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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0466
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32. Kirchen- und Schulordnungen 1582

feindschaft und widerwillen, etliche in heimbhchen
neid und haß, fetliche von widerwertiger haltung 11
des heiligen abenmahls f, etliche anderer ursachen
halben sich clarzu nit befinden, gso wollen wir, das
hierinnen nachvolgende ordnung von den kirchen-
dienern gehalten werden sollen:

Und nemblichen, so g sollen die kirchendiener
jecles orts pro primo gradu 42 solche personen fur sich
erfordern und, da sie in irrtumb steckten, freundlich
und mit aller sanftmut aus Gottes wort grundlich
berichten, damit sie die warheit möchten erkennen
und ihr gewißen frey gemacht werden.

Wann sie aber sonsten mit offendlichen oder
heimblichen lastern behaftet und aus unbußfertig-
keit sich des heiligen abendmahls enthielten, 1:isoll
der pfarrherr oder kirchendiener h sie gleichergestalt
mit aller sanft-mut zur buß und beßerung vermah-
nen. Wie auch diejenigen, so allein aus unachtsam-
und fahrleßigkeit solches nicht acht-en. Welchen
allen wol eingebildet werden soll, was fur ein tewren
schatz inen im heiligen abendmahl furgetragen
werde, deßen sie sich berauben.

Da sie nun beßerung versprechen, aber nit halten
wurden, soll der pfarrherr in nechster visitation
solche person namhaft machen, daruf der super-
intendens sie fur sich erfordern und gleichergestalt
aus Gottes wort berichten und zur beßerung ver-
mahnen 43.

Wami aber auch solche vermahnung bey inen
nichts verfangen, soll der visitator solches mit allen

f-f Fehlt Prot. 1581.
g-g Fehlt Prot. 1581.
h_h Prot. 1581: sollen.

1 Statt ,,den synodum gehn hoff“ in Prot. 1581: in
nahern synodum.

k Prot. 1581: + do er dieselbige verspricht.

1 Statt ,,uns als der obrigkeit“ in Prot. 1581: bey
der herschaft.
m Prot. 1581: sunden.

n Satzbeginn in Prot. 1581: sonderlich aber soll.

Verdacht der Zauberei. (Summarische Relation,
PA 93, 3, 17.) Das im vorliegenden Kapitel be-
schriebene Yerfahren galt für alle möglichen Ver-
gehen (vgl. „sonsten mit offendlichen oder heimb-
lichen lastern behaftet“) und stellt eine Doppelung
zu den beiden § § C 12 u. 13 dar. Das Kapitel ist vor
der KonsistorialO. (Teil C) entstanden und gibt un-
verfälscht die Ansicht Andreäs von der rechten
Übung der Kirchenzucht wieder. Diese wurde bei

umbstenden in den synoclum gehn hoff * 1 berichten,
alsdann solche person fur den synodum erfordern
und fur den dritten gradum abermals mit gebueren-
dem ernst zur beßerung vermahnen und k ime auf
sein wollhalten lenger zugesehen werden.

So aber auch nach dieser vermahnung kein beße-
rung wurd folgen und der synodus nach beschehenen
vermanungen, so Christus Mathey am 18. [15-18]
seiner kirchen furgeschrieben, mit ime gehalten,
diese person fur ein tod und abgeschnitten ghd der
kirchen Gottes erkend, soll es bey uns als der obrig-
keit 1 stehn, denselbigen der gantzen kirchen zur
abschew und exempel ofendlich furzustellen 44 und
in bann zu ercleren oder sie außer unserer herrschaft
zu schaffen oder in andere weg geburenden ernst
und straff furzunehmen, dardurch ander leut von
solchen furnehmen m abgeschreckt und dem ergernus
gewert werden mög.

Dann uf gefundenen und gehapten rat der teolo-
gen 45 ordnen und wöllen wir, das n in allen oberzel-
ten gradibus cliese fursichtigkeit und bescheiclenheit
gebraucht werden solle, damit es in keinen weg das
ansehen hab einigs zwangs, als ob man die leut zum
heiligen sacrament zwingen wolt 46, weil sich derge-
stalt die untertanen, sonder auch wir als clie obrig-
keit an Gott versündigen möchten, sonder das jecler-
man darmit offendlich zu verstehen gegeben werd,
clas hierinnen beneben beßerung dieser person fur-
nembhch abschaffung cler ergernus gesucht werde,
welches beides gegen den ergerlichen personen fur-

der Beratung der Visitationsprotokolle auf dem
Neuensteiner (und Waldenburger) Synodus 1581
schon praktiziert. (Vgl. Franz, Kirchenleitung 121
bis 125).

41 = im Widerspruch (zur Kirchenlehre) stehende,
femdliche Auffassung, Meinung vom. (Grimm 4, 2,
296; Fischer 1, 801).

42 primus gradus admonitionmn, die 1. Ermahnung
nach Mt 18, 15-18.

43 2. gradus admonitionum.

44 Bei der öffentlichen Flir- oder Vorstellung handelt es
sich hier nicht um die öffentliche Abbitte vor der
Gemeinde, die Anclreä bekämpfte (oben S. 439, Anm.
4), sondern um die weltliche Strafe, daß er z.B. vor
der Kirchentüre mit einem weißen Stab stehen muß
(vgl. § B 12), einer Art Pranger.

45 Vor allem Jakob Andreä.

46 Aus dem übrigen Kapitel wird deutlich, daß nach
den Ermahnungen massiver Zwang der Obrigkeit
erfolgen sollte.

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