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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 4. Mai 2002
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Kolb, Frank: Regio sibi sufficiens? Zum möglichen Beitrag von Feldforschungen zur Wirtschafts- und Bevölkerungsgeschichte der Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0058
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4. Mai 2002

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in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin am 14. November dieses
Jahres. Er berichtet ferner im Auftrag des Präsidenten über die geplante Neu-
gestaltung der Abschlusssitzung des Akademischen Jahres, die in Zukunft eine
öffentliche Veranstaltung sein soll. Auch soll der Akademiepreis bei dieser Gele-
genheit verliehen werden.
WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Herr Kolb hält einen Vortrag: „Regio sibi sufficiens? Zum möglichen Beitrag von
Feldforschungen zur Wirtschafts- und Bevölkerungsgeschichte der Antike“.
Der schleswig-holsteinische Altertumsforscher Ludwig Ross durchwanderte in den
40er Jahren des 19. Jahrhunderts das südwestliche Kleinasien, insbesondere auch die
antike Landschaft Lykien, und der Anblick weitgehend verödeter, aber allenthalben
antike Terrassenkomplexe aufweisender und somit offensichtlich potentiell frucht-
barer Landschaften erweckte in ihm den Wunsch, deutsche Kolonisten möchten
diese Region durch den Anbau von Oliven und Wem sowie den Handel mit solchen
Agrarprodukten dem Weltverkehr wieder öffnen.
Ross glaubte offensichtlich an die Existenz einer marktorientierten antiken
Agrarwirtschaft. Em halbes Jahrhundert später und bis in jüngste Zeit hinein wäre er
mit dieser Ansicht in den heftigen Streit zwischen Nationalökonomen, Soziologen,
Wirtschaftsanthropologen und theoretisch argumentierenden Althistorikern (insbe-
sondere solchen marxistischer Provenienz) auf der einen Seite und sich auf archäo-
logische und inschrifthche Quellen stützenden Althistorikern andererseits geraten.
Erstere, die sogenannten Primitivisten, betrachten den antiken Menschen als homo
politicus (im Unterschied zum modernen homo oeconomicus), der in politischen und
sozialen statt in wirtschaftlichen Kategorien denke und daher nach Autarkie statt
nach Gewinnmaximierung trachte, sein Kapital in Immobilien statt in kommerzielle
Unternehmungen investiere. Dies habe fehlende wirtschaftliche Rationalität, ein
niedriges Produktionsvolumen und eine marginale Rolle des sekundären Wirt-
schaftssektors nach sich gezogen. Die ‘Modernisten’ hingegen beharren darauf, daß
der hohe Urbanisierungsgrad insbesondere der hellenistischen und kaiserzeithchen
Epoche auf beachtliche wirtschaftliche Überschüsse verweise, welche eine markt-
orientierte Agrarproduktion und durch diese angekurbelte gewerbliche und kom-
merzielle Aktivitäten voraussetzten. Die neueste Forschung hat diese konträren
Standpunkte durch differenziertere Positionen teilweise ‘gemäßigt’, aber die Frage,
ob die antike Landwirtschaft als Typus marktorientiert war oder eher strukturell auf
Subsistenz, d. h. auf Existenzsicherung des bäuerlichen Haushaltes, abzielte, bleibt
umstritten. Von der Beantwortung dieser Frage hängt aber z. B. nicht nur die Be-
urteilung der Intensität des antiken Handels, sondern auch die Schätzung der ernähr-
baren Bevölkerungszahl ab.
Angesichts der geringen Auskunftsfreudigkeit der antiken Schriftquellen zu
diesen Themen hat die neueste Forschung die Methode der Erkundung antiker
Landschaften durch systematisches Erfassen aller an der Erdoberfläche noch greif-
baren antiken Überreste entwickelt. In der Regel ist auf diese Weise außerhalb der
 
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