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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0390
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26. Kapitels- und Visitationsordnung 1579

anzeiger daruf hören, dergleichen, da einicher fell
und mangel bey iemanden, deßgleichen solche per-
sonen, die von offentlichen, ergerlichen, groben
laster und sünden uber alle der kirchen- und ampts-
diener vleißige warnung nit abstehn und beßern
tetten, mit ihren tauf- und zunamen, auch ilxren
mießetatten und verhandlungen, sampt allen an-
dern nottwendigen umbstenden verzeichnen und
beschreiben. Doch wöllen wir unsere superintenden-
tes hierbey erinnert haben, das sie (wie sie dan ohne
das woll zu tun wißen) nit leichtlich einem ieden
ploßen anzeigen glauben geben, sonder, da die sach
nit gentzlich offenbar, notori und von dem schuldi-
gen teil bekantlich sein wurde, bey den anzeigenden
alle guete umbstend, ob sie solche tatt selbst ge-
sehen, gehört, uncl wer darvon mehr gutt wißens
hette, erforschen, auch darbey, ob solche zu bewei-
ßen sein möchten, und in dem sicherlich dermaßen
handlen, das niemand unbillicher weis aus ungrund,
neid oder widerwillen beschwert werde.

Und dieweil an etlichen orten die pfarrgemeind
etwas groß sind, auch leichtlich solche hendel vor-
fallen mögen, das uf den abend oder des morgens vor
oder nach gemelter kirchenvisitation uf hieobge-
satzte articul die verordneten nit genugsamb ge-
hort werden kenden, so soll der superintendens des
andern tags frue zuvor und ehe er in die kirchen
gehet solches furnehmen und, da noch etwas zu ver-
richten uberbleiben wurde, wann man wider von der
kirchen kompt furnehmen.

Des volgenden tags, nachdem der superintendens
den abend zuvor ankomen, soll umb sieben uhrn
ungevarlich clie gantze pfarrgemeind durch ge-
wonlich und ordenlich geleut zu der kirchen be-
ruffen 37 und anfangs ein zimblicher langer gesang,
als das Vatter unser etc. oder 0 Here Gott, dein

e C: + zue (wie Brand.O. 1565).
f ,,in solcher examination“ fehlt in KO 1582 § D 1,
die ah hier wieder angemerkt ist.
g-g Fehlt KO 1582. B und C: + aber.
h A: + in.

87 Nach Brand.O. 1565 (Sehling 11, 353) soll die Ge-
meinde nach einem ,,ordentlichem geleut“ sich um
12 Uhr in der Kirche versammeln.

38 Vater unser im Himmelreich (Luther, EKG 241) —
O Herre Gott (Anarg von Wildenfeld, EKG 117).

göttlich wort etc. 38, damit sich indes das volk
samble, gesungen, volgends daruf die patenten, dar-
von hernach volgen wurd, gelesen.

Und [soll der superintendens] nach derselben das
examen catecheticum an den catechumenis anfahen
und, was sie auß clem catechißmo und deßselben
leer vermög unserer kirchenordnung 39 gelernt und
behalten oder fur einen verstand darvon haben, er-
forschen, anhören und erzehlen laßen.

Soll also der superintendens 40 zum beschluß die
gantze gemeind zum gehör und lernung Gottes
worts 40, zum gebrauch der sacramenten und die
iugend zum catechißmo 41und e geburlicher reve-
rentz und gehorsamb gegen iln-en seelsorgern, zu
christenlicher zucht und gottesforcht vleißig und
mit aller sanftmut vermanen und das examen in
einer stunde ungevarlich enden.

Hierbey ist aber zu bedenken, das gleichwie in
frembder herrschaft obrigkeit nicht visitirt werden
solle, ungeachtet, 42 ob gleich die pfarrcollatur 43
deßelben orts uns zustendig, der kirchendiener dar-
mit von uns 42 belehnet und derohalben auch das
capitel besuchen tett, also soil auch in dieser offnen
verhör, wie auch mit allen andern, das der visitation
anhangt, uf frembder herrschaft undertanen, wan
sie gieich in unserer oberkeit seßhaftig sind, allerley
gezenk und unrue zu verhieten, nit getrungen wer-
den.

Wo nun in solcher examination f der superinten-
dens ^bey einem oder mehr kinder ein ungeschick-
lichait und unfleis befunden oder, da^ von dem
pfarrherr deßelbigen orts berichtet wurde, das die
eltern die kinder nit vleißig zu dem catechißmo
schicken tetten, alßdan und so derselbig wenig
solU der superintendens ihre eltern fiir sich be-
schicken oder aber, da deren ein zimbliche anzahl,

39 KO 1578 Kap. 4.

40-40 Nach ähnlicher Bestimmung über Katechismus-
examen dies wörthch aus Brand.O. 1565.

41 Die folgenden beiden Absätze aus Brand.O. 1565.
42-42 Brand.O. 1565: das der pfarrer von unserm gnedi-
gen fürsten und herrn.

43 = Patronat, Pfarrlehen, nach der Reformation
nicht identisch mit dem Pfarrbesetzungsrecht, da
die Landesherrschaft dem Kollator den zu belehnen-
den Kandidaten „präsentierte“. Nachdem die Visi-
tation als herrschaftlicher Akt in fremder oder ge-

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