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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Franz, Gunther [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0058
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3. Vermahnungen und Grebete 1544-1550

von deiner strengen gerechtigkeit zu deiner grossen
barmhertzigkeit und bitte dich gantz demütiglicb, du
wöllest disen meinen alten Adam noch lenger lassen
uberbleiben und aufrichtig 28 sein und leben lassen,
nit zur sünden, sondern zum guten, auf das ich mei-
nen stand und ampt noch lenger möge nach deinem
gefallen verwalten und mir meine gesundheit, frid,
gmach und narung verleihen. Wöllest also hierinnen
fürnehmlich ansehen deinen eingebornen son, welcher
auf seinem gebenedeiten, zarten angesicht am Olberg
gelegen ist, alda für mich armen sünder blutigen
schweiß geschwitzt und verröret 29, todt und marter
von meinetwegen erlitten hat. Umb desselbigen wol-
gefelligen, gehorsamen, demütigen niderfallens willen
wöllest dir auch dises ellende, sündliche niderfallen
wol lassen gefallen und mich in dem geliebten son auch
lieben, begnaden und väterlich erhalten.

Wöllest auch ferner ansehen, mein himmlischer vat-
ter, das ich auß genaden durch dein wal und fürsehung
von ewigkeit versehen 30 bin ein kind Gottes zum
ewigen leben. Wöllest auch ansehen, mein herr Jesu
Christe, das ich dein armer, unwirdiger diener bin,
der du mich beruffen und verordnet hast, zu schaffen
in deinem weinberg 31. Sihe auch an, du Heyliger Geist,
das ich dein werkzeug bißher gewesen bin. Wöllest
auch also entlich ansehen, mein Gott und Herr, das
ich ein tempel bin der heyligen Treifaltigkeit, darin-
nen Gott verheissen hat zu wonen 32. Wöllest also
meiner noch lenger verschonen, auf das ich weiter
eine zeitlang nach deinem vätterlichen willen möge
bleiben in meinem beruff, stand und ampt, zu deinem
lob und meines nehesten nutz. Wöllest auch ansehen
deine gemein, welche du, herr Jesu Christe, mit dei-
nem tewren blut erkauft und gereiniget hast 33, das ich
derselbigen möge lenger nutz schaffen und meinem
weib, kindern, gesinde, freunden, nachbaurn, meinem
nehesten, frembden, verwandten und feinden guts tun
und inen fürderlich, nützlich und dienstlich sein. So
will ich dargegen gern tragen, leiden, dulden und mei-
den, was mir in meinem beruff auferlegt wird. Da
gibe du auch dein gnad darzu. Amen.

[Ein kurzer Begriff, das Vater unser
zu beten]

Ach du mein himmelischer vatter, der du in deiner
maiestat, herrligkeit, ewigem leben und im himeli-
schen wesen bist, wir aber, deine arme kinder, hie in
disem ellenden jammertal, bitten dich von hertzen,

1 Ab 1561: hertzenleid.
k Fehlt ab 1555.

28 = aufrecht, gerade.

29 Lk 22, 44. Verrören (rören) = fallen oder rinnen
lassen (Schmeller 2, 133).

30 = durch deine Gnadenwahl und Vorsehung auser-
sehen.

das du uns dein gnad und Heyligen Geist verleihen
wöllest, auf das dein tewrer, werder nam unter uns
nicht gelestert und verunehret werde, sondern das
dein nam geheiliget werde durch reine lehr, rechtschaff-
nen gottesdienst und unstrefflich, gottselig leben, das
auch dein reich komme und in alle welt außgebreitet
werde durch die verkündigung deines heyhgen evan-
gelions. Erhalte deine christenliche kirchen und breite
dieselbigen auß in der gantzen welt, auf das allenthalb
dein vätterücher will gescliehe, were dem Satan und
seinem anhang, auf das dein nam geheyliget, dein reich
komme und dein will verbracht werde.

Gib uns unser teglich brot, leibs narung, gesundheit,
schutz und schirm, behüte hauß und hoff, weib und
kinder und alles, was darinnen ist. Gib uns unser leibs
narung, frid und einigkeit, legere dich mit deinen üe-
ben engeln ringsweiß umb uns herumb 34, das der böse
feind keine macht an uns finden möge. Behüte uns vor
allem unglück, vor krankheit, pestilentz, tewrung,
krieg. Beware uns, vor aüem unfal, vor hertzemleid 1
vor allem ubel, vor sünden, vor schanden, vor hagel,
schaur, ungewitter. Schütze uns vor aüem bösen ge-
spenst 35, list, betrug, finantz, frevel, gewalt und allen
bösen griffen, das der böse feind keine macht an uns
finden möge.

Und vergibe uns unsere schuld. Rechne uns alte und
getane sünd nit zu, sondern tu ein strich dardurch,
wirfe zurück, biß 36 nimmermehr ingedenk, straffs
weder an leib noch seel, weder zeitlich noch ewiglich,
dann wir wöllen auch hertzüch gern verzeiehen allen
unsern beleidigern. Und wo wir nicht grüntlich ver-
geben können, so gib uns ein liebreichs hertz darzu.

Und füre uns nit in versuchung, das wir nicht k drein
bewilligen. Und so wir einen bösen fürsatz haben zu
sündigen, so reinige und erledige unsere hertzen dar-
von, auf das wir nit des Satans, der welt und unsers
fleisches list anreitzung und böser begird stat und
raum geben, sondern erlöse uns von dem bösen, von allem
ubel, vor sünden, todt, Satan und allem, das uns scha-
den tut an leib und seel. Dann dein ist das reich. Dein
reich ist das gnadenreich, da du uns alle sünde gne-
diglich vergebnen kanst. So ist auch dein die kraft, das
du uns durch deine macht schützen und erhalten kanst.
Dein ist auch die herrligkeit in ewigkeit. Derhalb, so
wilt du uns entlich durch dein gnadenreich und gött-
liche macht zuletzt füren in das ewig reich der glori
und herligkeit. Das hoffen wir gewiß und ungezweiflet
in Christo, unserm lieben heiland. Amen.

31 Mt 20, 1.

32 1 Kor 3, 16; 2 Kor 6, 16.

33 Apk 5, 9; Hebr 9, 14.

34 Ps 34, 8.

35 = Schwindel, Trug.

38 = rechne sie nicht an, sei.

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