126
ANTRITTSREDEN
Center in Santa Monica. Sie erinnern sich: Mein Englisch krankte am Luzerner
Humanismus und meine damalige, polyglotte Gattin musste sich jahrelang über
meine Marotte ärgern, dass ich mir die Muße gönnte, jeden Tag eine halbe Stunde
griechische Autoren zu lesen, statt endlich die zeitgemäße lingua franca der Wissen-
schaft mir anzueignen. Jetzt war der Moment gekommen, das Verfahren der total
immersion anzuwenden: Es besteht darin, Vorträge in der Sprache anzubieten, die
man zu lernen beabsichtigt. Die Methode hat sich so nachhaltig bewährt, dass die
folgenden Einladungen zu Gastprofessuren an der Cornell University in Ithaca
(1996) und an der Aarhus Universiteet (1999) in Dänemark nicht an Sprachbarrie-
ren scheitern mussten.
Doch ich greife vor. Nach Santa Monica ging es 1990 erst mal nach Bochum
und in der Lehre vom bisherigen Architekturschwerpunkt zur Kunst von Moderne
und Gegenwart. Der kurz zuvor verstorbene Max Imdahl hatte am Bochumer Insti-
tut eine Nachfrage in diesem Feld geweckt, die bedient werden musste. Ein Ergeb-
nis meiner Lehre und Forschung dieser Zeit ist das Buch: „Der Wille zur Kunst, Zur
ästhetischen Mentalität der Moderne“ (1996). Das Ruhrgebiet hat zu unrecht eine
schlechte Reputation als Lebensraum. Für mich war es in einem gewissen Sinne die
Fortsetzung eines urbanen Lebensgefühls, das ich, mit Ausnahme natürlich des Wet-
ters, im südlichen Kalifornien gewonnen hatte. Das Ruhrgebiet ist Los Angeles der
Bundesrepublik. Statt Surfen zwischen Culver City und und Beverly Hills liegt
Ihnen ein Rhizom von Städten, über Autobahnen erschlossen, zwischen Köln und
Dortmund zu Füßen, mit einem Kultur- und Museumsprogramm, das in Europa an
Dichte seinesgleichen sucht. Ich verstand mich auch glänzend mit den Studenten —
es waren nur zu viele. 1997 ergingen zwei Rufe von kleineren Kunstgeschichtlichen
Instituten, von Aachen und von Stuttgart; letzteren, nahm ich an. Irgendwie zog es
mich, Südlicht, wieder näher zur Heimat, zu der ich auch Italien rechne, dem mein
Luzern als Brückenkopf vorgelagert ist. Kleinstädtisch bin ich ihr treu geblieben, und
sie hat es mir vergolten mit dem Kunstpreis der Stadt Luzern für das Jahr 2001.
Als Direktor des Kunsthistorischen Instituts an der Universität Stuttgart nun-
mehr seit fünf Jahren im Amt, musste ich eine ganze Reihe von Forschungs- und
Publikationsvorhaben auf Sparflamme stellen, um die Reformpläne zu erfüllen, die
uns allen von Verwaltung und Ministerium aufgetragen sind. Für das Wintersemester
2002/03 ist mein Institut in der Lage, in Kooperation mit der Akademie der Bilden-
den Künste Stuttgart einen Bachelorstudiengang anzubieten, dem der Masterstudien-
gang Kunstwissenschaft/Museologie folgen wird. Wissenschaftliche Abwechslung
von administrativer Fron bietet Hans Beltings Karlsruher DFG-Kolleg: „Bild —
Medium — Körper“, wo ich als kooptiertes Mitglied wirken darf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren: In den Stolz über die Aufnahme in
Ihren Kreis mischt sich die Befangenheit des Anfängers. Gewiss sagt diese große Ehre
weniger aus über die Qualität meiner wissenschaftlichen Forschung, als über die
Offenheit der Heidelberger Akademie, für deren geistige Herberge ich danke.
