Albrecht Winnacker
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Wechsel in die industrielle, angewandte Forschung verband. Zu meinem Glück zog
ich vorher noch einmal Nutzen aus einer besonderen Heidelberger Gegebenheit. Es
traf sich nämlich gut, dass sich in der Nachbarschaft des Physikalischen Instituts mit
seinem großen Männerüberschuss die Pädagogische Hochschule mit ihrem hohen
Frauenüberschuss befand mit vielfältigen Möglichkeiten der Kontaktnahme. Im
Jahre 1978 heiratete ich meine Frau Eva, wir haben drei Kinder, die jetzt erwachsen
sind und uns bisher zwei Enkelkinder beschert haben.
Ein erster Schritt in Richtung industrieller Forschung war die Annahme einer
nobel dotierten Gastwissenschaftlerstelle in den Forschungslaboratorien der IBM in
San Jose, Kalifornien. Trotz der Annehmlichkeiten des Lebens einer jungen Familie
in Amerika wollten wir nicht in den USA bleiben, und so trat ich dann Anfang 1986
in die Zentralen Forschungslaboratorien der Siemens AG in Erlangen ein. Zwar
musste ich mir von wohlmeinenden Ratgebern immer wieder den damals geläufi-
gen Spruch anhören: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, bei Siemens, AEG und Borsig, der
hat das Schlimmste noch vor sich, ließ mich aber nicht beirren. Mir kam es zugute, dass
damals die Siemens AG unter der tatkräftigen Leitung des Forschungsvorstands Kurt
Beckurts eine gewaltige Anstrengung unternahm, den Rückstand gegenüber Japan
auf dem Gebiet der Mikroelektronik aufzuholen. Beckurts sagte zu mir bei meinem
Einstellungsgespräch: Wir können diese große Aufgabe ja nicht nur mit lauter Grünschnä-
beln anpacken. Auf diese Weise konnte ich in schon fortgeschrittenem Stadium mei-
nes Berufslebens in das traditionsreiche Unternehmen überwechseln und wurde
Leiter der Fachabteilung Verbindungshalbleiter. Es musste schon einer so hoch über
den Dingen stehen wie Beckurts, um jemandem mit meinem fachlichen Hinter-
grund dieses Thema anzuvertrauen.
Vielleicht ist dies der geeignete Moment, kurz auf mein Arbeitsgebiet einzu-
gehen. Durch „learning by doing“ sind in der Tat während meiner Siemensjahre
Physik und Technologie der elektronischen Materialien zu meinem Fachgebiet
geworden. Die moderne Mikroelektronik verbinden wir meist mit dem Silizium,
einen sog. Halbleiter. Man spricht vom Silicon Valley, von der Siliziumtechnologie,
gar vom Siliziumzeitalter. Das bedeutet aber keineswegs, dass das Silizium von seinen
physikalischen Eigenschaften her für alle elektronischen Zwecke am besten geeignet
ist. Von den physikalischen Eigenschaften her wären andere Materialien für viele
wichtige Anwendungen durchaus günstiger, nur stehen sie gar nicht, oder nicht in
der gebotenen Perfektion und Modifikation zur Verfügung. Mit den elektronischen
Eigenschaften und mit der schwierigen Herstellung der „anderen“ Halbleiter habe
ich mich seit meiner Siemens-Zeit bis auf den heutigen Tag schwerpunktmäßig
befasst.
