II. Wissenschaftliche Vorträge
gen befugt sei, müsse rechenschaftspflichtig sein und sich verantworten. Deshalb
soll politische Herrschaft in der Demokratie als anvertraute Vollmacht - eben als
trust - verstanden und ausgeübt werden, die in Ämtern verfasst ist.18 In Anlehnung
an Kant formuliert Graf Kielmansgeg den Grundsatz, ein Staat sei dann legitim,
wenn er „die Menschheit in jeder einzelnen Person als Zweck und nicht bloß als
Mittel“ behandelt.19 Und dies könne noch am ehesten erreicht werden, wenn ne-
ben der Teilhabe an Herrschaft auch Schutz vor Herrschaft und bestimmte „Leis-
tungen“ von Herrschaft gewährleistet seien. Am Ende meldet Graf Kielmansegg
grundsätzlich Zweifel daran, dass es überhaupt sinnvoll sein könnte, eine „Theorie
demokratischer Legitimität im Sinne eines geschlossenen, streng gefügten, mög-
lichst deduktiv aufgebauten Aussagensystems“ anzustreben; er vermutet vielmehr,
der „vorsichtige Weg des einfachen Sammelns von Gesichtspunkten und Argu-
menten“ könnte dem Gegenstand „Politik“ weit angemessener sein, um Vereinfa-
chungen und Gewaltsamkeiten zu vermeiden.20
Die Habilitationsschrift Graf Kielmanseggs wurde mit großem Lob be-
dacht. Dolf Sternberger sah in der ebenso kühnen wie gründlichen Studie den
„bedeutendsten Beitrag“ zur Legitimitätstheorie der neueren Zeit.21 Mit seiner
scharfsinnigen Untersuchung des Verhältnisses von Demokratie und Souveräni-
tät habe Graf Kielmansegg die „hergebrachte Rousseausche und rousseauistische
Begründung der demokratischen Legitimität auf die fiktive Homogenität des
Volkes und seines Willens“ außer Kraft gesetzt. Iring Fetscher schrieb am Ende
seiner längeren Besprechung im Merkur, auch die Anhänger eines demokrati-
schen Sozialismus könnten an dieser verdienstvollen Arbeit nicht vorbeigehen.22
Ich habe das jedenfalls als Kompliment verstanden. Karl Dietrich Bracher stell-
te 1983 fest, Graf Kielmansegg habe „behutsam und doch schlagend“ die rous-
seauistischen und neo-marxistischen Tendenzen eines radikalen, ja totalitären
Demokratieverständnisses widerlegt, die seit Ende der sechzigerJahre eine ver-
nünftige theoretische Diskussion in Deutschland „ernsthaft bedroht“ hätten.23
Tine Stein hat 2007 die Habilitationsschrift Graf Kielmanseggs als „Schlüssel-
werk der Politikwissenschaft“ mit den Worten gewürdigt, ihm gelinge es, „den
Leser gewissermaßen von Rousseau zu befreien“, indem er die Unzulänglichkeit
18 Ebd., S. 244.
19 Ebd., S. 258.
20 Ebd., S. 256.
21 Sternberger, Dolf, 1986: Grund und Abgrund der Macht. Über Legitimität von Regierungen,
Frankfurt am Main, Insel, S. 390.
22 Fetscher, Iring, 1977: Wie läßt sich die moderne Demokratie legitimieren?, in: Merkur,
31. Jahrgang, Heft 12, S. 1119-1203.
23 Bracher, Karl Dietrich, 1984: Laudatio auf Peter Graf Kielmansegg, in: Deutsche Akademie
für Sprache und Dichtung, Jahrbuch 1983, Zweite Lieferung, Heidelberg, Lambert Schnei-
der, S. 81-85, hier S. 82.
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gen befugt sei, müsse rechenschaftspflichtig sein und sich verantworten. Deshalb
soll politische Herrschaft in der Demokratie als anvertraute Vollmacht - eben als
trust - verstanden und ausgeübt werden, die in Ämtern verfasst ist.18 In Anlehnung
an Kant formuliert Graf Kielmansgeg den Grundsatz, ein Staat sei dann legitim,
wenn er „die Menschheit in jeder einzelnen Person als Zweck und nicht bloß als
Mittel“ behandelt.19 Und dies könne noch am ehesten erreicht werden, wenn ne-
ben der Teilhabe an Herrschaft auch Schutz vor Herrschaft und bestimmte „Leis-
tungen“ von Herrschaft gewährleistet seien. Am Ende meldet Graf Kielmansegg
grundsätzlich Zweifel daran, dass es überhaupt sinnvoll sein könnte, eine „Theorie
demokratischer Legitimität im Sinne eines geschlossenen, streng gefügten, mög-
lichst deduktiv aufgebauten Aussagensystems“ anzustreben; er vermutet vielmehr,
der „vorsichtige Weg des einfachen Sammelns von Gesichtspunkten und Argu-
menten“ könnte dem Gegenstand „Politik“ weit angemessener sein, um Vereinfa-
chungen und Gewaltsamkeiten zu vermeiden.20
Die Habilitationsschrift Graf Kielmanseggs wurde mit großem Lob be-
dacht. Dolf Sternberger sah in der ebenso kühnen wie gründlichen Studie den
„bedeutendsten Beitrag“ zur Legitimitätstheorie der neueren Zeit.21 Mit seiner
scharfsinnigen Untersuchung des Verhältnisses von Demokratie und Souveräni-
tät habe Graf Kielmansegg die „hergebrachte Rousseausche und rousseauistische
Begründung der demokratischen Legitimität auf die fiktive Homogenität des
Volkes und seines Willens“ außer Kraft gesetzt. Iring Fetscher schrieb am Ende
seiner längeren Besprechung im Merkur, auch die Anhänger eines demokrati-
schen Sozialismus könnten an dieser verdienstvollen Arbeit nicht vorbeigehen.22
Ich habe das jedenfalls als Kompliment verstanden. Karl Dietrich Bracher stell-
te 1983 fest, Graf Kielmansegg habe „behutsam und doch schlagend“ die rous-
seauistischen und neo-marxistischen Tendenzen eines radikalen, ja totalitären
Demokratieverständnisses widerlegt, die seit Ende der sechzigerJahre eine ver-
nünftige theoretische Diskussion in Deutschland „ernsthaft bedroht“ hätten.23
Tine Stein hat 2007 die Habilitationsschrift Graf Kielmanseggs als „Schlüssel-
werk der Politikwissenschaft“ mit den Worten gewürdigt, ihm gelinge es, „den
Leser gewissermaßen von Rousseau zu befreien“, indem er die Unzulänglichkeit
18 Ebd., S. 244.
19 Ebd., S. 258.
20 Ebd., S. 256.
21 Sternberger, Dolf, 1986: Grund und Abgrund der Macht. Über Legitimität von Regierungen,
Frankfurt am Main, Insel, S. 390.
22 Fetscher, Iring, 1977: Wie läßt sich die moderne Demokratie legitimieren?, in: Merkur,
31. Jahrgang, Heft 12, S. 1119-1203.
23 Bracher, Karl Dietrich, 1984: Laudatio auf Peter Graf Kielmansegg, in: Deutsche Akademie
für Sprache und Dichtung, Jahrbuch 1983, Zweite Lieferung, Heidelberg, Lambert Schnei-
der, S. 81-85, hier S. 82.
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