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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0470
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32. Kirchen- und Schulordnungen 1582

[12.] Von leiten deß Tenebre uf den
freytag a68

Naclidem zum gemeinen gebett 69 uf dem freytag
nicht jederman kommen kan, sonder durch not-
wendige gescheft uf dem veld wie auch die bestelte
taglöner darvon abgehalten werden, bso wöllen,
ordnen und bevehlen wir b, sobald die letaney ange-
fangen, das alsdann mit cler grösten giocken ein
gut 70 zeichen geleitet, dardurch meniglich 71, so uf
dem veld oder in den heußern, des gemeinen gebetts
erinnert, uf das, ob sie woll bey der versambleten
gemein in der kirchen mit dem leib nicht gegen-
wertig, doch nach dem geist und mit andechtigem
gebett darvor nicht abgesonclert seien c, sonder
dartzu ermanet werden. Dargegen soll das tenebre-
leuten in allen kirchen und an allen orten in unserer
grafschaft gentzhchen abgeschaft sein und nicht
mehr gestattet werden.

[13.] Vom wetterleuten d

Nachdem es an im selbsten ein adiaphoron, das
ist ein mittelding, wann sich ein erschrecklich wetter
ertzeigt, das voik zum gebett zu vermahnen, das

a Dieser Artikel fast wörtlich wie Prot. 1581, Art.

12.

b-b prot. 1581: wurt fur nutzlich geachtet.
c Ab hier gegenüber Prot. 1581 neu.
d Dieser Artikel ganz entsprecbend Prot. 1581,
Art. 13.

68 Das Schiedungsläuten (Schiedung = Tod) zum Ge-
däcbtnis der Todesstunde Jesu. Am Freitag wurde
ursprünglicb das Responsorium Tenebrae factae sunt
(Mt 27, 45—51) gesungen oder gebetet (KO 1553,
Nr. 5, § 14). Das Läuten war im altevangelischen
Gebiet Frankens wohl allgemeine verbreitet (Sehling
11, 432 Anm. 9). Wegen der daran bängenden ,,ab-
götterei und superstition“ wurde es z.B. 1576 in
Pfalz-Neuburg abgeschafft (Sehling 13, 194). — Am
Freitag um 11 Ubr wbd mit allen Glocken geläutet;
wer auf dem Feld ist, betet ein Yaterunser. Am Kar-
freitag wird geläutet, wäbrend man ,,0 lamm Got-
tes“ singt. Unter dem Schiedungsläuten sind Kälber
am besten zu entwöbnen. Am Karfreitag unter dem
Schiedungsläuten geholtes Wasser bewabrt vor
allen Schäden und bleibt immer frisch. (Bescbrei-
bung des Oberamts Künzelsau 123; ... Crailsheün
111; Fischer 5, 811 und 813.)

man ein glock leute oder nit, und das volk nunmehr
in unserer graffschaft aus Gottes wort soviel grund-
hch herichtet, das glockentaufen 72 ein grewhcher
mißbrauch der heihgen tauf, eine gottslesterung
seien, auch demnach durch geleut solcher getauften
glocken Gottes zorn viel mehr erweckt und ange-
tzundet dann abgewendet werde, cheweil es ein offen-
bare abgötterey, so laßen wir geschehen, das in sol-
chem fall ein glocken geleutet, aber nicht mit allen
glocken zusamen geschlagen oder auch, so lang das
wetter weret, sonder allein aus abgehörten ursachen
des tags ein zimblichs, aber in der nacht ein gutes
zeichen gegeben werde, die leut darmit zum gebett
aufzumundern und zu vermahnen 73.

[14.] Von haltung der leichtpredigt, und
wie lang sie sollen weren

Nachdem wir auch in erfarnus kommen, das viel
leut oftermals vonwegen der langen prechgten nicht
mit zur begrebnus gehn, und, wie vorgemelt 74, lange
predigten nicht bawen, sondern viel ehe unlustig und
verdrossen machen und also nicht mit andacht ge-
hört noch viel weniger behalten, so setzen und ord-
nen wir, das kein kirchendiener sein leichtpredigt

69 Gemeinsames Gebet bezeicbnet den Fürbitten-
gottesdienst am Freitag mit der Litanei und dem
folgenden Gebet (vgl. Württ. KO 1559 Bl. 83a: „Die
ander form des gemeinen gebetts ist die letaney“).

70 = stark, länger dauernd (vgl. Grimrn 4, 1, 6, 1314).

71 = jedermann.

72 Unwetter wurde nacb verbreitetem Glauben von
Dämonen und IJexen hervorgerufen, die durch
Glocken abgewebrt wurden. Man unterscbied ge-
weibte und ungeweibte Glocken. HDA 3, 867-876;
5, 939f. Adolph Franz, Die kircblicben Benediktio-
nen im Mittelalter. 2. Freiburg 1909, 49-123 (zum
Wettersegen). G.Pfeilschifter, Acta Reformationis
Catholicae Ecclesiae Germaniae Concernantia Sae-
culi XVI. Bd. 1. Regensburg 1959, 455 (Gravamina
nationis germaniae 1524).

73 Melanchthons, von Lutber gebilligter, Unterricbt
der Yisitatoren ließ (in der 1. Ausgabe von 1528 und
auch in der von 1539) das Wetterläuten als Gebets-
ruf besteben (WA 26, 234, Sehling 1, 170). Bei einer
Besprechung in Coburg 1554/55 (Sehling 1, 544) und
in der kursächsischen KO von 1580 (Sehling 1, 453)
wurde es ganz abgeschafft (Sehling 11, 741).

74 Oben § B 8 und 11.

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