Ich hatte vor, mein weiteres Berufsleben bei Siemens zu bleiben, aber ein tra-
gisches Ereignis führte nochmals zu einer Wendung, der Tod von Karl Heinz
Beckurts. Er fiel einem Attentat der RAF zum Opfer, eine Tragödie für Siemens, aber
darüber hinaus generell für die Hochtechnologie in Deutschland. Die unmittelbare
Folge bei Siemens war ein gewisser Niedergang der Forschung, bedingt durch einen
schwachen Nachfolger. Wie andere Kollegen aus dem Bereich von Materialwissen-
schaften und Elektrotechnik auch, nutzte ich die erste Gelegenheit, mich aus dem
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Wechsel in die industrielle, angewandte Forschung verband. Zu meinem Glück zog
ich vorher noch einmal Nutzen aus einer besonderen Heidelberger Gegebenheit. Es
traf sich nämlich gut, dass sich in der Nachbarschaft des Physikalischen Instituts mit
seinem großen Männerüberschuss die Pädagogische Hochschule mit ihrem hohen
Frauenüberschuss befand mit vielfältigen Möglichkeiten der Kontaktnahme. Im
Jahre 1978 heiratete ich meine Frau Eva, wir haben drei Kinder, die jetzt erwachsen
sind und uns bisher zwei Enkelkinder beschert haben.
Ein erster Schritt in Richtung industrieller Forschung war die Annahme einer
nobel dotierten Gastwissenschaftlerstelle in den Forschungslaboratorien der IBM in
San Jose, Kalifornien. Trotz der Annehmlichkeiten des Lebens einer jungen Familie
in Amerika wollten wir nicht in den USA bleiben, und so trat ich dann Anfang 1986
in die Zentralen Forschungslaboratorien der Siemens AG in Erlangen ein. Zwar
musste ich mir von wohlmeinenden Ratgebern immer wieder den damals geläufi-
gen Spruch anhören: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, bei Siemens, AEG und Borsig, der
hat das Schlimmste noch vor sich, ließ mich aber nicht beirren. Mir kam es zugute, dass
damals die Siemens AG unter der tatkräftigen Leitung des Forschungsvorstands Kurt
Beckurts eine gewaltige Anstrengung unternahm, den Rückstand gegenüber Japan
auf dem Gebiet der Mikroelektronik aufzuholen. Beckurts sagte zu mir bei meinem
Einstellungsgespräch: Wir können diese große Aufgabe ja nicht nur mit lauter Grünschnä-
beln anpacken. Auf diese Weise konnte ich in schon fortgeschrittenem Stadium mei-
nes Berufslebens in das traditionsreiche Unternehmen überwechseln und wurde
Leiter der Fachabteilung Verbindungshalbleiter. Es musste schon einer so hoch über
den Dingen stehen wie Beckurts, um jemandem mit meinem fachlichen Hinter-
grund dieses Thema anzuvertrauen.
Vielleicht ist dies der geeignete Moment, kurz auf mein Arbeitsgebiet einzu-
gehen. Durch „learning by doing“ sind in der Tat während meiner Siemensjahre
Physik und Technologie der elektronischen Materialien zu meinem Fachgebiet
geworden. Die moderne Mikroelektronik verbinden wir meist mit dem Silizium,
einen sog. Halbleiter. Man spricht vom Silicon Valley, von der Siliziumtechnologie,
gar vom Siliziumzeitalter. Das bedeutet aber keineswegs, dass das Silizium von seinen
physikalischen Eigenschaften her für alle elektronischen Zwecke am besten geeignet
ist. Von den physikalischen Eigenschaften her wären andere Materialien für viele
wichtige Anwendungen durchaus günstiger, nur stehen sie gar nicht, oder nicht in
der gebotenen Perfektion und Modifikation zur Verfügung. Mit den elektronischen
Eigenschaften und mit der schwierigen Herstellung der „anderen“ Halbleiter habe
ich mich seit meiner Siemens-Zeit bis auf den heutigen Tag schwerpunktmäßig
befasst.
Ich hatte vor, mein weiteres Berufsleben bei Siemens zu bleiben, aber ein tra-
gisches Ereignis führte nochmals zu einer Wendung, der Tod von Karl Heinz
Beckurts. Er fiel einem Attentat der RAF zum Opfer, eine Tragödie für Siemens, aber
darüber hinaus generell für die Hochtechnologie in Deutschland. Die unmittelbare
Folge bei Siemens war ein gewisser Niedergang der Forschung, bedingt durch einen
schwachen Nachfolger. Wie andere Kollegen aus dem Bereich von Materialwissen-
schaften und Elektrotechnik auch, nutzte ich die erste Gelegenheit, mich aus dem