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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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5. Forschungsschwerpunkt „Neue Wege der Verflechtung von Natur- und Geisteswissenschaften“
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Künstliches und künstlerisches Sehen. Computer Vision und Kunstgeschichte in methodisch-praktischer Zusammenarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0304
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Das WIN-Kolleg

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soll. Die Anwendungen und die Grundlagenforschung der Arbeitsgruppe sowie
deren methodenkritische Reflexion sollen den Umgang mit digitalen Bilddatenban-
ken bildorientierter und damit effizienter gestalten. Computer Vision kann, indem
direkt auf die Bildinformationen zugegriffen wird, Beschreibungen vornehmen und
Verbindungen zwischen Kunstwerken aufzeigen, die für das menschliche Auge nicht
oder nur unter größtem Zeitaufwand überblickbar wären.
Der Themenkomplex der Formanalyse und der Zugang mittels kompositio-
neller Modelle führt zu aktuellen Forschungsfragen im Bereich Computer Vision:
Im Gegensatz zu direkt im Bild messbaren Modalitäten wie z.B. Farbe oder Textur
entsteht Form als emergente Eigenschaft erst durch das Gruppieren von relevanten
Objektteilen und deren Loslösung vom Bildhintergrund. Die Präzisierung von Ähn-
lichkeiten und Varianzen durch das rechnerische Verfahren bei gleichzeitiger reprä-
sentationskritischer Reflexion des Detektionsprozesses stellt eine neue Schule des
Sehens für beide Fächer dar und eröffnet einen unmittelbar fruchtbaren Dialog
zwischen Natur- und Geisteswissenschaft. Nach den aufwendigen Digitalisierungs-
kampagnen der letzten Jahre geht es in diesem Projekt darum, einen wesentlichen
Meilenstein auf dem Weg zu einer fachgerechten Aufbereitung und Durchdringung
der Bilddaten zu erreichen.
Rezeption
Um das volle Potential einer computergestützten Bildanalyse zu entfalten, bedarf es
Algorithmen zur Objekterkennung, mit denen Computer sich dem semantischen
Inhalt der Bilder nähern können. Insbesondere muss das automatische Sehen mit
dem hohen Maß an Abstraktion, wie es sich in künstlerischen Bildern findet, erfolg-
reich umgehen können. Zur Entwicklung dieser Algorithmen bieten sich speziell die
kunstgeschichtlichen Rezeptionszusammenhänge als Testszenario an, da hier mehrere
Bilder mit vergleichbarer inhaltlicher Bedeutung, aber unterschiedlicher bildlicher
Gestaltung (und vice versa) zueinander in Kontext gebracht werden. Ziel ist es dabei,
in den Bildern ähnliche Objekte zu erkennen, gegeneinander zu registrieren und die
Gesamtkomposition der Szenen zu vergleichen. Weiterhin wird an Objekten die
Selbstähnlichkeit untersucht, um so etwa den Zusammenhang von verschiedenen
Bauteilen eines Gebäudes nachzuvollziehen sowie die Zusammenhänge innerhalb
eines Oeuvres oder architektonischer Stile.
In diesem Jahr wurde mit Vergleichen von Michelangelos Sixtina-Fresken und
deren Nachzeichnungen begonnen sowie die Dresdner und Wolfenbüttler Codices
des Sachsenspiegels miteinander verglichen. Eine Untersuchung des nazarenischen
Kopisten mittelalterlicher, insbesondere italienischer Kunst Johann Anton Ramboux
(1790—1866) wird weiter ausgedehnt. Rezeption stellt sich bei diesen Ansätzen nicht
als Einbahnstraße dar, in der lediglich die Abweichung vom Original konstatiert
werden kann, sondern liefert Hinweise zum ursprünglichen Kunstwerk wie auch zur
Entstehungszeit der Rezeption. Die präzisen Konturen Rambouxs ermöglichen bei-
spielsweise dem Computer die Linienführung am Originalgemälde zu rekonstru-
ieren, während sich an ihnen der nazarenische Blick auf die Kunst des Spätmittelal-
ters manifestiert.
 
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