12. Visitation 1558
Erstlich sollen sie gotsförchtig uncl aines christ-
lichen wandels sein, den geberenden in iren nöten
mit Gottes wort tröstlich und freundlich zusprechen,
sich aller abgottereien mit anruffung der hailigen,
zaubereien und segenwerk entschlagen 52 und aus
rechtem, christlichen eifer unsern Hern Got umb
hilf anruffen, und solches auch andere weiber zu
tun gantz ernstlich ermanen, auf das alle abgötterei
und und leichtfertigkait bey solchem ernstlichen
werk abgeschafft werde.
Sie sollen auch der sachen ain erfarung haben
und sich gar niht beschemen, den armen weibern
zu gut alte matronen rats zu fragen.
Sie sollen auch ire trew, muhe und fleiß nihts
sparen, sonder unverdrußlich der gnedigen lxilf Got-
tes erwarten und endhch die empfangene gab furder-
lich zu der tauf bringen, auf das auch in dem fahl
nihts verseumpt werde.
Wie aber und wenn die kirchendiener und he-
bammen taufen sollen, findt man in der agenda 53.
[9.] Von der kirchendiener ampt und leben
Von h diesem punct ist zwaierlei zu bedenken:
Erstlich, was die kirchendiener an cliristlicher ver-
waltung ires ampts und an gotselhgem leben hin-
dere.
Zum andern, wie man solchem begegnen und we-
ren möge.
Ersthch seind etliche kirchendiener selbste gantz
gotloß, seind in verrichtung ires ampts mit pre-
digen, raichung der sacramenten, mit dem cate-
clhsmo und besuchung der kranken etc. farleßig,
zu irenx studio faul und verdroßen, schwaifen hin
uixd wieder, tragen leiclitfertige klaidung, hegen in
11 A: Vom.
1 A: in xla prouerb.
52 Segenwerk = Zauberei, Beschwörung. Segen be-
zeichnet für Beschwörungen verwendete Formeln
im außerkirchlichen Gebrauch, denen eine schüt-
zende oder heilsame Wii’kung zugeschrieben wurde
(Grimrn 10, 1, 104). Segen zur Erleichterung der Ge-
burt, meist lateinisch gesprochen, enthielt außer
der eigentlichen Beschwömng Schriftworte und freie
Bildungen. Gebete an Margaretha, biblische Frauen
allen ludern, sthen iren weib und Idxxdern ubel fur,
seind nxit worten, weiß und geberdeix schantpar,
zieherx ir weib und khider lhht zu gottesforcht. Da-
her kornpt es, das das pfarrvolk auch roe 54 xxnd
gotloß wird, von dem wort uixd sacramenten leicht-
fertig helt und redt und in seinen sunden, schanden
uixd lasterix gesterkt wird.
Solche lxhidernus aber der kirchenclieixer hi hem
ampt uixd gotselligem wandel abzuschaffen, soll
der superintendens denselbigen khchendieixerxx
ernstlich ehxbinden, das sie die hailig gotthch
gschriefft und clxristliche außlegung fieißig lesen,
derselben nachdenkexx und uxxserix Herrn Gott umb
sehxen Hailigen Gaist bittexx, das er den rechten
verstand uixd gedeien geben wölle. Damx was will
der lehreix, der selbste rxiht waiß noch versteht, in
exemplo proverbiD: Nemo potest esse eloquens, hx
his quae nescit.
Das sie aber die hoheit und wirdigkeit hes ampts
recht lerneix erkennen, solleix sie bedenken, das sie
nilit hundeix noch sewen 55, sonder vernunftigen
creatureix, ixach dem ebenbhd Gottes erschaffen
und mit dem blut Christi erkauft, furgesetzt seien,
wie auch der heihge apostel Paulus die hhten in
Asia vernxaixt, Acto. 20 [28] und spricht: So habt
nun aclxt auf euch selbste und uf die gantze herclt,
uixder welche euch der Hailig Gaist gesetzt hat zu
bischoffen, zu waideix die gmain Gottes, welche er
durch sehi blut erworbexx hat.
Das sie aber lxiht faul und verdroßen seieix zum
studieren uixd die zeit uimutzlich mit mußigang
verzeren, vei’manet sie Paulus gar feiix 1. Timo. 4
[13. 14. 16] und spricht also: Halt aix mit lesen,
mit ei’mahnen und lehren, laß niht aus der acht die
gaben, die dh gegeben ist. Hab acht uf dicli selbst
uixd uf die lehr, beharre in diesen stucken, deix wo
und vor allern Agatha (HDA 3, 344—346). Zum
Aberglauben bei der Gebui’t siehe auch II. Höhn in:
Württ. Jahrbücher 1909 (1910), 260.
53 Brand. KO 1533 (Sehling 11, 177-180).
54 Oder: roeloß = ruchlos.
55 Die Formulierung aus Luthers Ordinationsformular
„gense oder küe“ (WA 38, 427, 19; Hohenl. Kon-
sistorialO. 1579 Tit. 3) ist hier überboten, wobei
man das unpassende Wort Säue sonst möglichst nur
mit einer Entschuldigungsformel in den Mund
nahm.
