20. Mai 2000
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riere dar, gegen die mehr emotional als rational argumentiert wird. Ein über Jahrtau-
sende in allen Kulturkreisen der Erde in unterschiedlicher Form tradiertes Weltbild, das
menschliche Selbstverständnis, wurden von Darwin schlagartig in Frage gestellt.
Seit der Veröffentlichung des Buches „The Origin of Species“ sind nunmehr 141
Jahre vergangen. Jahre, in denen sich mit zunehmender Überzeugungskraft die Dar-
winschen Thesen stützen ließen. Die Paläontologie mit Knochenfunden primitiver
Vorläuferarten, die vergleichende Anatomie und Physiologie, die analoge Bau- und
Funktionsprinzipien zwischen sehr unterschiedlichen Arten aufzeigten, die gleichför-
migen Stoffwechselvorgänge der verschiedensten Spezies, die Züchtungsforschung,
welche die Veränderbarkeit einer Art am Beispiel der Haustiere dokumentieren kann
- sie alle haben bei nüchterner Betrachtung kaum Zweifel aufkommen lassen, auch
wenn - wie das Beispiel des Schoolboards des Staates Kansas zeigt - die Zweifler bis
heute nicht verstummen.
Gerade auch Knochenfunde von Urmenschen und ihren vermutlichen Vorläufern,
dem Australopithecus africanus, haben der Hypothese Unterstützung verliehen, daß
die Wiege der heutigen Menschheit in Afrika stand und daß unsere Vorfahren - selbst,
als sie den aufrechten Gang „erworben“ hatten - in ihrer Knochenstruktur noch Cha-
rakteristika des sogenannten knuckle walking der höheren Primaten aufwiesen, die
sich beim Laufen auf die seitlichen Handleisten aufstützen.
Seit etwas mehr als 20 Jahren ist allerdings eine neue Qualität in die Evolutionsde-
batte gekommen. Seit Avery in den vierziger Jahren die Desoxyribonukleinsäure, die
DNS, als Grundsubstanz der Vererbung identifiziert und Watson und Cnck deren
Struktur als Doppelhelix 1953 charakterisiert haben, die sich aus den Nukleotiden
Adenin, Thymin, Cytosin und Gutinin zusammensetzt und einen Doppelstrang bil-
det, wurde 1975 von Fred Sanger eine elegante Methode zur Bestimmung der Bau-
steinfolge im Erbmaterial entwickelt.
Das Verfahren fand seinen fast zögerlichen Beginn in der Analyse des Erbfadens
(des Genoms) von bakteriellen und tierischen Viren, die mit jeweils etwa 3000 bis 6000
Nukleotiden zu den kleinsten bekannten Erregern gehören. Dies geschah bereits Ende
der 70er Jahre. Bald folgten große komplexe Viren, wie das zur Gruppe der Her-
pesviren gehörende Epstein-Barr-Virus mit mehr als 150.000 Basenpaaren.
Mitte der 80 er Jahre wurden erste Stimmen laut, die forderten, auch extrem kom-
plexe Bausteinfolgen wie die des menschlichen Erbgutes in einer koordinierten inter-
nationalen Anstrengung zu bestimmen. Es war vor allem der Nobelpreisträger Rena-
to Dulbecco, der zur Gesamtsequenzierung der menschlichen DNS-Sequenz aufrief-
mit 3 Milliarden Basenpaaren fraglos ein gewaltiges Unternehmen.
Dulbecco verwies vor allem auf die positiven Konsequenzen für die Medizin und
löste gleichzeitig eine weltweite Debatte über ethische Fragen und mögliche Negativ-
folgen aus, die insbesondere in Deutschland einen enormen Widerhall fand und für
den hier erheblich verzögerten Beginn von Forschungsförderungsprogrammen auf
diesem Sektor hauptverantwortlich war.
Trotz anfänglicher Skepsis - auch unter den Wissenschaftlern - fand Dulbeccos
Aufruf zunehmend Gehör. Bereits Ende der 80er Jahre fanden sich Wissenschaftler-
gemeinschaften zusammen, welche die Gesamtsequenzierung des menschlichen Erb-
gutes vorplanten und auch aktiv angingen.
