Richard Brinkmann
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durch Gerhard Krüger erfuhr. 1941 wurde er doch einberufen, er tat Dienst im
Osten, bis ihm 1943 eine Mine den rechten Arm und ein Stück der Schädeldecke
wegriß. Er hat dies immer als einen Glücksfall angesehen, denn er meinte, daß ihm
das wohl das Leben gerettet habe. Jedenfalls war der Krieg für ihn persönlich zuende,
und so konnte er 1944 sein Studium wieder aufnehmen. Er ging in das unversehrte
Tübingen, wo er eine Unterkunft bei Theodor Steinbüchel fand, der sein theologi-
scher Mentor wurde und dem er zeitlebens eng verbunden blieb. Nun hörte er
Eduard Spranger und wieder Krüger, der inzwischen nach Tübingen gewechselt
hatte. Doch entscheidend war seine Begegnung mit Paul Kluckhohn und Hugo
Kuhn. 1948 wurde er bei Kluckhohn mit einer Arbeit über das „Bild des Menschen
bei Theodor Fontane“ promoviert. Die Habilitation folgte 1956 mit seinem wirk-
mächtigen, zweimal neuaufgelegten Realismusbuch „Wirklichkeit und Illusion“. Da
man sich damals bei einer Habilitation in Deutscher Literaturwissenschaft noch für
das ganze Fach ausweisen mußte, legte er gleichzeitig eine Studie zu Wittenwilers
„Ring“ vor, die auch heute, nach einer Welle von Wittenwiler-Interpretationen,
noch immer lesenswert ist.
1959 erhält Brinkmann gleichzeitig Rufe auf die germanistischen Lehrstühle
von Tübingen und München; er entscheidet sich für Tübingen, und er bleibt dieser
Universität treu, trotz der Rufe nach Würzburg, Göttingen und erneut nach Mün-
chen, sowie an eine Reihe amerikanischer Universitäten: Austin/Texas, Columbia/
New York, Bloomington/Indiana. Ein Ruf nach Berkeley/Californien führte zu
einem Split Appointment, das es ihm erlaubte, dort jedes vierte Semester als Full Pro-
fessor zu lehren, während man in Tübingen eine Vertretung bestellte.
Die wissenschaftlichen Interessen bleiben breit ausgerichtet; es entstehen Stu-
dien zur Aufklärung, zur Romantik, zum Realismus, zur frühen Moderne mit der
großen kritischen Bestandsaufnahme der Expressionismusforschung („Expressionis-
mus. Internationale Forschung zu einem internationalen Phänomen“, 1980). Eine
Auswahl seiner prägnantesten Essays hat er 1982 unter dem Titel „Wirklichkeiten“
in einem gediegenen Oktavband vorgelegt.
Auch als Herausgeber greift Brinkmann ins wissenschaftliche Gespräch em.
Fontane steht im Vordergrund („Theodor Fontane“, hg. von R. B. in Zusammen-
arbeit mit Waltraud Wiethölter, 1973, 21977 — neben Einzeleditionen). Dazu kom-
men Sammelbände und Tagungspublikationen. 1960 wird er Mitherausgeber der
„Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte“, und
er gibt dieser Zeitschrift zusammen mit Hugo Kuhn ihr neues Gepräge, das ihr zu
ihrem überragenden, interdisziplinären Renommee verhilft; bis zu seinem Tod hat er
42 Jahrgänge mitbetreut. Er war überdies Mitherausgeber der Reihe „Studien zur
deutschen Literatur“ und der „Blaubeurer Symposien“.
