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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Franz, Gunther [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0475
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B. Generalartikel

[21.] Von der kirchendiener und meßner
accidentaln uncl gefellen 102

Wiewol weiland unser liebe herrn ehegemahl,
herr vatter und herr vetter, christenlicher, wollöb-
licher gedechtnus, zur zeit reformirter rehgion allen
und jeden kirchendiener nach gelegenheit irer pfarr
und kirchendienst eine solche competentz und be-
soldung verordnet 103, das bißhero fur uns keine clag,
feel oder mengel kommen, derohalben auch von-
wegen anderer bewegenden ursachen die andere
accidentalia abgeschafft b, jedoch dieweil uns aus
den einkommenen visitationibus furgebracht, das
an ethchen orten in unsern graffschaften, besonders
an denen, die von uns kein gewiße competentz
haben, sonder sich allein ihrer widemguter 104 und
anderer gefell, die inen ire lehenherrn verordnen,
betragen mueßen und soJche accidentalia bißhero in
ubung gewesen, so wöllen wir inen solche auch nit
abstricken 105.

Aber es solle kein undertan schuldig und ver-

13 Prot. 1581, Art. 25: Nachdem in verordnung der
competentz dahin gesehen, das alle accidentalia
dargegen fallen sollen, ...

c-c Prot. 1581, Art. 25 Überschrift: Ob die pfarher
von den kindertaufen, hochzeitpredigen, leich-
predigen, krankenversehen, eheleut zu verkundi-
gen und schlechtem [= bloßem Ehe-]einsegnen
und dergleichen accidentalien etwas nemen dörfen,
wan sie gewiße, bestimpten competentzen haben.

d-d prot. 1581, Art. 25: mogen sie solchs nochmals
nemen, allein mit der bescheydenheit, das sie es
nicht fordern, als ob die undertonen darzu genöt-
tigt und gezwungen weren, sondern, weil sie solchs
auß freyen willen geben, mag man es den kirchen-
dienern auch wol gönnen.
e Im Text von Prot. 1581, Art. 25 sind nur Hoch-
zeitsakzidentalien genannt: besonders wan hoch-
zeiten zu verkundigen, hochzeit predigen gehalten
und newe eheleut eingesegnet werden.

102 Accidentalia (Stolgebühren) sind zu den sonstigen
Einnahmen des Pfarrers oder Meßners hinzukom-
mende Einkünfte aus den Amtshandlungen. In
Oberstetten waren es 1600:12 Pfennige, eine neue
Ehe zu verkünden; 1 Maß Wein, 1 Stück Braten und
1 Paar Weck für die Eheeinleitung (Trauung);
15 Pfg. für eine Leichenpredigt und 3 Pfg. von
einer Frau am Ende des Kindbettes. (Weik B I 32,
25.) Der Pfarrer von Münster bat 1581 um eine
Zulage, ,,in ansehung, das im die kleinen zehenden
entzogen (s.u.) und er weder von hochzeiten noch

pflicht sein, cden kirchendienern von reichung der
heihgen sacrament, der tauf und nachtmal des herrn,
etwas zu geben c, da aber jemands, wie auch bißhero
beschehen, deinen kirchendiener etwas aus seinem
selbst eigenen, guten, freien wiflen, ohne einige for-
derung oder andeutung geben wolt, das soll einem
kirchendiener zu nehmen unabgestrickt sein d.

Also soJl es auch gehalten werden von aufbie-
tung und einsegnung der hochtzeitleut, hochtzeit-
und ]eichtpredig e. Doch wann ein kirchendiener in
die filialkü’chen nachgehen und alda bißhero
breuchflchen gewesen, nach geleistem und verrich-
tem kirchendienst eine mahltzeit oder einen drunk
zu geben oder, wie mans nennt, an gelt ein zech zu
geben, und wier solches bißhero an solchen orten nit
abgeschafet, soll daßelb den kirchendienern an sol-
chem ort nit abgestrickt sein.

Ebenmesig sollen auch unsere undertanen den
meßnern die bißhero ubflche und gebreuchliche
accidentafla und gefefl, so sie neben irer besoldung
gehabt 106 und nit expreße ufgehaben, geben. Und

leichen, wie doch sunst in der herrschaft breuchlich,
nichts zu lohn hat.“ (Visitationsprotokoll DekA
Weikersheim.) Gefälle = Einkünfte, hier vor allem
Erbzinsen und Gülten von bestimmten Grund-
stücken.

103 Graf Ludwig Casimir und die Vormundschaft für
Graf Eberhard hatten 1558 die komphzierten Ein-
künfte (Zinsen, Gülten, große und kleine Zehnten)
durch eine feste Besoldung (Kompetenz) aus Geld
und Naturalien abgelöst (Nr. 12b).

101 Widem- oder Wittumsgüter sind die Pfarrgüter,
die vom Pfarrer bewirtschaftet werden mußten
(Äcker, Gärten, Weinberge).

105 In Pfarreien mit auswärtigen Lehens- oder Pa-
tronatsherren bestand die alte Regelung weiter.
In der Neuensteiner Teilherrschaft galt dies 1607
nur für Orendelsall, weil der Pfarrer des schöntali-
schen Orts erst 1563/79 unter hohenlohische Bot-
mäßigkeit gekommen war. Der Pfarrer von Rup-
pertshofen erhielt die Gefälle von Dünsbach (im
Besitz des Herrn von Crailsheim auf Morstein, Visi-
tationsprotokoll Lang LXXII 12); der Pfarrer von
Elpersheim beklagte sich über das Kloster Neu-
münster in Würzburg (Visitationsprotokoll 1581,
DekA Weikersheim). — Abstricken = wegnehmen,
verbieten (DRW 1, 298).

106 Die Meßner wurden für Uhrwarten, Läuten der
Weinglocke und Versehen der Kirche besoldet. Es
gab Läutgarben, die in Geld umgewandelt wurden
(nach Schulmeisterordnungen 1605, Weik B I 32,
6, 2). Akzidentalien werden sie auch bei den Hoch-
zeiten usw. erhalten haben.

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