanz bedachten Menschen bezeichnet. Ist die
erotische ‘Rührung’ wechselseitig und durch keinerlei Berührungsängste gehemmt,
so trifft man sich vielleicht bei den ‘Ruinen’, was eher romantisch denn morbide
klingt wenn man bedenkt, dass eigens errichtete Ruinen seit dem 18. Jahrhundert
zum Standardinventar des Landschaftsparks gehörten. Um die Vorfreude auf das Stell-
dichein nicht zu trüben, begibt man sich dorthin besser nicht in einem ‘Rumpel-
kasten’, wie Goethe eine schlecht gefederte, wenig komfortable Kutsche nennt. Da
würde auch ‘Rum’ wenig helfen, der dafür in Goethes Haushalt zum Flambieren des
‘Plumpuddings’ dient. Von der Liebe zum Tod: Die ‘Rumpfkammer’ ist kein defizi-
entes demokratisches Organ, sondern Depot für die vom ‘Schädel’ separat gelagerten
Gebeine.
Ein Stichwort wie ‘rund’ stellt besondere Anforderungen, weil es nicht nur eine
komplexe Pluralität von Form- und Gestaltbezeichnungen zu differenzieren gilt,
sondern eine ebenso vielschichtige Gliederung des Qualitätsbegriffs. Da bedarf es
einlässlicher redaktioneller Erörterungen, bevor aus dem Artikel eine ‘runde Sache’
wird.
Wer, wie Goethe in hohem Maße, vom ‘Sammelgeist’ erfüllt ist, der braucht
‘Sammlungsglück’, glücklichen Erfolg beim Sammeln (von Münzen, Mineralien,
Fossilien, Graphiken etc.), um sein ‘Sammlerglück’ zu finden. Den zufriedenen Neu-
besitzer ersehnter Objekte braucht man nicht ‘mit Samthandschuhen anzurühren’,
wie den manchmal leicht reizbaren Herrn Staatsminister. Wer‘in sich selbst eins und
rund ist’, mit sich im Einklang und entsprechend souverän im Auftreten, ist wahr-
scheinlich ‘sanft’ im Umgang. (‘Sanft’ ist übrigens u.a. auch ein Prädikat für Toilet-
tenpapier, und das 1772!) Wer seinen Mitmenschen nicht ‘sanft’ begegnet, ist es im
Herzen vielleicht dennoch; den Typus ‘harte Schale, weicher Kern’ gab es sogar unter
friderizianischen Offizieren, zumindest in der fiktiven Realität von ‘Wilhelm
Meisters theatralischer Sendung’.
Was Versicherungen bis heute vornehmen müssen, das ist die ‘Schädenwürde-
rung’ zur Ermittlung einer angemessenen Regulierungssumme. Worin auch immer
der Verlust bestehen mag, als größte ‘Schätze’ des Lebens preist Goethe ohnehin
‘Genügsamkeit, Gesundheit und ein tüchtiges Streben’, dem Mann dazu ‘ein treff-
liches Weib’ — und sei es eine ‘Schäfersängerin’, die auf der Bühne bevorzugt die Par-
tie der ‘Schäferin’ singt. Nicht geraten sollte der Mann jedoch an einen ‘Schalk’ aus
der Schweiz, denn dort ist damit eine abweisende, mürrische und notorisch unzu-
friedene Frau gemeint. Treten, ob nun mit ‘Schäferin’ oder ‘Schalk’, Probleme auf,
dann hilft vielleicht eine ‘Schäkerei’, ein verzuckertes Placebo — auch das eine schon
im 19. Jahrhundert endgültig ausgestorbene Verwendungsweise. Nur Rechtshistori-
kern evtl, noch geläufig sein dürfte das Wort ‘Schallenwerk’, womit man in der
Schweiz seit dem frühen 17. Jahrhundert eine Strafanstalt für zu Zwangsarbeit ver-
urteilte Häftlinge bezeichnet: diese mussten bei Außeneinsätzen eine mit einer
Schelle (!) versehene Schandmaske (nein, kommt bei Goethe nicht vor!) tragen.
Dann doch lieber eine ‘Schammame’: im persischen Kulturkreis nannte man so die
dort seit alters her angebaute kleine, orangegetigerte Duft-Melone. Goethe exzer-
 
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