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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Antrittsreden
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Gerok-Reiter, Annette: Antrittsrede von Frau Annette Gerok-Reiter an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 26. Oktober 2013
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0167
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ANTRITTSREDEN

licher Priorität der Moderne. D.h. Otfrid, Walther, Gryphius und Goethe sitzen nun
eigentümlich zusammengedrängt und daher ein wenig geduckt auf dem verstaubten
Wartebänkchen der Literarhistorie, eher geduldet als erwünscht, während nur der
kurze historische Atem der letzten 150 Jahre wirklich in der Lage sei, so die Vor-
gabe, pädagogischen Gewinn zu erzielen. Uber Unsinn braucht man nicht zu reden,
wohl aber darüber, wie ihm zu begegnen ist. Zusammen mit den Tübinger Bildungs-
wissenschaften, der einen Säule der Tübinger Exzellenz, arbeite ich momentan an
einem Projekt, das den großen Nutzen und kaum ersichtlichen Nachteil kultur-
historischer Kompetenz im gymnasialen Unterricht zu analysieren und mit dem
Instrumentarium der empirischen Bildungswissenschaften zu evaluieren sucht; ein
Projekt, in dem das ,Leuchten der Sprache’ nicht im Mittelpunkt stehen kann, das
eher ,Schwarzbrot’ bietet, gleichwohl entscheidend ist, geht es doch um die Frage,
wieviel an historischer Tiefendimension in Bezug auf die deutsche Sprache, ihre
Geschichte und ihre Geschichten unseren Kindern und Enkeln in der Schule in
Zukunft noch erfahrbar gemacht werden wird. Drittens konnte ich mit der Rück-
kehr nach Tübingen einige meiner drängenden Vorhaben verwirklichen: So läuft seit
2011 ein von der DFG gefördertes Projekt zu den Anfängen des frühesten Minne-
sangs. Im Zentrum steht die Frage nach der prinzipiellen Möglichkeit von Kultur-
gründungen aus dem polyphonen Wildwuchs disparater Traditionen heraus, d.h.
nach dem Potential heterogener Anfänge und ihrer Wirkung, Fragen, die sich an die
aktuellen Transkulturalitätsdebatten anschließen lassen. Und schließlich beschäftigt
mich — viertens — ein sehr junges Projekt: Ein aus Tübinger Exzellenzmitteln finan-
zierter noch kleiner interdisziplinärer Promotionsverbund: „Die andere Ästhetik.
Reflexionsfiguren der Künste in der Vormoderne“, der im Spiegel älterer Kulturen
die Relation von ästhetischem Selbstverständnis und gesellschaftlicher Relevanz neu
überdenken möchte — durchaus auch als Korrektiv gegenüber so mancher moderner
Einäugigkeit in der Theoriebildung einer Autonomieästhetik. Damit bleibt es dabei:
Der Blick zurück dient allemal der Diagnose der Gegenwart.
Es bedeutet eine wunderbare aventiure, täglich im eigenen Beruf an jenem pro-
duktiven Brückenschlag zwischen den Zeiten mitwirken zu dürfen — an der Hand
großartiger Texte. Dies in ständigem Austausch mit Studierenden zu tun, bindet die
aventiure an Verantwortung und gibt ihr Zukunftsgewicht. Als zil der wissenschaft-
lichen aventiure aber erscheint die Chance, Gesprächsteilnehmerin im Forum der
Heidelberger Akademie sein zu dürfen. Ich bin mir der unverdienten Ehre, die
die Aufnahme in die Heidelberger Akademie bedeutet, in hohem Maß bewusst. Und
ich kann für das Vertrauen, das mit entgegengebracht wird, nur mit größtem Nach-
druck danken.
 
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