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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Zimmermann, Bernhard: Mosaiksteinchen der Literaturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0050
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II. Wissenschaftliche Vorträge

Schafexkrementen gehen.“ - Fr. 44 „Und ich werde Sardellen vom Pontos in Kör-
ben bringen.“ - Fr. 45 „Und der Idiot läuft herum und schreit wie ein Schaf »mäh,
mäh«“. - Fr. 49 „Gänsezüchter, Rinderhirten“. - Fr. 50 „ein Buchsbaumbett“.
Anhand dieses Materials lassen sich folgende Hinweise gewinnen: Der Titel
des Stücks Dionysalexandros veiweist auf einen Typus der attischen Komödie, der
sich auch bei anderen Autoren nachweisen lässt: Eine Person A nimmt die Rolle
oder Identität einer Person B an, was zu komischen Verwechslungen führt (vgl.
den Amphitryon-Stoff). In diesem Fall nimmt der Gott des Theaters, des Weines
und des Rausches, Dionysos, die Identität des trojanischen Prinzen Paris an, der
die spartanische Königin Helena entführte und damit den trojanischen Krieg aus-
löste. Dass wir uns in einem dionysischen Kontext befinden, wird durch Fragment
40 nahegelegt: Thyrsosstab und Weinkrug sind eindeutig als Requisiten des Gottes
und seiner Anhänger nachweisbar. Da Paris/Alexandros im Titel erscheint, muss
die Handlung der Komödie zur Zeit des Trojanischen Kriegs spielen. Wir haben
also eine Komödie vor uns, die sich ähnlich wie die Tragödie der homerischen My-
then bedient - eine Form, die unter den erhaltenen Stücken des Aristophanes nicht
belegt ist. Die Fragmente 39, 43, 45, 48 und 49 haben mit einem Bankett, einer
Feierlichkeit zu tun, die Fragmente 42 und 50 mit Luxus; außerdem implizieren
die Fragmente 39, 43, 45, 48 und 49 ein bukolisches Ambiente, wie wir es aus dem
Satyrspiel kennen (z. B. Euripides, Kyklops').
Diese zugegebenermaßen noch nicht sehr aufschlussreichen Informationen
erhalten eine grundlegende Ergänzung auf einem von B. P Grenfell undA. S. Hunt
1904 publizierten Papyrus (POxy 663), der einen Teil der Hypothesis („Inhaltsan-
gabe“) des Dionysalexandros enthält. Der Text, der leider nicht vollständig erhalten
ist, setzt kurz vor der „Parabase“ ein, jener Bauform der Komödien des 5. Jahr-
hunderts, in der der Chor bei leerer Bühne sich direkt an das Publikum wendet
und in metapoetologischer Form über den Autor und die komische Muse spricht
und sich in einer Art von agonalem Dialog über andere Dichter äußert. Es gab - so
erfahren wir aus der Hypothesis - eine Diskussion zwischen Hermes und wohl
Dionysos über eine Entscheidung im Schönheitsstreit der drei Göttinnen Hera,
Athena und Aphrodite („Parisurteil“). Dionysos, bezaubert von der Schönheit der
Göttinnen und von der Aussicht, sie nackt sehen zu können, verlockt, scheint Her-
mes überzeugt zu haben, in der Rolle des Alexandros/Paris, dem eigentlich nach
dem Mythos diese Aufgabe zufiel, das Urteil fällen zu dürfen. Wir können also von
einer komischen „Mythenkorrektur“ sprechen, die Kratinos vornahm. Die drei
Göttinnen erscheinen: Hera verspricht dauerhafte Herrschaft, Athena beherzten
Mut im Krieg und Aphrodite größte Schönheit und Attraktivität. Dionysos verleiht
Aphrodite den Sieg, segelt kurzerhand nach Sparta, kommt mit Helena zurück
- der Zeitsprung muss durch ein Chorlied überbrückt worden sein - und hört
kurz danach, dass die Griechen (Achäer) auf der Suche nach Helena und ihrem
Entführer bereits in der Troas angekommen seien und das Land brandschatzten.

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