Unermüdlich und mit gewissenhafter Verantwortung hat sich Brinkmann
gleichzeitig Fachorganisationen zur Verfügung gestellt. 1972—1984 ist er Mitglied der
Senatskommission für germanistische Forschung der DFG; 1976—1980 fungiert er als
ihr Vorsitzender. 1975—1980 ist er Vizepräsident der Internationalen Vereinigung für
Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft. 1982 wird er in den Auswahl-
ausschuß der Alexander von Humboldt-Stiftung berufen. Die Reisen im Zusam-
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durch Gerhard Krüger erfuhr. 1941 wurde er doch einberufen, er tat Dienst im
Osten, bis ihm 1943 eine Mine den rechten Arm und ein Stück der Schädeldecke
wegriß. Er hat dies immer als einen Glücksfall angesehen, denn er meinte, daß ihm
das wohl das Leben gerettet habe. Jedenfalls war der Krieg für ihn persönlich zuende,
und so konnte er 1944 sein Studium wieder aufnehmen. Er ging in das unversehrte
Tübingen, wo er eine Unterkunft bei Theodor Steinbüchel fand, der sein theologi-
scher Mentor wurde und dem er zeitlebens eng verbunden blieb. Nun hörte er
Eduard Spranger und wieder Krüger, der inzwischen nach Tübingen gewechselt
hatte. Doch entscheidend war seine Begegnung mit Paul Kluckhohn und Hugo
Kuhn. 1948 wurde er bei Kluckhohn mit einer Arbeit über das „Bild des Menschen
bei Theodor Fontane“ promoviert. Die Habilitation folgte 1956 mit seinem wirk-
mächtigen, zweimal neuaufgelegten Realismusbuch „Wirklichkeit und Illusion“. Da
man sich damals bei einer Habilitation in Deutscher Literaturwissenschaft noch für
das ganze Fach ausweisen mußte, legte er gleichzeitig eine Studie zu Wittenwilers
„Ring“ vor, die auch heute, nach einer Welle von Wittenwiler-Interpretationen,
noch immer lesenswert ist.
1959 erhält Brinkmann gleichzeitig Rufe auf die germanistischen Lehrstühle
von Tübingen und München; er entscheidet sich für Tübingen, und er bleibt dieser
Universität treu, trotz der Rufe nach Würzburg, Göttingen und erneut nach Mün-
chen, sowie an eine Reihe amerikanischer Universitäten: Austin/Texas, Columbia/
New York, Bloomington/Indiana. Ein Ruf nach Berkeley/Californien führte zu
einem Split Appointment, das es ihm erlaubte, dort jedes vierte Semester als Full Pro-
fessor zu lehren, während man in Tübingen eine Vertretung bestellte.
Die wissenschaftlichen Interessen bleiben breit ausgerichtet; es entstehen Stu-
dien zur Aufklärung, zur Romantik, zum Realismus, zur frühen Moderne mit der
großen kritischen Bestandsaufnahme der Expressionismusforschung („Expressionis-
mus. Internationale Forschung zu einem internationalen Phänomen“, 1980). Eine
Auswahl seiner prägnantesten Essays hat er 1982 unter dem Titel „Wirklichkeiten“
in einem gediegenen Oktavband vorgelegt.
Auch als Herausgeber greift Brinkmann ins wissenschaftliche Gespräch em.
Fontane steht im Vordergrund („Theodor Fontane“, hg. von R. B. in Zusammen-
arbeit mit Waltraud Wiethölter, 1973, 21977 — neben Einzeleditionen). Dazu kom-
men Sammelbände und Tagungspublikationen. 1960 wird er Mitherausgeber der
„Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte“, und
er gibt dieser Zeitschrift zusammen mit Hugo Kuhn ihr neues Gepräge, das ihr zu
ihrem überragenden, interdisziplinären Renommee verhilft; bis zu seinem Tod hat er
42 Jahrgänge mitbetreut. Er war überdies Mitherausgeber der Reihe „Studien zur
deutschen Literatur“ und der „Blaubeurer Symposien“.
Unermüdlich und mit gewissenhafter Verantwortung hat sich Brinkmann
gleichzeitig Fachorganisationen zur Verfügung gestellt. 1972—1984 ist er Mitglied der
Senatskommission für germanistische Forschung der DFG; 1976—1980 fungiert er als
ihr Vorsitzender. 1975—1980 ist er Vizepräsident der Internationalen Vereinigung für
Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft. 1982 wird er in den Auswahl-
ausschuß der Alexander von Humboldt-Stiftung berufen. Die Reisen im Zusam-