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Erstlich sollen sie gotsförchtig uncl aines christ-
lichen wandels sein, den geberenden in iren nöten
mit Gottes wort tröstlich und freundlich zusprechen,
sich aller abgottereien mit anruffung der hailigen,
zaubereien und segenwerk entschlagen 52 und aus
rechtem, christlichen eifer unsern Hern Got umb
hilf anruffen, und solches auch andere weiber zu
tun gantz ernstlich ermanen, auf das alle abgötterei
und und leichtfertigkait bey solchem ernstlichen
werk abgeschafft werde.
Sie sollen auch der sachen ain erfarung haben
und sich gar niht beschemen, den armen weibern
zu gut alte matronen rats zu fragen.
Sie sollen auch ire trew, muhe und fleiß nihts
sparen, sonder unverdrußlich der gnedigen lxilf Got-
tes erwarten und endhch die empfangene gab furder-
lich zu der tauf bringen, auf das auch in dem fahl
nihts verseumpt werde.
Wie aber und wenn die kirchendiener und he-
bammen taufen sollen, findt man in der agenda 53.
[9.] Von der kirchendiener ampt und leben
Von h diesem punct ist zwaierlei zu bedenken:
Erstlich, was die kirchendiener an cliristlicher ver-
waltung ires ampts und an gotselhgem leben hin-
dere.
Zum andern, wie man solchem begegnen und we-
ren möge.
Ersthch seind etliche kirchendiener selbste gantz
gotloß, seind in verrichtung ires ampts mit pre-
digen, raichung der sacramenten, mit dem cate-
clhsmo und besuchung der kranken etc. farleßig,
zu irenx studio faul und verdroßen, schwaifen hin
uixd wieder, tragen leiclitfertige klaidung, hegen in
11 A: Vom.
1 A: in xla prouerb.
52 Segenwerk = Zauberei, Beschwörung. Segen be-
zeichnet für Beschwörungen verwendete Formeln
im außerkirchlichen Gebrauch, denen eine schüt-
zende oder heilsame Wii’kung zugeschrieben wurde
(Grimrn 10, 1, 104). Segen zur Erleichterung der Ge-
burt, meist lateinisch gesprochen, enthielt außer
der eigentlichen Beschwömng Schriftworte und freie
Bildungen. Gebete an Margaretha, biblische Frauen
allen ludern, sthen iren weib und Idxxdern ubel fur,
seind nxit worten, weiß und geberdeix schantpar,
zieherx ir weib und khider lhht zu gottesforcht. Da-
her kornpt es, das das pfarrvolk auch roe 54 xxnd
gotloß wird, von dem wort uixd sacramenten leicht-
fertig helt und redt und in seinen sunden, schanden
uixd lasterix gesterkt wird.
Solche lxhidernus aber der kirchenclieixer hi hem
ampt uixd gotselligem wandel abzuschaffen, soll
der superintendens denselbigen khchendieixerxx
ernstlich ehxbinden, das sie die hailig gotthch
gschriefft und clxristliche außlegung fieißig lesen,
derselben nachdenkexx und uxxserix Herrn Gott umb
sehxen Hailigen Gaist bittexx, das er den rechten
verstand uixd gedeien geben wölle. Damx was will
der lehreix, der selbste rxiht waiß noch versteht, in
exemplo proverbiD: Nemo potest esse eloquens, hx
his quae nescit.
Das sie aber die hoheit und wirdigkeit hes ampts
recht lerneix erkennen, solleix sie bedenken, das sie
nilit hundeix noch sewen 55, sonder vernunftigen
creatureix, ixach dem ebenbhd Gottes erschaffen
und mit dem blut Christi erkauft, furgesetzt seien,
wie auch der heihge apostel Paulus die hhten in
Asia vernxaixt, Acto. 20 [28] und spricht: So habt
nun aclxt auf euch selbste und uf die gantze herclt,
uixder welche euch der Hailig Gaist gesetzt hat zu
bischoffen, zu waideix die gmain Gottes, welche er
durch sehi blut erworbexx hat.
Das sie aber lxiht faul und verdroßen seieix zum
studieren uixd die zeit uimutzlich mit mußigang
verzeren, vei’manet sie Paulus gar feiix 1. Timo. 4
[13. 14. 16] und spricht also: Halt aix mit lesen,
mit ei’mahnen und lehren, laß niht aus der acht die
gaben, die dh gegeben ist. Hab acht uf dicli selbst
uixd uf die lehr, beharre in diesen stucken, deix wo
und vor allern Agatha (HDA 3, 344—346). Zum
Aberglauben bei der Gebui’t siehe auch II. Höhn in:
Württ. Jahrbücher 1909 (1910), 260.
53 Brand. KO 1533 (Sehling 11, 177-180).
54 Oder: roeloß = ruchlos.
55 Die Formulierung aus Luthers Ordinationsformular
„gense oder küe“ (WA 38, 427, 19; Hohenl. Kon-
sistorialO. 1579 Tit. 3) ist hier überboten, wobei
man das unpassende Wort Säue sonst möglichst nur
mit einer Entschuldigungsformel in den Mund
nahm.
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