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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0146
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12. Yisitation 1558

sie vermanet, das sie niht allain selbste Gottes
worts lesen, sonder auch daßelbig bey den under-
tonen pflantzen und erhalten 62. Im 23. Psalni
[Ps. 24, 7. 9] sthet: Laßt den konig der ehren bey
euch einziehen 63. Und die exempel des alten und
newen testaments lehren, wie Gott solche oberkait
mit allerlei zeitlichen und gaistlichen segen erfüllet
hab, als im 2. buch der Chronik, im 31. cap. Hiskia
nim.pt sich der kirchen und gottesdiensts an, er-
langt niht allein zu seiner bestimpten zeit des le-
bens noch funfzehen jar, sonder auch seinem volk
großen segen vom Herren 64.

Constanthrus, Theodosius und andere haben sich
auch der kirchen und gottesdiensts angenommen.
Dadurch hat inen Gott zu ihrer seelen sailigkait
und zu zeitlichem gluck und wolfart geholfen. Dar-
gegen aber semd die gotlosen oberkait, als Achab,
Hieroboam 65 etc. und dergleichen aines schendli-
chen tods gestorben und ewiglich verdorben.

Deßhalben solle ain christliche oberkait verschaf-

1 A: evangeliom.

m A: hohen ... irem.

angeführt, daß dem Kurfürsten ,,zu leren und geist-
lich zu regirn nicht befolhen ist“, er aber schuldig
sei ,,als weltliche öberkeit darob zu halten, das nicht
zwitracht, rotten und aufruhr sich unter den unter-
tanen erheben.“ (WA 26, 200). In der Yorrede un-
serer Ordnung ist die endzeitliche Not als Begrün-
dung für die Visitation angeführt. Idier wird eben-
falls mit alttestamentlichen Beispielen die Pflicht
der Landesherren zur Sorge für die Kirche darge-
legt. Obwohl diese Lehre inzwischen verbreitet war,
ist besonders an Einfluß der Theologie von J. Brenz
zu denken (siehe KO 1553, S. 56). In einem 1558
folgenden Bedenken des Superintendenten J. Hart-
mann und der ebenfalls aus Württemherg stammen-
den Öhringer und Waldenburger Pfarrer Lilienfein
und Knötzel finden sich entsprechende Ausfüh-
rungen (GA 15, 11). Ähnliches führt auch Hart-
mann in seinem Visitationsbedenken von 1570 an
(siehe S. 159 f. — Franz, Kirchenleitung 41 f.)

82 Dtn 17, 19: Das [sc. andere Gesetz] sol bey im [dem
König] sein und sol drinnen lesen sein leben lang,
auf das er lerne fürchten den IJerrn seinen Gott, das
er halte alle wort dieses gesetzes und diese rechte,
das er darnach tu. (WA Dt. Bibel 8, 614f.).

63 Diese Bibelstelle wird in derselben Deutung in der
Vorrede der Confessio ATrtemhergica von Brenz
angeführt. (Confessio Virtembergica, Das württ.
Bekenntnis von 1551. Hrsg. v. Ernst Bizer, 137.)

64 2 Kön 20, 6.

fen, das die gute policey 66 und landsordnung recht
angerichtet und erhalten werde, alle unordenlich
mißbreuch, unkosten, ergernuß, öffentliche schand
und laster abgeschaft, große hochzeiten, hochzeit-
und khidbetschenken 67, dantzen, spielen, fluchen,
schweren, schmehen, schenden, wuchern, zutrm-
ken, ehebruch, hurerei, unehelich beysitzungen
abgeton werden, auf das nach der lehr Pauli, Rom.
2 [24], das evangehon 1 von unsern wiedersachern
unserthalb niht verlestert werde.

Es soll auch die hohe oberkait 68 allen iren m
amptleuten bvelch tun, das sie mit iren pfarhern
christliche ainigkait erhalten und niemants zum
kirchendienst furdern oder lnndern, sonder daßel-
big grundlich mit allen umbstenden berichten an
die ort, da der größte tail der kirchen ainmutiglich
hierinnen konte handeln 69, alsdann wirt man auch
bey den undertanen desto baß alle gotselligkait und
zucht pflantzen und erhalten mögen.

Es soll auch der amptman, keller oder schult-

65 Konstantin d. Gr., 306-337. Kurt Aland, Die reli-
giöse IJaltung Kaiser Konstantins. In: Studia Pa-
tristica 1 (1957), 549-600. - Theodosius I. d. Gr.,
379-395. Wilhelm Ensslin, Die Religionspolitik d.
Kaisers Theodosius d. Gr. Sitzungsberichte d.
Bayer. Akademie d. Wissenschaften, Phil.-hist. Kl.
1953, 2. - Ahab: 1 Kön 22, 34-38. - Jerobeam:
1 Kön 14, 10 f. Die Weissagung über den schreck-
lichen Tod erging über die Nachkommen Jerobeams.

66 Gemeint: ,,gute Ordnung im Lande“ oder „policey-
ordnung“ mit Bezug auf die schriftliche Ordnung
(Nr. 6 und 13).

67 Das Verbot großer Hnkosten hezog sich vor allem
auf üppige Hochzeits- und Taufmähler. Hochzeits-
schenke = Geschenke zur Hochzeit wurden regel-
mäßig beschränkt. Kindbettschenke können ent-
sprechend Geschenke ins Wochenbett, meist aus
Eßwaren bestehend, sein (Fischer 4, 377). Das Wort
bedeutet aber auch das Festessen, bei dem eher die
Gefahr des Überflusses bestand.

68 Im folgenden sind die Pflichten der hohen Obrigkeit
(der Grafen) und der „Ortsobrigkeit“ (Amtleute,
Keller, Schultheiß) zusammengefaßt. Sonst heißt
es „Es wölle auch die hohe oberkait..weil die
theologischen Verfasser des Bedenkens den Grafen
keine Vorschriften machen können. Dabei findet
sich auch ein bloßer Wunsch „Es were auch gut...“.

69 Nacli der Visitation wm'de 1558 ein geistliches
Schiedsgericht vorgeschlagen. Als Bichter sind die
Visitatoren, also Khchendiener und Juristen, ge-
nannt. Es kann davon ausgegangen werden, daß die
Amtleute an die Kanzleien berichten mußten
(Franz, Kbchenleitung 56f.).

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