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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0072
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5. Kirchenordnung 1553

die undertanen vor irtumb in rayner, gesunder leer
und rechtem glauben bewaret und erhalten, from
und selig werden, welchen dan nicht beßers wider-
fahren kan, und darumb denselben zum besten die
oberkeyt in der heyligen gschrift ein dienerin und
stathalterin Gottes genennt * 2, ja mit Gottes namen
selbs gezieret wurt, nit allein darumb, das ihr ambt
und stand von Gott bevolhen und eingesetzt ist,
sonder auch, das sie denn undertanen gottliche ding,
als rechte, ware religion und gottesdienst etc., sol-
len mitaylen und verschaffen, darzu sie dan mit
irem schwert dienen, ketzerey, abgotterey, falschen
gottesdienst und mißbreuch in der religion straifen,
verkhomen 3 und abschaffen und alles zur ehr Got-
tes und beßerung des reiches Cristi ordnen und rich-
ten; wie wir dan des schone und herliche exempel
haben an den fromen und gotsforchtigen konigen
im konigreych Juda, welche ytzberurtermaßen die
abgotterey, falsche gottesdienst und mißbreuch der
religion abgetoim und entgegen den rechten, waren
gottesdienst angericht, bestetiget und geschutzt
haben und deßhalben von Gott mit sehr hohen und
treffenlichen gaben gezieret worden sind 4.

Wiewol nun von gnaden des Almechtigen sein
ewigs wort in etliche kirchen diser graveschaft lau-
ter und rain bißher geprediget, auch der heyligen
sacramenta nach Gottes selbs einsetzung admin-
strirt und geraycht, aber dannocht in etlichen und
schir des mehrer teyls dero kirchen die alte erger-
liche mißbreuch in cler religion gehalten worden und
noch; damit aber solche mißbreuch, auch aller fal-
scher gottesdienst, unordnung und anders, so dar-

a A: solchem.

2 Röm 13, 1-7.

3 = (durch Dazwischenkommen) heseitigen (Grimm
12, 1, 679f.).

4 Die Lehre, daß die Obrigkeit von Ämts wegen schul-
dig sei, falschen Gottesdienst ahzuschaffen und für
wahre Frömmigkeit zu sorgen, hat ihre Wurzeln
schon in der Zeit vor der Reformation und war im
16. Jahrhundert verbreitet. Sie findet sich wie die
Berufung auf das Alte Testament z.B. bei Johannes
Brenz (M. Brecht, Die frühe Theologie des Johannes
Brenz. Tübingen 1966, 313-315. KO von Schw.
Hall 1526, Richter 1, 40f.) und Caspar Huherinus
(Zehnerley kurze Form zu predigen, vgl. S. 32).

5 1 Kor 14, 40.

aus ervolgen mochte, der gebure nach auch abgeton
und verhuetet, christliche, eintrechtige gleychheyt
in der leer und gottesdienst gehalten, auch alles
ordenlich zugehe 5, Gottes ehr und der undertanen
beßerung und heyl befurdert werde, so ist aus sol-
chen a ytzerzelten hohen und notwendigen ursachen
dise kirche[n]ordnung in vermelter graveschaft fur-
genomen und zu halten bevolhen worden 6.

Welche dann fur keine sunderung und newerung
zu achten 7, dan sie dermaßen gestelt, das sie zuvor-
derst Gottes wort durchaus gemeß und nach der
ersten, alten, ursprungiichen christlichen, apostoli-
schen uncl catholischen kirchenordnung verfast ist,
auch mit denn andern außgegangenen christlichen
kirchenordnungen anderer reychsstende, die an
christlicher lehr, kunst 8, verstand, eyfer und regie-
rung nicht die geringsten sind, sich vergieychet.

IJierumb sollen alle pfarher und kirchendiener in
berurter graveschaft sich hinfur nach solcher ord-
nung aller ding richten und halten, uf das sie alle in
rayner lehr, bekantnus und gottesdienst gleych-
formig und einhellig seyen, deßgieychen auch die
undertanen in rechter eintrechtiger leer, glawben,
frid und aynigkeyt und also in aller geburlicher ge-
horsame, undertenigkeyt und pflicht gegen Gott
und irer verordneten obrigkeyt ir leben volnfueren
megen, biß so lang ein frey christlich generalconci-
lium 9 gehalten oder aber das recht groß concilium
oder reychstag unsers herren Christi vom himel
herab in den wolken angehen wurdet, welcher uns
dan seine gnade, damit ein yeder alsdan recht ge-
schickt werde erfunden und nach seinem in disem

6 Die KO wurde nicht in der ganzen Grafschaft
durchgeführt (siehe S. 54).

7 Auch nach dem Passauer Vertrag durfte man nicht
den ketzerischen Anschein von „Sonderung und
Neuerung“ erwecken.

8 = Erkenntnis (Grimm 5, 2668).

9 Die Berufung ,,auf ein zukünftig concilium, nacio-
nalversammlung“ fand sich beispielsweise schon
im Brandenhurger Landtagsabschied 1526 (Sehling
11, 88); derVerweis auf ein „General- oder national-
concilium ... oder, wo das nicht geschehe ... ewigs
leben in Jesu Christi“ fand sich Neuburg. KO 1543
(Sehling 13, 43). Im Passauer Vertrag (1552) § 6 war
ein Reichstag innerhalb eines halben Jahres ver-
sprochen, auf den dann ein General- oder National-
konzil folgen sollte, um dem Zwiespalt der Religion
abzuhelfen.

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