II. Wissenschaftliche Vorträge
mentieren, dass die universelle Gleichheit aller Menschen impliziert, dass die Erde
und ihre Früchte der Menschheit als gemeinschaftliches Erbe gegeben sind. Die
aktuellen Stellungnahmen des Papstes in der Flüchtlingskrise zeugen von dieser
Position, wenn Franziskus etwa betont, dass „die gerechte Verteilung der Früchte
der Erde und der menschlichen Arbeit[...] nicht nur Philanthropie sondern eine
moralische Pflicht (ist)“.13
Menschenrechtliche, gerechtigkeitstheoretische und auch religiöse Auf-
fangpositionen bilden also heute den moralphilosophischen Hintergrund in der
Flüchtlingsdebatte. Die Forderungen reichen von dem Ruf nach offenen Grenzen
aufgrund eines Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit über die Zurverfügung-
stellung umfassender Leistungen in den Flüchtlingslagern an den Rändern der
Bürgerkriegsgebiete bis zu Forderungen nach einem grundlegend anderen Weltsi-
cherheits- und Weltwirtschaftssystem.
Peter Graf Kielmansegg hat in einem kontrovers aufgenommenen Artikel, in
dem er auf Navid Kermani geantwortet hat, zwar den Aufschrei anerkannt, den das
Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer auslöst, aber zugleich auch gesagt, dass der
„Aufschrei moralischer Empörung über Europas Versagen angesichts der Flücht-
lingstragödie (...) als Empörungsschrei nur möglich ist, weil er es sich erspart, zu
Ende zu denken, was zu Ende gedacht werden muss“ und er kennzeichnet diese
Position als Gesinnungsethik.14 Was ist damit gemeint?
Das gesinnungsethische Moment kann darin ausgemacht werden, dass die
unter Umständen politisch problematischen Folgen der moralischen Folgerun-
gen nicht miteinbezogen und gewichtet werden.15 Vielmehr wird das ausreichende
Vorhandensein von Ressourcen - an ökonomischen Ressourcen, an Solidarres-
sourcen gegenüber Nicht-Staatsangehörigen, an Infrastrukturleistungen und so
weiter - schlicht unterstellt, um eine Politik offener Grenzen zu rechtfertigen und
eine Sichtweise der Legitimität von Grenzen mit einem Rassismus-Vorwurf ge-
kontert. Das hat dann in der Tat ein gesinnungsethisches Moment: Moral trumpft
so einfach nur gegenüber Politik auf. Aber auf der anderen Seite muss der mora-
lische Geltungsanspruch der Menschenrechte doch auch politisch für den demo-
kratischen Verfassungsstaat bedeutungsvoll sein. Denn so wie es für diesen eine
„Grammatik der Freiheit“ gibt,16 so sind Menschenrechte und die sie begründende
Menschenwürde so etwas wie die gemeinsame Sprache der Menschheit. Diese
13 Papst Franziskus, Rede zur Verleihung des Karlspreises in Aachen am 06.05.2016 (http://
w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/may/documents/papa-francesco_2016
0506_premio-carlo-magno.html).
14 Peter Graf Kielmansegg: Was die Empörung ignoriert, in: FAZ v. 29.04.2015.
15 Vgl. ausführlich zur Kritik der gesinnungsethischen Grundhaltung vieler migrationsethi-
scher Beiträge Konrad Ott: Zuwanderung und Moral, Stuttgart 2016.
16 Peter Graf Kielmansegg: Grammatik der Freiheit. Acht Versuche über den demokratischen
Verfassungsstaat, Baden-Baden 2013.
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mentieren, dass die universelle Gleichheit aller Menschen impliziert, dass die Erde
und ihre Früchte der Menschheit als gemeinschaftliches Erbe gegeben sind. Die
aktuellen Stellungnahmen des Papstes in der Flüchtlingskrise zeugen von dieser
Position, wenn Franziskus etwa betont, dass „die gerechte Verteilung der Früchte
der Erde und der menschlichen Arbeit[...] nicht nur Philanthropie sondern eine
moralische Pflicht (ist)“.13
Menschenrechtliche, gerechtigkeitstheoretische und auch religiöse Auf-
fangpositionen bilden also heute den moralphilosophischen Hintergrund in der
Flüchtlingsdebatte. Die Forderungen reichen von dem Ruf nach offenen Grenzen
aufgrund eines Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit über die Zurverfügung-
stellung umfassender Leistungen in den Flüchtlingslagern an den Rändern der
Bürgerkriegsgebiete bis zu Forderungen nach einem grundlegend anderen Weltsi-
cherheits- und Weltwirtschaftssystem.
Peter Graf Kielmansegg hat in einem kontrovers aufgenommenen Artikel, in
dem er auf Navid Kermani geantwortet hat, zwar den Aufschrei anerkannt, den das
Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer auslöst, aber zugleich auch gesagt, dass der
„Aufschrei moralischer Empörung über Europas Versagen angesichts der Flücht-
lingstragödie (...) als Empörungsschrei nur möglich ist, weil er es sich erspart, zu
Ende zu denken, was zu Ende gedacht werden muss“ und er kennzeichnet diese
Position als Gesinnungsethik.14 Was ist damit gemeint?
Das gesinnungsethische Moment kann darin ausgemacht werden, dass die
unter Umständen politisch problematischen Folgen der moralischen Folgerun-
gen nicht miteinbezogen und gewichtet werden.15 Vielmehr wird das ausreichende
Vorhandensein von Ressourcen - an ökonomischen Ressourcen, an Solidarres-
sourcen gegenüber Nicht-Staatsangehörigen, an Infrastrukturleistungen und so
weiter - schlicht unterstellt, um eine Politik offener Grenzen zu rechtfertigen und
eine Sichtweise der Legitimität von Grenzen mit einem Rassismus-Vorwurf ge-
kontert. Das hat dann in der Tat ein gesinnungsethisches Moment: Moral trumpft
so einfach nur gegenüber Politik auf. Aber auf der anderen Seite muss der mora-
lische Geltungsanspruch der Menschenrechte doch auch politisch für den demo-
kratischen Verfassungsstaat bedeutungsvoll sein. Denn so wie es für diesen eine
„Grammatik der Freiheit“ gibt,16 so sind Menschenrechte und die sie begründende
Menschenwürde so etwas wie die gemeinsame Sprache der Menschheit. Diese
13 Papst Franziskus, Rede zur Verleihung des Karlspreises in Aachen am 06.05.2016 (http://
w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/may/documents/papa-francesco_2016
0506_premio-carlo-magno.html).
14 Peter Graf Kielmansegg: Was die Empörung ignoriert, in: FAZ v. 29.04.2015.
15 Vgl. ausführlich zur Kritik der gesinnungsethischen Grundhaltung vieler migrationsethi-
scher Beiträge Konrad Ott: Zuwanderung und Moral, Stuttgart 2016.
16 Peter Graf Kielmansegg: Grammatik der Freiheit. Acht Versuche über den demokratischen
Verfassungsstaat, Baden-Baden 2013.
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