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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Franz, Gunther [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0173
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17. Polizeiordnung 1571

der solle zu disern mal noch sovil zur bus geben,
aber zum drittenmal gefenggbch eingezogen, an
uns gepracht und unsers vernern bescheids darüber
gewartet und von niemanden einiche entschuldi-
gung usserhalb leibsschwacheit und was derglei-
chen ehaftin 11 weren, angenommen werden.

Nachdem auch bishero unangesehen unserer
pobceiordnung grosse liochzeiten, Idndtauf, ldnd-
bettschenk, fürsitz 12 und ander vbfeltig brassen,
zechen und schlemmen in würtsheusern und andern
orten und wol etwan darbei ganz unzüchtige däntz,
springen, schreihen und ander roh- und gottloß le-
ben gehalten und die die mas 13 lang weren lassen,
und dardurch an brodt, fleisch und anderer essen-
der speis uberflüssigbch und unnotwendigbch ver-
tan worden, so man jetzo manglen mus, so ist un-
ser ernstbcher bevelch, das hinfüro bis uf unser
wider abschaffen und zulassen kein seitenspil we-
der bei hochzeiten oder andern gastungen, in
würdtsheusern oder andern orten nicht gebraucht
noch geduldet, darzu keine große hochzeiten, son-
der in dem also gehalten werden:

Nembbch wann zwei eheleut zusamenkommen
und nit uber hundert guldin ainander zubrmgen,
die sollen allein ain tisch, die aber zweihundert
guldin zusamenbrechten, zwen tisch, und die uber
dreihundert guldin vermögens seind, allein drei
tisch und nicht mer haben 14, auch nur zwen imbis
und uber keinen mer dann vier essen geben, und
fürters die ausschickung der suppen, undei- und
schlaftrunk 15, wie bishero uberflüssiger weis be-

11 = triftige (stichhaltige) Hinderungsgründe.

12 Kindbettschenk = Mahl am Ende des Wochenbet-
tes als Dank für geleistete Unterstützung, geordnet
PO 1558, Nr. 13, § 11. Vorsitz = geselliges Zu-
sammensein in der Spinnstube an Winterabenden.

13 = übermäßig.

14 Gegenüber 1558 die halbe Tischzahl.

15 Untertrunk = Trunk zum Untern, zur Zwischen-
mahlzeit, häufig nach dem Mittagessen (Grimrn 11,
3, 1692-94). Der Schlaftrunk wurde abends in die
Wohnungen gebracht.

16 PolizeiO. 1558, Nr. 13, § 9 über die Beschränkung
der Geschenke an Hochzeiten.

17 Konzept eines Befehls von Gräfin Anna vom 19. 6.
1577 an die Amtleute (vermerkt sind Michelbach,
Kirchensall, Forchtenberg, Ohrnberg), PA 127, 6.
Es soll nicht mehr geduldet werden, daß „allerhand
winckeltänz“ (im Gegensatz zu öffentlichen. Tanz-
veranstaltungen) gehalten werden. Es soll aber er-

schehen, underlassen und vermitten, auch sonsten
mit der schenkung unsere ordnung nicht uber-
schritten werden 16 und kein hochzeit lenger dann
einen tag weren lassen, alles bei der straff der poli-
ceiordnung einverleibt.

Gleichergestalt wöllen wir auch alle däntz, es
seie bei hochzeiten, gastungen, in würts- oder an-
dern heusern 17, auch alle fürsitz und was derglei-
chen leichtfertigen und ergerlichen zusamen-
schliefens 18 und gesellschaften semd, wie dann auch
das faßnachtküechlin, mummereien, butzengeen 19
und ander dergieichen faßnachtspil und gastungen
bishero gewesen, allerdings verbotten haben, also
auch alles ander uberflüssige und unmessige zee-
rung, bankentieren, schlemmen, brassen, füllerei
und was dergleichen unordenlich leben mer ist; in-
sonderheit wöllen wir, das che würt und gastgeber
solch uberfliissig zechen und schlemmen in iren
heusern von unsern undertonen und zugehörigen,
wer die seien, nicht gestatten, noch jemand uber
die in unserer vorlangest außgangener ordnung be-
stimbte zeit 20 sitzen oder wein auf die gassen geben
lassen, und deswegen ain jeder amptsdiener nach
verscheinung derselbigen stunden die bütel oder
wechter in die wdrts- oder andere heuser, da ga-
stungen weren, schicken und, da sie befünden, das
es unsere undertonen und nicht frembde weren,
dennechsten 21 die geordnete straffen, sowol von den
undertonen als den würten einziehen, fürnemmen
und kein entschuldigung annemmen.

Und wes in vilbemelter unser policeiordnung

laubt sein, auf Rathäusern und gewöhnlichen Orten
ehrliche und züchtige Tänze öffentlich zu halten,
auch „Kleinoter“ (Wettspiele um Kleinode -
Preise) und dergleichen ehrliche Kurzweil vorzu-
nehmen.

18 = zusammenschlüpfen, -kommen.

19 Faßnachtsküchlein, das bis heute beliebte Schmalz-
backwerk. Man schenkte es sich gegenseitig, vor allem
an Pfarrer und Lehrer, sogar an Tiere. Wegen der
Armut der Zeiten wurde das Krapfen- oder Fast-
nachtsküchleinbacken häufig verboten, z.B. auch in
der Württ. LO. (Reyscher 12, 858; Fischer 2, 975;
Adolf Spamer, Deutsche Fastnachtsbräuche. Jena
1936, 52.) - Zu Mummerei und Butzengehen siehe
PolizeiO. 1558, Nr. 13, § 12.

20 Nicht in der PolizeiO. 1558. Polizeistunde war im
Sommer 9 Uhr, im Winter 8 Uhr, siehe PolizeiO.
1588 (S. 589, Anm. 18).

21 = sofort, unmittelbar.

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