Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

43. Polizei- und Rügordnung 1588

daruber betretten, sollen sie durch ihre eltern, * 1 * * 4 5vor-
rounder ocler lehrmaister 5 in beysein des pfarrhers,
ambtsdieners 6 oder schulthaißen woll mit ruten ge-
strichen werden und, wo solches nit helfen wolt,
volgends uns überschickt werden.

Solten aber die eltern ihre kinder nit clarumb
stralfen wöllen oder gelt zum spilen 11 geben, sollen
sie uns ein gülclen 7 zue straff verfallen sein, damit
sie ihre kinder zu ehrlichen handtierungen, hand-
werken und arbaiten uncl nit uf spilen, stehlen, un-
zucht uncl andere uppigkait uferziehen lernen.

Wo wir auch einen erfahren, der außerhalb cler
ofnen zechen und gesellschaften denn spitzbuben
und spihlern herberg uncl underschlayf gibt, denn
wollen wir zweyfach straffen alß ein spiller. 8Wer
auch in erfahrung bringt, das jemand darwider ge-
handelt und denselbigen antzaigt, dem solle von
einem 1 gtilden ein halb ort 9 10 geben werden 8. Da k er
aber junge knaben zu sich lükelt 110 und im spilen
ufenthielt, soll er wie ein kupler oder kuplerin, alß
cler anclern leuten ihre m kincler verführt 11, ge-
strafft werden.

15. Vom wucher

Wir werden bericht, das etliche unser undertanen
uf wucher hinleilien uncl entlehenen, also das sie
gütter einsetzen und einraumen n, andern zu nießen,

11 B: + leihen oder.

1 B und C: + jeden.
k B: Daß.

I B (wie Castell) und C: lockheJt.
m Fehlt B.

II A: einrahumen.

0 B und C: + alles.

4 Castell: + oder zween carten oder.

5~ 5 Fehlt Castell.

6 Fehlt Castell.

7 Castell: hohe huß.

8-8 Fehlt Castell.

9 1 Ort = 1 Viertel.

10 Löcklen im Schwäbischen diminutiv von locken
(Fischer 4, 1271).

11 Oben § 6.

12 = Zins, hier 25-33 %.

13- 13 jnehlt Castell.

14- 14 Fehlt Castell.

15 Schlag = der gewöhnliche Preis, aus der Sitte ent-

auch etwan mit frucht und wein betzahlen, das
manchem von zwaintzig gülden fünf oder sechs
gülden abzins 12 gebühren, auch andere mehr
wücherliche conträct, welche wir zu gedulden nicht
gedenken: wollen derowegen, das hinfüro keiner
kein zinsgelt 13uber zehen gülden zinsgelt 13 uf-
nehme ohn unser vorwißen 14und bewilligung außer
der cantzley 14, auch keiner mehr zins, dann von
zwaintzig gülden ein gülden neme oder gebe. Deß-
glaichen soll auch keiner von keinem Jüden nichts
entlehnen, anderst dann wie von einem christen. Eß
soll auch keiner von niemand uf wein, friicht, wol-
len, schaff oder anderst kein gelt entlehnen, dann uf
gewöhnliche kauf und schläg 15 der umbhgenden
stätt 0, bey straff 16vier gülden. Und welcher es
antzaigt, ime von einem jeden gülden ein halb ort
gegeben werden 16. Uncl soll clartzu dem kaufer we-
der mit recht oder von obrigkait wegen umb weiter
betzahlung dann die hauptsumma 17 verholfen wer-
den.

[§§ 16-29 nicht abgeclruckt.]

Rugordnung 1

Erstlich sollen alle jar vier ruggericht zue den vier
quatembern 2, acht tag darvor oder nach ungefähr-
lich, in jedem ort 3 gehalten werden, uf welchen rug-
gerichten alle straffbare sachen furgebracht und mit

standen, daß Kaufen und Verkaufen mit Hand-
schlag geschieht (Grimm 9, 330).

16-16 Castell: einer hohen buß.

17 = Kapital(schuld) (DRW 5, 357).

1 Die Rugordnung ist von Castell übernommen. Zum
1. Abschnitt vgl. Württ. LO 1567, S. 239f. Rugen,
rügen = anzeigen. Ruggericht, Rügegericht, das
neben der alten Vogteigerichtsbarkeit gebildete Ver-
fahren zmn Anzeigen von Verstößen gegen die Poh-
zei- und Rugordnung. Die Rugordnung enthält so-
wohl die Ordnung des Verfahrens als die anzuzei-
genden (zu rügenden) Vergehen, die auf dem Rüg-
zettel zum Vorlesen kmz zusammengefaßt sind.

2 Quatember (quatuor tempora): Mittwoch bis Sonn-
abend nach Invocavit in der Passionszeit, Pfingsten,
Kreuzerhöhung (14. September) und Lucie (13. De-
zember). (H. Grotefencl, Taschenbuch d. Zeitrech-
nung 16.)

3 Castell: flecken.

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