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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0036
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gewaltigen Aufschwung. Durch das reiche Aktenmaterial (allein in Neuenstein finden sich 6 lfd. km
Akten, dazu kommen Bestände in Weikersheim und anderen Schloßarchiven) konnten die ver-
schiedensten Aspekte bearbeitet werclen. Für die Kirchengeschichte brachten diese Arbeiten leider
wenig. Kurt Futter hat in der Dissertation über „Evangclische Kirchenordnungen der Grafschaft
Hohenlohe im 16. J ahrhundert“ vor allem ausführliche Inhaltsangaben leichter zugänglicher Kirchen-
und Schulordnungen gegeben. In Dissertationen, die Einzelprobleme behandeln, findet sich da-
gegen wichtiges Material (Bäzner: Stift Öhringen, Schoch: katholischer Gottesdienst, Thumm:
rechtliche Verhältnisse, Kuno Ulshöfer: Schäftersheim) 50. Die wichtigsten bisher vertretenen An-
sichten über die hohenlohische Kirchengeschichte mußten jetzt revidiert werden: Die Reformation
wurde erstnach dem Augsburger Religionsfrieden 1556 offizielleingeführt. Bei der vermeintlich ersten
evangelischen Gottesdienstordnung handelt es sich um eine Reform der Horen für Stiftsherren der
Markgrafschaft Brandenburg (Nr. 9c). Auch die Kirchenordnung von 1553 (Nr. 5) bedeutete keine
Reformation. Sie wurcle schon 1556 clurch clie Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung von
1533 mit hohenlohischen Ergänzungen ersetzt. Es gab im 16. Jahrhundert keine eigentlichen Spe-
zialkonsistorien. Das Generalkonsistorium, das im Sinn einer Kirchenbehörcle clie kirchlichen Ge-
schicke der Grafschaft Hohenlohe bis 1750 oder 1806 bestimmt haben soll, hat nie richtig bestanden.

Solche Fehlschlüsse beruhen auf cler Überbewertung einiger erhaltener Ordnungen. Wenn ein
Gesetz schriftlich vorliegt und man sich zweihunclert Jahre später darauf beruft, zweifelte man
nicht an der Durchführung. Andererseits entfaltet eine gedruckte ocler geschriebene Ordnung eine
Eigengesetzlichkeit. Die Kirchenordnung von 1578 wurde schon in den folgenclen Jahren amtlich
mehrfach geändert. Die Änderungen wurclen vergessen, der Druck blieb. Ein getreueres Bild kann
man erst gewinnen, wenn durch möglichst umfassendes Aktenstudium die praktische Durchführung
der Orclnung untersucht wird. Karl Müller schrieb 1909: ,,Wohl ist durch Sehlings Kirchenordnun-
gen das Material bedeutend vermehrt worden, aber vorerst doch nur für einen Teil der deutschen
Gebiete und auch da fast nur für die Gesetzgebung. Für die Praxis der Behörden sind wir nach wie
vor sehr arm an Material. Uncl doch kann sie allein für viele Punkte Klarheit und Anschaulichkeit
bringen“ 51. Dasselbe gilt für Gottesdienst- und andere Ordnungen.

Der ursprüngliche Plan von E.Sehling, keine Entwürfe aufzunehmen, mußte modifiziert wer-
den. Hätte man eine der wichtigsten hohenlohischen Ordnungen, die Konsistorialordnung 1579
(Nr. 27), die von den Grafen unterschrieben wurde, ebensowenig aufnehmen sollen wie die Kirchen-
und Schulordnung von 1582 (Nr. 32), die einen gewissen Abschluß der kirchenordnenden Bemühun-
gen darstellt und interessantes Quellenmaterial enthält, deren Durchführung aber nicht gesichert
ist? Entwürfe im engeren Sinne wurden angemerkt oder in der Einleitung (s.v. „Entstehung“)
beschrieben, wenn sie wörtlich oder in wichtigen Sachfragen das Entstehen der Ordnung erhellen.
Ein schriftlich vorliegendes Gesetz ist ein Glied in einem Prozeß. Wenn man sich auf den bloßen
Abclruck der wichtigsten Ordnungen beschränkt hätte, hätte man nur einen Teil der Wirklichkeit
eingefangen und Mißverständnissen Tür und Tor geöffnet. Auf die speziellen Einleitungen mit
Vor- und Nachgeschichte wurde deswegen besonderer Wert gelegt.

Dennoch konnten in manchen Fällen wahrscheinlich bestehende Abhängigkeiten nicht auf-
gezeigt und auch eventuelle Einfiüsse hohenlohischer Ordnungen auf andere Territorien nicht ver-
folgt werden. Der schon in den letzten Sehling-Bänden geübte Brauch, Ehe-, Polizei-, Hochzeits-,

60 Fritz Ulshöfer hat ein Kapitel seiner Dissertation über die „Hohenlohischen Hausverträge und Erbteilungen"
zu einem Aufsatz über ,,Das Kirchenregiment in der Grafschaft Hohenlohe bis zum Jahre 1806“ mngearbeitet,
der leider unzuverlässig ist.

51 K.Müller, Die Anfänge der Konsistorialverfassung im lutherischen Deutschland (1909). In: Müller, Aus der
akademischen Arheit, 1930, 175.

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