13. Juli 2002 I 89
es interkulturelle Rechtsdiskurse, die ihrerseits auf drei Ebenen zu fuhren sind. Auf
der Ebene der Rechtst/zeorze lasse man alle Besonderheiten beiseite und konzen-
triere sich auf Gemeinsamkeiten, so daß sich die verschiedensten Rechtskulturen
darin wiederfinden. Auf der Ebene der kkechtsgeschichte verbinde man historisches
Bewußtsein mit sozialgeschichtlichen Kenntnissen. Und auf der Ebene der Recht-
spraxis plädiere man für sehr formale Grundsätze und deren behutsame Verwirkli-
chung, auf daß die verschiedenen Kulturen ein möglichst hohes Maß an Eigen-
ständigkeit behalten.
Grundlegend neu sind interkulturelle Diskurse für die Philosophie nicht. Denn
seit jeher stützt sie sich lediglich auf die allgemeinmenschliche Vernunft, ergänzt um
allgemeinmenschliche Erfahrungen, und eignet sich daher zu einem Anwalt der
Menschheit, wobei „Menschheit“ primär das Humane im Menschen bedeutet, des-
sen Berücksichtigung jedoch der Menschheit im Sinne der Gattung zugute kommt.
Interkulturelle Rechtsdiskurse im Blick auf eine globale Koexistenz sind aber noch
neu.
2. Fundamentale Rechtshermeneutik: Zwei geschichtliche Vorbilder
Zur Bestimmung interkulturell gültiger Rechtsgrundsätze bieten sich vier einander
ergänzende und verstärkende Methoden an. Die erste gehört zur interkulturellen
Rechtsgeschichte und besteht in einer besonderen Hermeneutik. Sie sucht aus ver-
schiedenen Kulturen Rechtsinstitutionen aus und interpretiert sie mit Blick auf ihre
Tragfähigkeit für eine globale Koexistenz. Geeignete Beispiele bilden em frühneu-
zeitlicher Völkerbund der Irokesen und das antike ins gentium, das aus Rom bekannte
Völker-Recht im Sinne eines unter allen Völkern anerkannten Privatrechts. Dessen
weltgeschichtlicher Erfolg verdankt sich vor allem acht Faktoren: Das ins gentium hat
(1) Rechtscharakter, ist nur (2) subsidiär und (3) komplementär, sucht (4) nach einem
sowohl theoretischen als auch praktischen Konsens, bewahrt (5) Neutralität gegen
kulturelle Besonderheiten, ist (6) nicht religionsgebunden, vielmehr säkular, konzen-
triert sich (7) auf das betreffende Rechtsgeschäft und erkennt (8) die Betroffenen
weitgehend als gleichberechtigt an. Das Zusammenspiel dieser acht Faktoren schafft
ein weltfähiges Recht, nämlich ein Recht, das fähig ist, die Koexistenz von Kulturen
aus aller Welt zustimmungsfähig zu regeln. Ein weiterer, neunter Faktor tritt „globa-
listischen“ Engführungen und Befürchtungen entgegen: Das ins gentium wird nicht
von einer internationalen, sondern einer römischen Behörde „verwaltet“; es ist ein
„nationales Weltrecht“.
3. Topik: Extrapolation anerkannter Rechtsprinzipien
Bei den meisten Faktoren handelt es sich erst um Gesichtspunkte, noch nicht um
Grundsätze. Ihrer Bestimmung dient die zweite Methode interkultureller Rechtsdis-
kurse: eine erneut besondere Topik. Sie geht von weithin anerkannten Rechts-
grundsätzen aus, (1) vom Prinzip Recht, (2) dem Prinzip Menschenrechte, (3) dem
es interkulturelle Rechtsdiskurse, die ihrerseits auf drei Ebenen zu fuhren sind. Auf
der Ebene der Rechtst/zeorze lasse man alle Besonderheiten beiseite und konzen-
triere sich auf Gemeinsamkeiten, so daß sich die verschiedensten Rechtskulturen
darin wiederfinden. Auf der Ebene der kkechtsgeschichte verbinde man historisches
Bewußtsein mit sozialgeschichtlichen Kenntnissen. Und auf der Ebene der Recht-
spraxis plädiere man für sehr formale Grundsätze und deren behutsame Verwirkli-
chung, auf daß die verschiedenen Kulturen ein möglichst hohes Maß an Eigen-
ständigkeit behalten.
Grundlegend neu sind interkulturelle Diskurse für die Philosophie nicht. Denn
seit jeher stützt sie sich lediglich auf die allgemeinmenschliche Vernunft, ergänzt um
allgemeinmenschliche Erfahrungen, und eignet sich daher zu einem Anwalt der
Menschheit, wobei „Menschheit“ primär das Humane im Menschen bedeutet, des-
sen Berücksichtigung jedoch der Menschheit im Sinne der Gattung zugute kommt.
Interkulturelle Rechtsdiskurse im Blick auf eine globale Koexistenz sind aber noch
neu.
2. Fundamentale Rechtshermeneutik: Zwei geschichtliche Vorbilder
Zur Bestimmung interkulturell gültiger Rechtsgrundsätze bieten sich vier einander
ergänzende und verstärkende Methoden an. Die erste gehört zur interkulturellen
Rechtsgeschichte und besteht in einer besonderen Hermeneutik. Sie sucht aus ver-
schiedenen Kulturen Rechtsinstitutionen aus und interpretiert sie mit Blick auf ihre
Tragfähigkeit für eine globale Koexistenz. Geeignete Beispiele bilden em frühneu-
zeitlicher Völkerbund der Irokesen und das antike ins gentium, das aus Rom bekannte
Völker-Recht im Sinne eines unter allen Völkern anerkannten Privatrechts. Dessen
weltgeschichtlicher Erfolg verdankt sich vor allem acht Faktoren: Das ins gentium hat
(1) Rechtscharakter, ist nur (2) subsidiär und (3) komplementär, sucht (4) nach einem
sowohl theoretischen als auch praktischen Konsens, bewahrt (5) Neutralität gegen
kulturelle Besonderheiten, ist (6) nicht religionsgebunden, vielmehr säkular, konzen-
triert sich (7) auf das betreffende Rechtsgeschäft und erkennt (8) die Betroffenen
weitgehend als gleichberechtigt an. Das Zusammenspiel dieser acht Faktoren schafft
ein weltfähiges Recht, nämlich ein Recht, das fähig ist, die Koexistenz von Kulturen
aus aller Welt zustimmungsfähig zu regeln. Ein weiterer, neunter Faktor tritt „globa-
listischen“ Engführungen und Befürchtungen entgegen: Das ins gentium wird nicht
von einer internationalen, sondern einer römischen Behörde „verwaltet“; es ist ein
„nationales Weltrecht“.
3. Topik: Extrapolation anerkannter Rechtsprinzipien
Bei den meisten Faktoren handelt es sich erst um Gesichtspunkte, noch nicht um
Grundsätze. Ihrer Bestimmung dient die zweite Methode interkultureller Rechtsdis-
kurse: eine erneut besondere Topik. Sie geht von weithin anerkannten Rechts-
grundsätzen aus, (1) vom Prinzip Recht, (2) dem Prinzip Menschenrechte, (3) dem