In der Folge haben rasche Fortschritte in den Sequenzierungstechniken, in der
Datenerfassung und der Bearbeitung biologischer Information - in der Bioinformatik
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riere dar, gegen die mehr emotional als rational argumentiert wird. Ein über Jahrtau-
sende in allen Kulturkreisen der Erde in unterschiedlicher Form tradiertes Weltbild, das
menschliche Selbstverständnis, wurden von Darwin schlagartig in Frage gestellt.
Seit der Veröffentlichung des Buches „The Origin of Species“ sind nunmehr 141
Jahre vergangen. Jahre, in denen sich mit zunehmender Überzeugungskraft die Dar-
winschen Thesen stützen ließen. Die Paläontologie mit Knochenfunden primitiver
Vorläuferarten, die vergleichende Anatomie und Physiologie, die analoge Bau- und
Funktionsprinzipien zwischen sehr unterschiedlichen Arten aufzeigten, die gleichför-
migen Stoffwechselvorgänge der verschiedensten Spezies, die Züchtungsforschung,
welche die Veränderbarkeit einer Art am Beispiel der Haustiere dokumentieren kann
- sie alle haben bei nüchterner Betrachtung kaum Zweifel aufkommen lassen, auch
wenn - wie das Beispiel des Schoolboards des Staates Kansas zeigt - die Zweifler bis
heute nicht verstummen.
Gerade auch Knochenfunde von Urmenschen und ihren vermutlichen Vorläufern,
dem Australopithecus africanus, haben der Hypothese Unterstützung verliehen, daß
die Wiege der heutigen Menschheit in Afrika stand und daß unsere Vorfahren - selbst,
als sie den aufrechten Gang „erworben“ hatten - in ihrer Knochenstruktur noch Cha-
rakteristika des sogenannten knuckle walking der höheren Primaten aufwiesen, die
sich beim Laufen auf die seitlichen Handleisten aufstützen.
Seit etwas mehr als 20 Jahren ist allerdings eine neue Qualität in die Evolutionsde-
batte gekommen. Seit Avery in den vierziger Jahren die Desoxyribonukleinsäure, die
DNS, als Grundsubstanz der Vererbung identifiziert und Watson und Cnck deren
Struktur als Doppelhelix 1953 charakterisiert haben, die sich aus den Nukleotiden
Adenin, Thymin, Cytosin und Gutinin zusammensetzt und einen Doppelstrang bil-
det, wurde 1975 von Fred Sanger eine elegante Methode zur Bestimmung der Bau-
steinfolge im Erbmaterial entwickelt.
Das Verfahren fand seinen fast zögerlichen Beginn in der Analyse des Erbfadens
(des Genoms) von bakteriellen und tierischen Viren, die mit jeweils etwa 3000 bis 6000
Nukleotiden zu den kleinsten bekannten Erregern gehören. Dies geschah bereits Ende
der 70er Jahre. Bald folgten große komplexe Viren, wie das zur Gruppe der Her-
pesviren gehörende Epstein-Barr-Virus mit mehr als 150.000 Basenpaaren.
Mitte der 80 er Jahre wurden erste Stimmen laut, die forderten, auch extrem kom-
plexe Bausteinfolgen wie die des menschlichen Erbgutes in einer koordinierten inter-
nationalen Anstrengung zu bestimmen. Es war vor allem der Nobelpreisträger Rena-
to Dulbecco, der zur Gesamtsequenzierung der menschlichen DNS-Sequenz aufrief-
mit 3 Milliarden Basenpaaren fraglos ein gewaltiges Unternehmen.
Dulbecco verwies vor allem auf die positiven Konsequenzen für die Medizin und
löste gleichzeitig eine weltweite Debatte über ethische Fragen und mögliche Negativ-
folgen aus, die insbesondere in Deutschland einen enormen Widerhall fand und für
den hier erheblich verzögerten Beginn von Forschungsförderungsprogrammen auf
diesem Sektor hauptverantwortlich war.
Trotz anfänglicher Skepsis - auch unter den Wissenschaftlern - fand Dulbeccos
Aufruf zunehmend Gehör. Bereits Ende der 80er Jahre fanden sich Wissenschaftler-
gemeinschaften zusammen, welche die Gesamtsequenzierung des menschlichen Erb-
gutes vorplanten und auch aktiv angingen.
In der Folge haben rasche Fortschritte in den Sequenzierungstechniken, in der
Datenerfassung und der Bearbeitung biologischer Information - in der Bioinformatik