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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0059
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3. Yerniahnungen nnd Gebete 1544-1550

[4.]Ein anderer kurtzer begriff, das Vatter
unser zu betten

Allmechtiger, ewiger, gütiger Gott und vatter, der
du unser aller rechter, warer vatter bist uber alles, was
vatter heisset im himmel und auf erden. Wir arme
siinder, und doch auß gnaden deine liebe kinder in
dißem ellend und jammertal, rüfFen dich auß kind-
licher zuversicht an in dem 1 namen deines eingebornen,
lieben sons, das du uns gnediglich wöllest erhören.
So bitten wir erstlich auß hertzengrund, das dein
tewrer, werder nam unter uns und in aller welt ge-
heiliget, recht erkent, hoch gelobt und gepreiset iverde
durch reine lehr, glauben, bekantnuß, rechten gottes-
dienst und gottselig leben. Das auch dein reich zu uns
homme, auf das wir von aussen durch Gottes wort und
innerlich im hertzen durch den Heyligen Geist gere-
giert und in alle warheit geleitet werden, auf das dein
vätterhch will geschehe und wir nach deinem willen in
rechter warer forcht Gottes, glauben, liebe, gehorsam,
gedult, demut und allen tugenten gezieret, fortfaren
und bestendiglich darinnen verharren. Gib uns auch
unser täglich brot heut, leibs narung, gesundheit, frid,
schutz und ein gottsehg regiment hie in disem leben.
Vergib uns auch unsere schuld, rechne uns unsere vo-
rige, alte und getane sünd nit zu, sondern verzeihe
uns gnediglich und gedulde unser schwaches, ellendes
leben. Gib gnad, das wir in ein bußfertigs leben kom-
men und aller sünden loß werden, durch Christum,
unsern erlöser, auf das wir von hertzen mögen allen
unsern feinden und beleidigern verzeihen. Füre uns nicht
in versuchung. Lasse uns in die sünd nit bewilligen
und fallen, dann wir seind sehr schwach und geneigt
zu sündigen. Derhalb sterke du uns durch deinen Hey-
ligen Geist und erhalte uns in warer forcht Gottes, das
wir dich allezeit vor augen haben und alle sünd mei-
den und fiiehen, damit uns der böse feind nit ubereile
und uberweltige. Sondern erlöse uns von dem bösen,
von dem Satan und allem ubel, von zeitlichem und
ewigem schaden leibs und der seelen. Dann dein ist das
reich. Du bist unser rechter, herschender herr und
könig in himmel und auf erden. Dein ist auch die kraft.
Du kanst uns durch dein almechtige, ewige kraft und
macht gnediglich erhalten, zu uberwinden und zu
sigen uber alle unsere feind, seintemal alle herrligkeit
allein dein ist. Hnd dir gebürt ahein alle ehr, rhmn,
lob und preiß. Darumb hoffen wir, du werdest uns
gnediglich erhören, wie lang es auch weret, wie un-
müglich es auch unser vernunft anzusehen ist und un-
begreiflich ist. Dann hoffnung lesset uns nit zu schan-
den werden 37. Amen, das ist je gewißlich war. Amen,
amen.

1 1552 + 1555 fälschlich: deinem.
m 1552: + und.
n Fehlt ab 1555.

0 Ab 1555: trewer.

[5.] Wie die diener des worts sollen Gott den
Herren umb seine göttliche gnad nnd
Heyligen Geist anrüffen, daheim zuvor ehe m
sie auf den predigstul tretten

O almechtiger, ewiger, gütiger Gott und vatter. Ich
armer, unwirdiger diener deiner schefflin bitte dich
umb deiner barmhertzigkeit willen in Christo Jesu, dei-
nen eingebornen lieben 11 son, das du mir deinen Hey-
ligen Geist wöllest verleihen in mein herzt und mund,
das ich dein lob möge außsprechen und dein heilsams
wort trewlich verkündigen, auf das dein tewrer 0,
werder nam dardurch geheyliget und gepreiset werde,
wir armen sünder dardurch gebessert und getröstet
werden. Wöllest auch zuhörer geben, sie bertiffen und
versammlen, durch deinen Geist inen das hertz auf-
tun, das sie mit gantzem fieiß und ernst, mit rechtem
eifer und glauben achtung haben, lernen und begrei-
fen, was ich inen durch dein wort verkündige in dei-
nem namen.

Wöllest dein wort in irem hertzen bekleiben 38 las-
sen, dasselbig drinnen bewaren und erhalten, damit
sie all ir tun und leben anrichten und füren nach dei-
nem vätterlichem (auch das hoch zu bedenken und
für allen andern wichtig zu betrachten uu d uns sehr
tröstlich und nützlich, auch seliglich ist) und guten,
auch göttlichen willen. Wöllest mich also deinen auß-
erwelten rüstzeug lassen sein, dardurch du wöllest
wirken dasheil und die seligkeit in deinen außerweleten.

Almechtiger Gott, ich bitte dich auch, du wöllest
mir deine göttliche kraft und macht verleihen und mir
sterken und erhalten meinen leib und gesundheit,
auch verstand, gedechtnuß und weißheit geben, das
ich dein heiliges wort könne mit aller freidigkeit 39
außsprechen und verkündigen on alle scheuch, forcht,
entsetzen, hindernuß, gunst, genieß 40 und heuchlen.

Du wöllest mich auch, mein Gott und Herr, inner-
lich an der seel reinigen, allen mackel und sünde auß
gnaden verzeihen, was ich wider dich getan hab, es
sey mit bösen gedanken, worten oder werken, wie ich
mich je wider dich vergriffen hab. Das ist mir alles
hertzlich leid. Darumb begere ich gnad; begnade mich
Herr, himmelischer vatter, durch Jesum Christum,
deinen lieben son, du gnediger, du barmhertziger, du
langmütiger, du gedültiger, du gütiger, trewer Gott,
behüte und beware mich vor allen fehrlichen und
schedlichen krankheiten, inwendig und außwendig
am leib, auf das ich mit frölichem hertzen deine gött-
liche warheyt möge verkündigen.

O mein lieber herr Jesu Christe. Biß ingedenk deiner
tröstlichen verheyssung, da du uns zugesagt hast, Luce
am 21. [15], das du uns mund und weyßheyt geben

37 Röm 5, 5.

38 = wurzeln, anwachsen (Grimm 1, 1419).

39 = Kühnheit, Keckheit (Fisclier 2, 1723).

40 Gunst = Parteilichkeit, Begünstigung; Genieß -
Nutzen, Gewinn, Vorteil.

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