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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Haidle, Miriam N.: KULT-UR-MENSCH. Kulturkonzepte für die Erforschung der Menschwerdung: Tagung der Forschungsstelle „The Role of Culture in Early Expansions of Humans“ (ROCEEH) vom 23. bis 25.November 2017
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0164
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III. Veranstaltungen

Tübingen) sowie ihrer gemeinschaftlichen Organisation in Versorgungssystemen
(Engelbert Schramm, Frankfurt/Main).
Im dritten Block wurden die ROCEEH-Thesen aus kulturtheoretischen Per-
spektiven kritisch betrachtet. So sollten Menschen nicht nur als sich geschichtlich
entwickelnde Wesen, sondern als sich selbst aus ihrer Geschichte Erfahrende be-
trachtet werden (Mathias Gutmann, Karlsruhe). Dies wirft dann die Frage auf,
wann und wie Urmenschen anfingen, geschichtlich zu sein. Sowohl begriffliche
als auch methodische Probleme zeigte Martin Langanke (Greifswald) bei Kon-
tinuitätsgeschichten von vorkulturellen Naturwesen zu Kulturwesen auf Maria
Kronfeldner (Budapest) hob die deskriptive und explanatorische Kraft der Un-
terscheidung von Natur und Kultur aufgrund kausaler Muster hervor. In einem
integrativen Ansatz aus dem Bereich der Philosophischen Anthropologie bzw. des
Pragmatismus verwies Matthias Jung (Koblenz) auf die Verschränkung der kul-
turellen Handlungsdimension mit der Entwicklung der Symboldimension. Au-
ßerdem verknüpfte Frank Duerr (Tübingen) aus der Perspektive der Rhetorik die
kulturelle Evolution mit Persuasion als Beeinflussung der Entscheidung anderer.
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive beschrieb Davor Löffler (Berlin) Kultur-
evolution als Veränderung von sozialen Realitäten.
In der ausführlichen abschließenden Diskussion wurden die verschiedenen
bei der Tagung vorgestellten Perspektiven umfangreich und zum Teil recht kon-
trovers diskutiert. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde der Aspekt der Kultur-
entwicklung durch Generation von Sinnzuweisungen aus Handlungen heraus
aufgegriffen. Viele Dinge und die mit ihnen einhergehenden Möglichkeiten und
Beschränkungen wurden und werden erst durch den Umgang mit ihnen erklä-
rungsbedürftig und nachvollziehend verstanden. In einer analytischen Betrach-
tung lassen sich Natur und Kultur, Biologie und Kulturwissenschaft zwar trennen.
Mit seinem weiten Forschungsrahmen zwischen 3 Millionen und 20.000 Jahren
vor heute erforscht ROCEEH jedoch die unscharfen entwicklungsgeschichtlichen
Übergänge. In der Betrachtung von Handlungs- und Versorgungsaspekten sowie
der Ausbildung kultureller Bedeutung durch Handlung löst sich die scharfe Tren-
nung auf. Diese Ansätze und die Untersuchung von Aspekten der materiellen und
Ressourcenkulturen bieten die Möglichkeit für interkulturelle Vergleiche auch mit
nichtschriftlichen oder nicht anderweitig sprachlich erfassten Kulturen. Es wurde
bei der Tagung deutlich, dass es für interdisziplinäre Diskussionen über die For-
schungsfragen von ROCEEH zur Entwicklung und Rolle der Kultur bei frühen
menschlichen Expansionen unabdingbar ist, sich mit der Frage nach den Menschen
statt dem Menschen zu beschäftigen, und somit die weiten zeitlichen Dimensionen
und die verschiedenen Arten von Menschen in diesen Zeiträumen hervorzuhe-
ben. Gestaltungsfähigkeit und Bedeutungsgebung zeigen sich nicht erst in Kunst
und Musik, sondern auch in frühesten, zu einem Zweck hergestellten Werkzeu-
gen. Weder Gestaltungsfähigkeit noch irgendein anderes Kriterium reichen aber

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