ANTRITTSREDEN
Center in Santa Monica. Sie erinnern sich: Mein Englisch krankte am Luzerner
Humanismus und meine damalige, polyglotte Gattin musste sich jahrelang über
meine Marotte ärgern, dass ich mir die Muße gönnte, jeden Tag eine halbe Stunde
griechische Autoren zu lesen, statt endlich die zeitgemäße lingua franca der Wissen-
schaft mir anzueignen. Jetzt war der Moment gekommen, das Verfahren der total
immersion anzuwenden: Es besteht darin, Vorträge in der Sprache anzubieten, die
man zu lernen beabsichtigt. Die Methode hat sich so nachhaltig bewährt, dass die
folgenden Einladungen zu Gastprofessuren an der Cornell University in Ithaca
(1996) und an der Aarhus Universiteet (1999) in Dänemark nicht an Sprachbarrie-
ren scheitern mussten.
Doch ich greife vor. Nach Santa Monica ging es 1990 erst mal nach Bochum
und in der Lehre vom bisherigen Architekturschwerpunkt zur Kunst von Moderne
und Gegenwart. Der kurz zuvor verstorbene Max Imdahl hatte am Bochumer Insti-
tut eine Nachfrage in diesem Feld geweckt, die bedient werden musste. Ein Ergeb-
nis meiner Lehre und Forschung dieser Zeit ist das Buch: „Der Wille zur Kunst, Zur
ästhetischen Mentalität der Moderne“ (1996). Das Ruhrgebiet hat zu unrecht eine
schlechte Reputation als Lebensraum. Für mich war es in einem gewissen Sinne die
Fortsetzung eines urbanen Lebensgefühls, das ich, mit Ausnahme natürlich des Wet-
ters, im südlichen Kalifornien gewonnen hatte. Das Ruhrgebiet ist Los Angeles der
Bundesrepublik. Statt Surfen zwischen Culver City und und Beverly Hills liegt
Ihnen ein Rhizom von Städten, über Autobahnen erschlossen, zwischen Köln und
Dortmund zu Füßen, mit einem Kultur- und Museumsprogramm, das in Europa an
Dichte seinesgleichen sucht. Ich verstand mich auch glänzend mit den Studenten —
es waren nur zu viele. 1997 ergingen zwei Rufe von kleineren Kunstgeschichtlichen
Instituten, von Aachen und von Stuttgart; letzteren, nahm ich an. Irgendwie zog es
mich, Südlicht, wieder näher zur Heimat, zu der ich auch Italien rechne, dem mein
Luzern als Brückenkopf vorgelagert ist. Kleinstädtisch bin ich ihr treu geblieben, und
sie hat es mir vergolten mit dem Kunstpreis der Stadt Luzern für das Jahr 2001.
Als Direktor des Kunsthistorischen Instituts an der Universität Stuttgart nun-
mehr seit fünf Jahren im Amt, musste ich eine ganze Reihe von Forschungs- und
Publikationsvorhaben auf Sparflamme stellen, um die Reformpläne zu erfüllen, die
uns allen von Verwaltung und Ministerium aufgetragen sind. Für das Wintersemester
2002/03 ist mein Institut in der Lage, in Kooperation mit der Akademie der Bilden-
den Künste Stuttgart einen Bachelorstudiengang anzubieten, dem der Masterstudien-
gang Kunstwissenschaft/Museologie folgen wird. Wissenschaftliche Abwechslung
von administrativer Fron bietet Hans Beltings Karlsruher DFG-Kolleg: „Bild —
Medium — Körper“, wo ich als kooptiertes Mitglied wirken darf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren: In den Stolz über die Aufnahme in
Ihren Kreis mischt sich die Befangenheit des Anfängers. Gewiss sagt diese große Ehre
weniger aus über die Qualität meiner wissenschaftlichen Forschung, als über die
Offenheit der Heidelberger Akademie, für deren geistige Herberge ich danke.