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NACHRUFE
zunächst nach Thüringen, dann aus der russischen Zone in den Westen setzte sie
ihren Gymnasialunterricht in Lübbecke/Westfalen fort (Abitur 1950). Ihr Studium
in den Jahren 1950-1957 der Fächer evangelische Theologie, Philosophie und Klas-
sische Philologie in Wuppertal, Freiburg/Br. und Heidelberg schloss sie 1957 mit
dem Staatsexamen in Latein und evangelischer Religion ab. 1958 wurde sie in Hei-
delberg mit einer Dissertation über Laktanz zum Dr. phil. promoviert. Nach sechs-
jähriger Assistentenzeit folgte 1964, ebenfalls in Heidelberg, die Habilitation mit
einer Monographie überVenus in der Aeneis Vergils. Die Berufung auf einen Lehr-
stuhl in Kiel beendete 1968 die kurze Privatdozententätigkeit. Im Jahr 1974 folgte
Frau Wlosok einem Ruf an die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Eme-
ritierung 1998 machte sie durch die Begründung der Antonie-Wlosok-Stiftung zur
Förderung der Erforschung der Spätantike und der Rezeptionsgeschichte denkwürdig.
In ihrer als Abhandlung unserer Akademie (von Viktor Pöschl vorgelegt) 1960
publizierten Dissertation „Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen
zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung“ wies sie die
enge Beziehung des Kirchenvaters zur hermetischen Gnosis nach, d. h. zu der philoso-
phischen Offenbarung in den hermetischen Schriften. Sie stellte die Erlösungs-
vorstellung des Laktanz in den Traditionszusammenhang der von Platon ausgehen-
den philosophischen Anthropologie des aufrechten Standes und des Himmelsblicks
als Bestimmung des Menschen zu Himmelsschau und Gotteserkenntnis und ihrer
religiösen (soteriologischen) Umdeutung im Hellenismus zur menschlichen Heils-
und Erlösungsbestimmung. An die Stelle von Philosophie trat Offenbarungstheolo-
gie; Platons Ideen oder der göttliche Kosmos wurden durch Transzendenz Gottes
ersetzt; die akademische Skepsis und die Unerkennbarkeit Gottes führen zu dessen
Selbstoffenbarung als der religiösen Lösung des Erkenntnisproblems. Frau Wlosok
zeigte diese hellenistische (und frühkaiserzeitliche) Erlösungsanthropologie zunächst
für Judentum (Philon von Alexandrien) und Heidentum {Corpus Hernieticuni) auf.
Danach ist die christliche Theologie des Clemens Alexandrinus bereits von der her-
metischen Gnosis geprägt, der deren Erlösungsvorstellungen zur Deutung des Tauf-
sakraments übernimmt. Aber erst Laktanz hat in seiner apologetischen Intention, die
christliche Wahrheit als ‘philosophische’, d.h. gnostische Religion darzustellen, die
hermetischen Schriften in bedeutendem Umfang herangezogen.
Die Gelehrsamkeit und insbesondere die umfassende Quellenkenntnis, der
überlegene Aufbau und die Gedankenführung sowie die Deutlichkeit der Analysen
und Urteile der Dissertation, die nach ihrem geistigen Niveau und ihrer Produkti-
vität das Niveau vieler altertumswissenschaftlicher Habilitationsschriften übersteigt,
haben international ihre verdiente hohe Anerkennung gefunden: In den Jahren
1961-1964 erschienen fünfzehn Rezensionen und Anzeigen, welche z. B. die Neu-
heit der Arbeit gegenüber früheren Vereinfachungen und den Scharfsinn, die Red-
lichkeit und Behutsamkeit der Analysen rühmten (Jacques Fontaine) oder von einem
immensen Fortschritt sprachen (Pierre Courcelle).
