III. Veranstaltungen
aufgegriffen und zu einem Bild der großen Geister ausgemalt, zu denen er sich
selbst zählte. Seine elitäre Idee des Geistergesprächs verbindet sich mit einem
klaren Nein zur Öffentlichkeit:
„ein Riese ruft dem andern durch die öden Zwischenräume der Zeiten zu,
und ungestört durch mutwilliges lärmendes Gezwerge, welches unter ihnen weg-
kriecht, setzt sich das hohe Geistergespräch fort.“8
Das Geisterreich, so vermutete Arendt, wird es so lange geben, wie es Men-
schen auf der Erde gibt. Jaspers und sie konnten sich allerdings nicht vorstellen,
dass sich dieses Geisterreich innerhalb eines halben Jahrhunderts so dramatisch
verändern würde. Wie, so möchte ich abschließend fragen, wandeln sich Öffent-
lichkeit und Gedächtnis im Zeitalter von Internet und Smartphone? Hören wir
uns noch einmal Hannah Arendts Beschreibung des Geisterreichs der res publica
litteraria an. Dieses Reich ist
„nicht zu fixieren und zu organisieren, es reicht in alle Länder der Erde und
in alle ihre Vergangenheiten; und obwohl es weltlich ist, ist es unsichtbar. Es ist
das Reich der humanitas, zu dem jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ur-
sprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich, denn sie sind dann wie Fun-
ken, aufglimmend zu hellerem Leuchten, verschwindend bis zur Unsichtbarkeit,
wechselnd in ständiger Bewegung.“9
Kommunikation im Bild von Funken, die aufglimmen und wieder ver-
schwinden - man könnte meinen, Arendt spricht bereits über das Internet! Wie
das Internet hatte ja auch der Buchdruck neue Formen der Kommunikation, der
selbstgewählten Vernetzung und der virtuellen Vergesellschaftung geschaffen. Fol-
gendes schrieb Petrarca in einem Brief an seinen verehrten Livius: „Ich bin Dir
vielen Dank dafür schuldig, dass Du mich in so gute Gesellschaft bringst. Wenn ich
Dich lese, so glaub ich mit dem Brutus, dem Kurins, dem Fabricius, dem Kamil-
lus, dem Fabius, dem Regulus, dem Decius, dem Valerius, den Scipionen usw. zu
leben, und nicht mit den Bösewichtern, mitten unter denen mein unglücklicher
Stern mich hat geboren werden lassen.“
Das Internet hat den alten Traum vom Geistergespräch weiter entwickelt,
aber es bestehen auch gravierende Unterschiede zwischen „Bibliosphäre“ und
„Infosphäre“, wie ich die beiden Medienwelten nenne möchte. Hier nur einige
Beispiele:
- erstens: im Druckzeitalter geschah die Vernetzung nicht nur über räumliche,
sondern aufgrund der Langzeitstabilität der Datenträger auch über zeitliche Di-
stanzen hinweg. Die digitale Kommunikation erlaubt ein spontanes Zurück-
schreiben und direkte Interaktion in Echtzeit, doch diese Geschwindigkeit und
Flüchtigkeit geht auf Kosten ihrer Nachhaltigkeit.
8 Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hg. v. Karl Schlechta, München 1962, Bd. I, 270.
9 Hannah Arendt, 1958, Friedenspreis Reden I, S. 203.
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aufgegriffen und zu einem Bild der großen Geister ausgemalt, zu denen er sich
selbst zählte. Seine elitäre Idee des Geistergesprächs verbindet sich mit einem
klaren Nein zur Öffentlichkeit:
„ein Riese ruft dem andern durch die öden Zwischenräume der Zeiten zu,
und ungestört durch mutwilliges lärmendes Gezwerge, welches unter ihnen weg-
kriecht, setzt sich das hohe Geistergespräch fort.“8
Das Geisterreich, so vermutete Arendt, wird es so lange geben, wie es Men-
schen auf der Erde gibt. Jaspers und sie konnten sich allerdings nicht vorstellen,
dass sich dieses Geisterreich innerhalb eines halben Jahrhunderts so dramatisch
verändern würde. Wie, so möchte ich abschließend fragen, wandeln sich Öffent-
lichkeit und Gedächtnis im Zeitalter von Internet und Smartphone? Hören wir
uns noch einmal Hannah Arendts Beschreibung des Geisterreichs der res publica
litteraria an. Dieses Reich ist
„nicht zu fixieren und zu organisieren, es reicht in alle Länder der Erde und
in alle ihre Vergangenheiten; und obwohl es weltlich ist, ist es unsichtbar. Es ist
das Reich der humanitas, zu dem jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ur-
sprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich, denn sie sind dann wie Fun-
ken, aufglimmend zu hellerem Leuchten, verschwindend bis zur Unsichtbarkeit,
wechselnd in ständiger Bewegung.“9
Kommunikation im Bild von Funken, die aufglimmen und wieder ver-
schwinden - man könnte meinen, Arendt spricht bereits über das Internet! Wie
das Internet hatte ja auch der Buchdruck neue Formen der Kommunikation, der
selbstgewählten Vernetzung und der virtuellen Vergesellschaftung geschaffen. Fol-
gendes schrieb Petrarca in einem Brief an seinen verehrten Livius: „Ich bin Dir
vielen Dank dafür schuldig, dass Du mich in so gute Gesellschaft bringst. Wenn ich
Dich lese, so glaub ich mit dem Brutus, dem Kurins, dem Fabricius, dem Kamil-
lus, dem Fabius, dem Regulus, dem Decius, dem Valerius, den Scipionen usw. zu
leben, und nicht mit den Bösewichtern, mitten unter denen mein unglücklicher
Stern mich hat geboren werden lassen.“
Das Internet hat den alten Traum vom Geistergespräch weiter entwickelt,
aber es bestehen auch gravierende Unterschiede zwischen „Bibliosphäre“ und
„Infosphäre“, wie ich die beiden Medienwelten nenne möchte. Hier nur einige
Beispiele:
- erstens: im Druckzeitalter geschah die Vernetzung nicht nur über räumliche,
sondern aufgrund der Langzeitstabilität der Datenträger auch über zeitliche Di-
stanzen hinweg. Die digitale Kommunikation erlaubt ein spontanes Zurück-
schreiben und direkte Interaktion in Echtzeit, doch diese Geschwindigkeit und
Flüchtigkeit geht auf Kosten ihrer Nachhaltigkeit.
8 Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hg. v. Karl Schlechta, München 1962, Bd. I, 270.
9 Hannah Arendt, 1958, Friedenspreis Reden I, S. 203.
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