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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Franz, Gunther [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0172
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17. Polizeiordnung 1571

bott und bevelchs halben angezogener policeiord-
nung nachgesetzt und gelebt haben, so haben wir
doch laider hin uncl wider bei unsern undertonen
befunden und befünden es auch noch uf disen tag
nicht one sonderbare bekümberung und schmert-
zen, das solche ordnungen bei inen und schier dem
merernteil gantz und gar vergeßen, in wind ge-
schlagen und erkaltet.

Dardurch nun laider die sachen dahin kommen,
das bei unsern undertonen verachtung und ver-
saumnus Gotes wort und des heiligen abendmals,
fluchen, schweren, fullerei, unzucht, finantz 4, uber-
forteilen, wucher, geitz, untrew, hochmut, ver-
schwenden, prassen, zechens und was dergleichen
bösen yppigen und ergerlichen lebens und wesens
mer ist, gantz gemein worden und an solchen sün-
den uncl lastern weder anhalten, betrawen 5, war-
nen oder erinnern helfen will, darumben dann der
allmechtig, güetige Gott uns und unsere under-
tonen aus gerechtem urteil mit so vilfeltigen, wol-
verdienten straffen, besonder jetziger zeit mit man-
cherlei krankheiten, grossen gewessern, unerhörten
tewrung und hungersnodt, auch vorsteenden Türck-
hen und andern beschwerlichen kriegen 6 ernstli-
chen heimsuchet und höchlich zu besorgen, wa
von unsern slinden nicht abgestanden, solche rut,
plagen und straffen auch je lenger je mer desto
heftiger, schwerer und grösser werden.

Dieweil dann der ernstliche zorn Gotes und seiner
götlichen maiestat zugesandte straffen durch ain
busfertiges, züchtig, christlich leben und ernsthch
gebet gestillet, abgewendet, auch das innerlich
rewendes uncl busfertiges gemüet mit eusserlichen
geberden und abstellung aller offentlichen frewden
erzaigt werden mus und solle, und kein zweifel zu
haben, da also rechte rew, besserung und bekerung
volgen, das slindlich, rohloß 7 leben abgestellet und
darfür aus rechtem glauben ware gottsforcht, ge-
horsara, zucht und erbarkeit angerichtet würdet,
der allmechtig Got werde nach seiner barmhertzig-
keit dise tewrung und andere straffen gnedigiich
abwenden und seinen segen geben:

4 = Wucher, Betrug.

5 = drohen.

6 1571 fand die Seeschlacht von Lepanto statt; die

Hugenottenkriege nahmen ihren Fortgang.

so wöllen wir zuforderst usser gnedigem, vätter-
lichem und trewhertzigem gemiiet alle und jede
unsere burger, undertonen, hindersessen, angehö-
rigen und verwandten 8 zu christenlicher besserung
mit höchstem fleis uncl ernst ermanet, darzu auch
unsern kürchendienern bevolhen haben, in iren
predicten sie ebenmessig mit getrewem und schul-
digem fleis zu erkantnus irer sünden, warer bus,
andechtigem gebet und gotsehgem leben zu erin-
nern, wie sich das irem ambt und jetz vorsteender
not nach gebürt und sie zu tun wißen, sich auch
des gemeinen gebets, so wir alhie in unserer kürchen
geprauchen und abschrift hierbei zu befunden 9, zu
geprauchen und vorzusprechen.

Und hieruf so tun wir merangeregte policeiord-
nung alles ires inhalts von woit zu wort mit höch-
stem ernst widerumb ernewern, gebieten und be-
velhen, das derselbigen durchaus, was wir nit ge-
endert, von meniglichem stracks 10 gelebt und
nachgegangen, darzu auch nachvolgende unsere
weitere ordnung gehorsamlichen gehalten werde.

Und nemblichen, das nicht allein uf die sonn-
und feirtäg, wie angeregter policeiordnung inver-
leibt, sonder auch uf einen freytag, da man bishero
predicten gehalten, unsere undertonen und zuge-
hörigen sich fleissighchen in die kürchen verfuegen,
Gottes wort anhören und obvermeld gemein gebet
neben andern trewlich helfen sprechen und pitten.
Und solle auß jedem haus zum allerwenigsten ain
person m die kürchen geschickt werden, dariiber
auch am jeder amptsdiener, pfarrher, burgermeister,
mesner, pütel gute achtung haben und, da sie be-
fünden würden, das uf denn freitag niemands usser
einem haus zur predig geschickt würde, solches un-
serm amptsdiener anzaigen und bei iren pflichten
und aiden, darmit sie uns zugeton, nit verschwei-
gen. Welcher alsdami so verächtlich und ungehor-
sam befunden, der solle das erstmals umb zwelf
pfenig an geld gestrafft, solclies in den gottscasten
gelegt und fürters under die arme, wie das ander
almusen ußgeteilt. Würde aber derselbige also
zum andern mal farleßig und sträfhch befunden,

7 = ruchlos.

8 Siehe S. 9-11.

9 Text des gemeinsamen Gebetes nicht erhalten.
io = yon jedermann unbedingt, genau.

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