Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Franz, Gunther [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0464
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
42. Kirchen- und Schulordnungen 1582

Der würt soll auch einem mann und weib sament-
lich uber ein maß 29, einem jungen gesehen oder
magd nur ein viermeßlein 30 weins und weiters nicht
geben. Welcher auch sich nit daran begnuegen und
uberflußig drinken wolt, denn soll der wurt bey
seinen pflichten und unsern ernstlichen straff un-
serm amptsdiener deßelben orts dennechsten anzu-
zeigen schuldig sein. Der amptsdiener auch diesel-
big nach gelegenheit ires verhaltens alsbakl umb gelt
oder mit dem narrenheußlein 31 solchen zumutens
und nötigens halben straffen und gebieten, sich den-
nechsten anheimiscli zu begeben und diesem unserm
gebott gemeß und gehorsamblich zu erzeigen.

Wurde sich aber ein mann oder weibsperson so
voll drinken, das man im solches am gehen ansehen
oder aber den wein wider von sich geben oder sich
sonsten einicher leichtfertigkeit oder uppigkeit ge-
brauchen, wer dann under unsern undertanen, zu-
und angehörigen solches sehen tut, der soll das bey
seinen pflichten und ayden dem amptsdiener den-
nechsten anzutzeigen schuldig sein. Der auch den-
nechsten oder sobald er das sonst in erfarnus kom-
men, ein solch böß, mutwillig, lesterlich mensch
dennechsten gefenkhch annehmen, die mannsperson
in turn an boden und che weibsperson ins narren-
haus legen und darinnen aclit tag und nacht lang mit
wasser und brot speisen und straffen und niemands
darmit verschonen 32, volgends auch solches seinem
pfarrherr melden, clen- oder cheselben deßwegen zu
anderer seiner confeßion 33 oder beicht sich deßen

Prot. bezieht es sich auf Abendmahlsbesuch an
Pesttagen.) Der Rest des Kapitels neu.
x Bis hierlier entsprechend Prot. 1581, Art. 11,
2. Abs.

v Diese Bestimmung flndet sich entsprechend als
Änderung in Prot. 1581, nachdem schon der Vor-
schlag approbiert war, daß ,,der pfarrer am sontag
zuvor auf der cantzel das volk vermanen [solle],
besonders in den stetten, das sie sich nach den
werktäglichen predigen, jeder seiner gelegenheit
nach“ anzeigen und nicht alle am Samstag kom-
men. Die folgenden Abschnitte des Kapitels
stammen von kleinen Zusätzen abgesehen fast
wörtlich aus Prot. 1581, Art. 11.

29 Samtlich = zusammen. - Da das Maß von Ort zu
Ort uncl im Laufe der Zeiten großen Schwankungen
unterlag, sei nur als Anhaltspunkt vermerkt, daß in
Württemberg 1 Maß 1,67 oder 1,83 Liter enthielt.
(Die Archivpflege in den Kreisen und Gemeinden.
1952, 84 und 86.)

hinfurters zu enthalten haben mit ernst zu warnen
und, was es fur eingrausame sünd seie, antzeigen. Da
sich auch befinden wurd, das jemand solch sünd und
laster begangen haben gesehen und solch doch nit
angezeigt, soll unser amptsdiener den- oder die-
selbige obvermeltermaßen ebenmesig vier tag lang
unnachleßig straffen.

[6.] Von verhör der communicanten

Welchermaßen dieselbige und ein jedes insonder-
heit und nit viel zugleich miteinander zu hören und
zu absolviren, ist in unser kirchenordnung genugsam
versehen 35, darbei wir es nochmals bewenden laßen,
deren auch ein jeder pfarrher getrewlichen nach-
kommen und aus derselbige disposition und ver-
ordnung gar nit schreiten, wenigers ein enderung
seinem gutbedunken nach darinnen furnehmen
solle.

Weil aber sich in den stetten und dörfein, beson-
der umb die osterlichezeit 36, oftmals zutregt, das so-
viel communicanten verhanden, das sie nit afle uf
ein tag zur gepuer und notturft genungsam gehört,
underrichtet und absolvirt werden könden x, sofl
ein jeder pfarrherr nach gelegenheit seines pfarr-
volks hierinnen zum besten bedenken und anord-
nung tun, wie ein jede person nach notturft gehört,
auch nit mehr antzeigen laßen, dann soviel er ver-
richten und absolviren kan L

30 Fischer 2, 1476 ohne Erklärung genannt; hier:
Viertelmaß.

81 Polizeigefängnis für leichte Delikte, für Weiber und
Unmündige, im Unterschied zum Gefängnisturm.

32 Die Höhe der Strafe (bei vorsätzlichem Vollsaufen
und Widerstand gegen den Wirt sollte es nur 1 Tag
Narrenhaus geben, Nr. 33, Kap. 12) weist darauf
hin, daß man im unwürdigen Genuß des Abend-
mahls eine Gotteslästerung sah.

33 Bei seinem nächsten Schuldbekenntnis (am Tag vor
Empfang des Abendmahls).

34 Die Anzeigepflicht von Delikten der Polizeigerichts-
barkeit findet sich vor allem in Rügordnungen wie
der PolizeiO. 1588 (Nr. 43).

35 KO 1578, Nr. 25, Kap. 6; Prot. 1581 Art. 11 nannten
als Gründe für die Beibehaltung der Privatabsolu-
tion: darmit die unverstendigen underwisen, die an-
gefochtenen getröstet, die unbußfertigen zu beßerung
vermahnet...

36 Obwohl man im vorigen Kapitel den mißbräuch-
lichen Empfang des Abendmahls an hohen Feier-

446
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften