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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Visbeck, Martin: Wie viel Ozean braucht der Mensch – wie viel Mensch verträgt der Ozean?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0167
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Akademievorlesung: „Wie viel Ozean braucht der Mensch?'

kerung. Überwiegend über Flüsse gelangen Abwässer, Chemikalien, Nährstoffe
aus Überdüngung und Müll in die Küstenmeere und später in den offenen Oze-
an. Schutz und Nutzung scheinen zunehmend aus dem Gleichgewicht zu laufen
und bedürfen einer neuen Ausrichtung wie sie in den Nachhaltigkeitszielen der
2030 Agenda der Vereinten Nationen, insbesondere im Ozean-Ziel (Sustainable
Development Goal (SDG) 14) gefordert werden. Hoffnung macht das zunehmende
Interesse am Ozean und an den Küsten in politischen Dialogen und den damit
verbundenen Schutzforderungen. Wie können wir das Weltmeer schützen und als
funktionierendes Ökosystem erhalten, aber auch zukünftig von seinen Ressourcen
und Leistungen profitieren? Diese Frage ist eine gesamtgesellschaftliche, die das
Engagement von Mitgliedern der Wissenschaft, Politik und Industrie, als auch der
zivilen Bevölkerung fordert, sich gemeinschaftlich der Herausforderung zu stel-
len. Mehr denn je ist die Wissenschaft gefragt, lösungsorientiert zu forschen und
der Gesellschaft Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Die Rolle des Ozeans im Klimawandel
In den vergangenen 100 Jahren hat der Ozean ein Drittel des von Menschen in die
Atmosphäre abgegebenen Kohlendioxids aufgenommen. Allerdings ist diese Puf-
ferleistung begrenzt, denn höhere Wassertemperaturen des Ozeans und/oder die
Verringerung der Umwälzbewegung der Ozeanströmungen haben eine Verringe-
rung der Gasaufnahmekapazität des Ozeans zur Folge. Zudem ist die Aufnahme
von Kohlendioxid nicht folgenlos, da zusätzlich im Ozean gelöstes Kohlendioxid
als Kohlensäure den Säure-Base-Haushalt in Schieflage bringt und zur Versaue-
rung führt. Dies hat unvollständig verstandene aber potentiell weitreichende Ef-
fekte auf Nahrungsketten und Artenvielfalt. Die Forschung über die Folgen der
Versauerung zeigt zwar, dass nicht alle Organismen im Meer empfindlich reagie-
ren, allerdings erwarten die Experten eine Verschiebung der Ökosysteme. Viele
kalkbildcnde Organismen wie Korallen, Muscheln, Seeigel oder Schnecken, die
zum Teil wichtige Nahrung für Fische und Wale sind, werden geschädigt. Studi-
en zeigen auch, dass marine Lebewesen in frühen Lebensstadien, wie zum Bei-
spiel die Fischlarven, empfindlich auf einen sinkenden pH-Wert reagieren. Es ist
ungewiss, ob ein neu eingestelltes Ökosystem die gleichen Mengen an Nahrung
liefern kann. Die Erforschung der Reaktion von Arten und Ökosystemen auf den
steigenden Kohlendioxid-Gehalt und die Meereserwärmung im Ozean bleibt eine
komplexe Herausforderung für die Wissenschaft.
Eine weitere folgenreiche Konsequenz der globalen Erwärmung ist der
Meeresspiegelanstieg. Der Ozean absorbiert 90 Prozent der zusätzlichen Wärme
durch die veränderte Strahlungsbilanz der Atmosphäre und das dadurch erwärm-
te Wasser dehnt sich aus. Das führt, zusammen mit dem zunehmenden Schmelz-
wassereintrag der Gletscher und Eisschilde zu einem deutlichen Anstieg des

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