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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Zimmermann, Bernhard: Mosaiksteinchen der Literaturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0047
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Bernhard Zimmermann

Euripides (2 Bände, ed. Richard Kannicht, Göttingen 2004), der nach 386 v. Ohr.,
nachdem die Wiederaufführung „alter Tragödien“ zugelassen wurde, nicht nur
die Theater, sondern auch den Lehrplan beim sog. Grammatiker - heute wür-
den wir vom gymnasialen Literaturunterricht sprechen - bestimmte, sind so viele
Bruchstücke und Hypotheseis (Inhaltsangaben) auf Papyri erhalten, dass wir mit
Fug und Recht behaupten können, diesen Tragiker wirklich gut zu kennen.
Dass auf dem Weg der „indirekten Überlieferung“, d. h. der Überlieferung
durch Zitate einzelner Wörter, einzelner Verse oder Verstelle oder bisweilen auch
längerer Partien, die Komödie besser repräsentiert ist als die tragische Schwes-
tergattung, hängt in erster Linie damit zusammen, dass einer der wichtigsten
aus der griechischen Komödie zitierenden Autoren Athenaios aus Naukratis
(2./3. Jahrhundert n. Chr.) ist, der in seinem umfangreichen Werk, den Deip-
nosophisten („Gelehrte beim Mahle“) all das, was ein gepflegtes Mahl ausmacht
und umrahmt, diskutiert und glücklicherweise großzügig mit Zitaten aus der
griechischen Literatur zu belegen pflegt. Alle Arten von Speisen und Getränken,
aber auch der Ablauf eines Gelages und das Personal sowie Musik und Tanz,
das Geschirr, auf dem das Essen serviert, und die Gefäße, aus denen getrunken
wird, werden ausführlich vorgestellt. Und da, wie ein Blick in die erhaltenen
Komödien des Aristophanes (ca. 450-385) und Menander (ca. 342-290) deut-
lich macht, Essen und Trinken zu den beliebten Sujets der attischen Komödie
gehören, werden die Komikertexte von Athenaios in besonderer Weise für seine
Darstellung verwertet.
Ein weiterer Grund dafür, dass griechische Autoren seit dem Hellenismus
bis in die byzantinische Zeit hinein reichhaltig aus Komödientexten zitieren, ist
in einer Besonderheit des antiken Bildungssystems zu suchen. In der römischen
Kaiserzeit, in der Griechenland seine politische Bedeutung eingebüßt hatte, orien-
tierten sich die Schulmeister an den Autoren der Glanzzeit griechischer Kultur des
5. und 4. Jahrhunderts v Chr. (sog. Attizismus). Diesem Unterrichtskonzept hat
es Aristophanes, dessen Stücke stark zeitgebunden sind und ihren Witz aus den
politischen Umständen der Aufführungszeit ziehen, zu verdanken, dass er immer-
hin in elf vollständigen Komödien und zahlreichen Fragmenten erhalten ist. Man
meinte, aus den Stücken des Aristophanes das im ausgehenden 5. Jahrhundert
v. Chr. gesprochene Griechisch lernen zu können. Da die komische Kunstsprache
des Aristophanes, die in dieser Form nie die Alltagssprache der Athener war, und
all die Anspielungen auf historische Ereignisse und Personen, die sich in seinen
Komödien finden, ausführlicher Erklärungen bedürfen, wurden Aristophanes und
die anderen Komödienautoren des 5. Jahrhunderts v. Chr. in den „Schulausgaben“
mit Wort- („Glossen“) und Sacherklärungen („Scholien“) versehen, und diese
Kommentare wurden häufig mit Stellen aus anderen, heute nicht mehr erhaltenen
Komödiendichtern ergänzt. Der Wortschatz der Komödien, der einem Leser der
Spätantike oder der byzantinischen Zeit nicht immer - vor allem aufgrund der

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