Dem näheren Umkreis des Themas dieser Arbeit gehören zwei ältere Aufsätze
an, über pater et dominus bei Laktanz als Prädikation Gottes in Analogie zum römi-
schen pater familias (1956; reproduziert als Anhang in der publizierten Dissertation)
NACHRUFE
zunächst nach Thüringen, dann aus der russischen Zone in den Westen setzte sie
ihren Gymnasialunterricht in Lübbecke/Westfalen fort (Abitur 1950). Ihr Studium
in den Jahren 1950-1957 der Fächer evangelische Theologie, Philosophie und Klas-
sische Philologie in Wuppertal, Freiburg/Br. und Heidelberg schloss sie 1957 mit
dem Staatsexamen in Latein und evangelischer Religion ab. 1958 wurde sie in Hei-
delberg mit einer Dissertation über Laktanz zum Dr. phil. promoviert. Nach sechs-
jähriger Assistentenzeit folgte 1964, ebenfalls in Heidelberg, die Habilitation mit
einer Monographie überVenus in der Aeneis Vergils. Die Berufung auf einen Lehr-
stuhl in Kiel beendete 1968 die kurze Privatdozententätigkeit. Im Jahr 1974 folgte
Frau Wlosok einem Ruf an die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Eme-
ritierung 1998 machte sie durch die Begründung der Antonie-Wlosok-Stiftung zur
Förderung der Erforschung der Spätantike und der Rezeptionsgeschichte denkwürdig.
In ihrer als Abhandlung unserer Akademie (von Viktor Pöschl vorgelegt) 1960
publizierten Dissertation „Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen
zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung“ wies sie die
enge Beziehung des Kirchenvaters zur hermetischen Gnosis nach, d. h. zu der philoso-
phischen Offenbarung in den hermetischen Schriften. Sie stellte die Erlösungs-
vorstellung des Laktanz in den Traditionszusammenhang der von Platon ausgehen-
den philosophischen Anthropologie des aufrechten Standes und des Himmelsblicks
als Bestimmung des Menschen zu Himmelsschau und Gotteserkenntnis und ihrer
religiösen (soteriologischen) Umdeutung im Hellenismus zur menschlichen Heils-
und Erlösungsbestimmung. An die Stelle von Philosophie trat Offenbarungstheolo-
gie; Platons Ideen oder der göttliche Kosmos wurden durch Transzendenz Gottes
ersetzt; die akademische Skepsis und die Unerkennbarkeit Gottes führen zu dessen
Selbstoffenbarung als der religiösen Lösung des Erkenntnisproblems. Frau Wlosok
zeigte diese hellenistische (und frühkaiserzeitliche) Erlösungsanthropologie zunächst
für Judentum (Philon von Alexandrien) und Heidentum {Corpus Hernieticuni) auf.
Danach ist die christliche Theologie des Clemens Alexandrinus bereits von der her-
metischen Gnosis geprägt, der deren Erlösungsvorstellungen zur Deutung des Tauf-
sakraments übernimmt. Aber erst Laktanz hat in seiner apologetischen Intention, die
christliche Wahrheit als ‘philosophische’, d.h. gnostische Religion darzustellen, die
hermetischen Schriften in bedeutendem Umfang herangezogen.
Die Gelehrsamkeit und insbesondere die umfassende Quellenkenntnis, der
überlegene Aufbau und die Gedankenführung sowie die Deutlichkeit der Analysen
und Urteile der Dissertation, die nach ihrem geistigen Niveau und ihrer Produkti-
vität das Niveau vieler altertumswissenschaftlicher Habilitationsschriften übersteigt,
haben international ihre verdiente hohe Anerkennung gefunden: In den Jahren
1961-1964 erschienen fünfzehn Rezensionen und Anzeigen, welche z. B. die Neu-
heit der Arbeit gegenüber früheren Vereinfachungen und den Scharfsinn, die Red-
lichkeit und Behutsamkeit der Analysen rühmten (Jacques Fontaine) oder von einem
immensen Fortschritt sprachen (Pierre Courcelle).
Dem näheren Umkreis des Themas dieser Arbeit gehören zwei ältere Aufsätze
an, über pater et dominus bei Laktanz als Prädikation Gottes in Analogie zum römi-
schen pater familias (1956; reproduziert als Anhang in der publizierten Dissertation)