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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 7. Juni 2002
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Nörr, Knut Wolfgang: Wirtschaftliche Macht: ein Begriff, ergiebig für die Rechtsordnung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0062
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7. Juni 2002 | 73

Kosten des M höher liegen als die des W: Der Täter droht dem kleinen Gehilfen mit
Strafanzeige; eine Belohnung fällt unverhältnismäßig hoch aus.
Auch ansonsten stellen sich noch weitere Fragen zur Macht in actu: Setzt Macht
immer Alternativen und Optionen voraus? Wie verhalten sich, wenn W seinerseits
Macht gegenüber M verwirklichen kann, die reziproken Machtbeziehungen zu-
einander? Lassen sich Machtbeziehungen unterschiedlicher Art gegeneinander auf-
rechnen?
Weiter kann man untersuchen, welche Alternativen aufSeiten des W bestehen.
Man kann hier etwa nach drei Sphären unterscheiden: die Sphäre der Werte und
Ziele, die in einem Bezug zum Handeln des W stehen; die Umstände und Verhält-
nisse, die sein Handeln umgeben; schließlich sein Handeln selbst. Prämisse der
Unterteilung ist die Annahme, dass für das Handeln des W Alternativen vorhanden
sind. Dabei ist zu beachten, dass Alternativen nicht voraussetzen, dass sie von W
wahrgenommen werden, ja nicht einmal, dass sie wahrgenommen werden können.
Hauptbeispiel hierfür ist m der Sphäre der Werte- und Zielsetzung die Macht der
Erziehenden über das „unmündige“, das heißt Alternativen noch nicht erkennende
Kind. Wahrnehmbare, aber nicht wahrgenommene Machtverwirklichung spielt sich
etwa im Bereich der verführenden Propaganda ab (im Wirtschaftsleben Werbung
genannt). Man kann hier von Beispielen der Informationsmacht sprechen. Solche
Macht äußert sich nicht nur in der Vermittlung, sondern auch der Verfälschung und
Vorenthaltung von Information.
Die Informationsmacht kann in unserer dreifachen Unterteilung natürlich
auch das Umfeld des Handelns des W betreffen. Dieses beeinflusst das Mindest- und
Höchstmaß seiner Alternativen. Zum Umfeld zählt auch der Status einer Person, er
wird entweder durch die Natur oder den sozialen Kontext bestimmt. Umfeldbe-
dingtes Handeln gerät leicht in einen anonymen Zusammenhang. Ist etwa Handeln
von Marktlagen abhängig, ist M nicht mehr lokalisierbar beziehungsweise der Bei-
trag jedes M nicht mehr messbar.
Betrachtet man nun die Einwirkungsmöglichkeiten des M, so können sie sich
auf jede der genannten Sphären beziehen. StehtW vor der Wahl von Alternativen,
kann M hierauf einwirken, wenn er Änderungen in der Sphäre der Werte des W oder
in seinem Umfeld verursacht. Er kann aber auch ohne solche Änderungen das Han-
deln des W beeinflussen, etwa durch Drohungen oder Versprechungen. Mit dieser
Überlegung berühren wir den Bereich der Machtinstrumente, zu denen beispiels-
weise auch die Falschinformation gehört. Versprechen und Drohung wirken auch,
wenn W noch unentschieden war, aber nicht, wenn W genau die Entscheidung
schon getroffen hatte, die M herbeiführen will. Im letzteren Fall kann man vom Ver-
such der Machtverwirklichung sprechen, einer für die Rechtsordnung bedeutsamen
Kategorie.
Von der bisher behandelten Konstellation ist eine andere zu unterscheiden,
nämlich die der antizipierten Machtverwirklichung. Die Antizipierung durch W
kann etwa durch bloße Beobachtung einer Machtverwirklichung gegenüber Dritten
veranlasst sein. Wird irrtümlich antizipiert und bezieht sich der Irrtum auf die
Absicht des M, Macht zu verwirklichen, so gelangen wir zum Grunddilemma aller
 
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