Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

15. Bettler und Almosen 1562

Druckvorlage

Reinschrift mit Datum aber ohne Siegel, Weik B V 73, 2; jetzt C 62. 1 Bl.

Ludwig Casimir, grave von Hohenloe und herr
zu Langennburg etc.

Lieber getrewer * 1. Demnach wier uns wol zu be-
richten, das ein jede guetthertzige, cristenliche
obrigkayt vor andern vor Gott schuldig, denn armen
dürftigen mit allerhand guettatten und liilf ersprieß-
hch zue sein, und das wir desselben reichliche be-
lohnung von Gott unzweifenhchen zue gewarten,
werden wir jedoch bericht, weß unordnung fremb-
der, unbekanter prechenhafter 2 leut halb mit Ihn-
und widerschicken derselbigen von einem flecken
zu dem andern mit wägen und kerchen bißhero er-
halten, und das sich vil unprechenhafter, undörf-
tiger, muetwilhger landstreicher auß faulkeit bet-
telns underziehen, welche deß almuesens nit not-
turftig und ir narung, da sie gern wölten, in andere
weg mit frumbkeit wol erlangen könten, welchs wir
usser nachgerürten und andern mehr gutten ur-
sachen in unser graffschaft obrigkeyt hinfuran
nicht mehr zu gedulden entschlossen,

uf das dan diejenigen, so uns zu versprechen
stan 3 und nit muetwilhger weiß in armuet geraten
oder sich angeregts muetwilhgen bettelns nit ge-
prauchen, aber usser getrangter not sich durch das
haylig almuesen zu erneren gemuessigt, der andern
nit entgelten mussen, sonder usser christenhchem,
guetthertzigem mittleiden und lieb zur notturft be-
dacht und erhalten werden,

so ist an dich unser bevelch, du wollest in allen
und jeden dörfern, weilern und hofen deines ampts
unsernwegen ernsthchen gebietten, kein frembde,
ußlendische pettlersperson, wie die geschaffen were,
nicht fordern, pitten oder petteln lassen, sonder sie
dennechsten furweisen 4, deßgleichen, da man sie

findet sich auch PA 110, 2, 11: „Almusen ordnung.
1. alte ordnung ist ao. [15]75 angestelt, aher nicht
gehalten worden.“ Siehe dann unsere Nr. 46.

1 Hier Anrede der Amtmänner.

2 = gebrechlich, krüppelhaft.

3 Das stehet mir zu versprechen = hoc fidei meae

etwa uf wegen oder kerchen zufueren wurde, den-
nechsten widerumb zuruck an die ort, aldo sie her-
komen, schicken, auch den genachperten solchs
wissens zu empfahen jetzo so bald antzaigen lassen,
darnit sie sich hinfuran darnach mögen gerichten.

Aber betreffend die armen, unvermuglichen leut,
so bey und in unser graffschaft herkomen, welche
nit muetwilliger weiß in armuet geraten, auch ir
narung alters oder anderer ursachen halb durch ir
hand arbeit nit erlangen könden und sich deß hay-
ligen almuesens geprauchen müessen, denen soll
hingegen anderer herrschaften obrigkeiten bei un-
ser straff auch verpotten sein, sich deren zu ent-
halten 5. Dieselben wollest jedoch aygentlichen in
deinem ampt erkundigen und inen in deinem na-
men geburliche urkunt zuestellen. Denen wöllen
wir nit allain durchauß in unser graffschaft vor
unsern und unser undertanen heusern das haylig
almuesen zue suchen gern gestatten und miltig-
clichen mittailen, besonder auch uf deinen bericht,
da etwan solche arbeitsellige und geprechenhaftige
leut inner deinem ambt begriffen wern, welche al-
tersschwachheit oder anderer redlicher unvermüg-
lichkeit halb dem hayhgen almuesen nit beywoh-
nen könte, ein solch christenlich mitleiden auch,
auch vatterlich einsehen haben und dermassen ver-
ordnung ton, das an nottwendiger, zimlicher pfleg
und underhaltung nit mangel erscheinen solle.
Wolten wier dier, dich darnach wissen zu gerichten,
nit bergen, wie wir uns auch entlichen verlassen,
du werdest diesem unserm bevelch ernstes vleis
nachsetzen. Datum Newenstein, den 10. Januarii
ano etc. [15] 62.

custodiaeque est commissum, von Personen, über die
ein Herr die Schutzrechte ausübt (Grimm 12, 1,
1467).

4 = unverzüglich fortweisen.

5 Sich enthalten = sich aufhalten und unterhalten.
Den sogenannten „Hausarmen“ wurde der Straßen-
bettel außerhalb der Grafschaft verboten.

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