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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Franz, Gunther [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0473
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B. Greneralartikel

[18.] Vom graßeintragen, mistladen und

andern dergleichen sachen am sontag^

Deßhalben ist in unserer vorhabender newer
policeyordnung 87 genugsam versehung heschehen.
Aher nichtsdestoweniger, dieweil solche noch nit so
bald ergentzt und verkundigt werden möcht, sollen
unsere amptsdiener an unser statt und anbefohlenen
emptern bey ernstlicher straff verbieten und gebie-
ten, uf den sontag und sonderlich in der zeit, wan
man in der predigt ist, alles und iedes graßmehens,
-eintragens, misten, metzeln, backen, holtzhawens
und ander dergleichen hausarbeiten, auch haie- und
omatmehen, fruchtschneiden und anderer veldar-
beit 88, die man uf die werktag verrichten soll und
zeit genug dartzu hat, gentzhch zu enthalten und
oberzustehn 89. Und wo einer solches verbrech 90 und
darmit ergernus geb (daruf dann ein jeder ampts-
diener auch gute anordnung tun solle, das der ampts-
diener dennechsten 91 an uns mit allen nottwendigen
bericht gelangen laßen), gedenken wir den- oder die-
selbige zu straffen, das unser mißfallen darbey zu
spüren und andere sich deßen zu enthalten ursach
haben sollen.

Jedoch wann es in dem haiet, omat, beiden ern-
ten r ein solch beschwerhch regenwetter einfiel, so
dem armen mann zu schaden und nachteil gelangen
möcht, wann es desselbigen tags uf dem veld oder
under der keltern 92 gelaßen werden solt, und deß-
halben bey unsern amptsdiener einer oder mehr
umb erlaubnus ansuchen und ihnen bedunken wolt,
das es ein notturft, mag er denselben solches ver-

Dieses Kapitel ist eine starke Brweiterung von
Prot. 1581, Art. 18. Dort hieß die Überschrift ur-
sprünglich nur: Yom graßeintragen am sontag.
r Prot. 1581: + und im herbst.
s Bis hierher entsprechend in Prot. 1581, Art. 24.

87 In der PolizeiO. 1583 (Nr. 33, § 2) ist ein kurzes Ver-
bot der Sonntagsarbeit, besonders zur Zeit der Pre-
digten, gegenüber der PO 1558 (Nr. 13) eingefügt.

88 Hai(e) = fränkisch für Heu. Omat, ehmd = der
2. Schnitt des Grases, das Grummet (Ende August
bis Mitte September, Fischer 3, 1542 u. 1549). In
württ. Dekret von 1572 heißt es: ,,im heuet, embdet,
korn- und haberernd, herbst und dergleichen feld-
geschäften“ (Reyscher 8, 537).

89 = (davon) abzustehen.

gunstigen und erlauben. Doch daß solches eben-
mesig, bey unserer ernstlichen straff, under keiner
predigt beschehen und verrichtet werde.

Darbey sollen aber die kirchendiener das pfarrvolk
auch trewlich vermahnen, das sie nach Gottes be-
velch den sabat oder sonntag recht heihgen, das
ist, mit Gottes wort und andern gottseeligen, guten
werken und nicht mit der hand- oder veldarbeit,
so in die sechs werktag gehören, zubringen sollen.

[19.] Daß das laufen auß der kirchen vor
dem empfangenen segen Gottes abzu-
schaffen

Dieweil wir befinden, das die gemeind an sonn-
und feyertägen bey den hauptpredigen des segens
nit erwarten, sonder zum mehrer teil, sobald die
kirchencliener aufhören zu predigen, aus der kirchen
laufen, sollen die pfarrherr das volk vleisig ver-
mahnen, das sie biß zu end des gantzen actus und
biß die gebet, auch der segen Gottes, gesprochen
worden verbleiben etc.

Damit aber der gemeine mann soviel desto lusti-
ger und wiUiger darzu seye, so sollen die kirchen-
diener, insonderheit aber zu winters zeiten 94, soviel
muglich das gesang und clie lectiones abkurtzen s,
auch, wie vorgemelt 95, die predigt nit uber ein
halbe oder dreyvierteil stund und lenger nit weren
laßen, darmit furnemblich diejenigen, so weit zu
haus zu gehn haben, auch desto ehe heimkommen
und hernacher sich wider in clie mittagspredigt

90 = übertrete.

91 = den nächsten, unverzüglich, sogleich.

92 Siehe Anm. 88. Bs ist also auch an die Weinernte
(„Herbst“) gedacht.

93 Ex 20, 8-10. Nach Luthers Auslegung ist „heilig
halten“ „nicht anders denn heilige wort, werk und
leben furen... das man Gottes wort handle und sich
daryn ube“. Luther schränkte ein: „doch das feyren
nicht so enge gespannet, das darümb andere zu-
fällige erbeit, so man nicht umbgehen kan, verpoten
were.“ (Großer Katechismus, WA 30 I, 144f.)

94 Kirchenheizungen gab es nicht. Noch nach der
Friedberger KO von 1704 sollte deswegen der
Gottesdienst im Winter abgekürzt werden. (P. Graff,
Geschichte der Auflösung... 2.Aufl. 1, 103.)

95 § B 9.

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