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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0277
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1. Kap. Yon der Lehre

anfang bißhero diener und taugliche personen be-
ruffen hat, darmit ime durch die predigt des gött-
hchen worts und gebrauch der hochwirdigen sacra-
menten auß allen völkern auf erden ehre ewige kir-
che zu seinem lob beruffen und gesamlet würde.

Daher Clnistus selbsten nach seiner tröstlichen
auferstehung seine jünger in alle welt, das evange-
hum allen creaturen zu predigen und zu taufen, ab-
gefertigt hat * 2. So bezeugets auch S. Paulus Ephes. 2
[20], das die christhche kirch auf erden auf den
grund der propheten und apostel, da Jesus Christus
der eckstem ist, [1 b] erbawet sey. Und Augustinus
sagt: Ecclesia verbo Dei generatur, nutritur, con-
firmatur et roboratur 3.

Ob nun wol bald anfenglichen im newen testament
nach der himelfart Christi das heihg wort Gottes und
die sacramenten, tauf und abendmal Christi, durch
die apostel und ire getrewe schuler und nachvolger,
die heüigen väter, in der ersten kirchen rein und on
allen menschlichen zusatz eine zeit lang b gepredigt
und erhalten worden,

jedoch hat der ertzfeind Christi, seines worts und
kirchen, der Teufel, von dessen feindschaft der Son
Gottes im paradeiß, Gen. 3 [15], verkündigt, nicht
lang gefeyret, sondern allgemach sein unkraut unter
den guten weitzen geseet 4 und gantz abscheuhche
ketzerey erweckt, biß endlich der Antichrist, das
kind des verderbens, sich in den tempel Gottes ein-
gesetzt 5, alle und jede stück und artikel unsers hei-
hgen, christhchen glaubens mit einem wust er-
schröckhcher abgötterey und irrtumben verkeret,
auch die bibel auß den henden und hertzen der
christenmenschen gerissen und die heiligen sacra-
menta Christi gefelscht, geendert und in mißbrauch

b „ein zeit lang“ (so A) ist Änderung von Meder in
D, vorher: etliche hundert jhar.

0 ,,vor 50, 60, 70 jaren“ fehlt KO 1688.

2 Mt 28, 19 und Mk 16, 15.

3 Zitat nicht ermittelt. Ygl. Fritz Iiofmann, Der Kir-
chenhegriff des hl. Augustinus in seinen Grumllagen
und in seiner Entwicklung. 1933, 291 f.

4 Mt 13, 25.

5 2 Thess 2, 3f., auf die ITerrschaft des Papstes in der
Kirche gedeutet.

6 Vgl. Art. 7 des Augsburger Bekenntnisses (BSLK

S. 61): Es wird auch gelehret, daß alle zeit musse

eine heihge christliche kirche sein und bleiben.

verwandelt hat. Wie leider unsere hebe voreltern
vor 50, 60, 70 jaren c und noch heutigs tags, vil ge-
engstigte gewissen im bapstumb erfaren, weil inen
wider das schrecken der siind, göttliches zorns und
ewiger verdamnuß, und an irem letzten end kein
gewisser und bestendiger trost vorgehalten worden,
one die Gott sonderlichen erhalten hat.

Dieweil aber Gott, als der stettigs auf erden eine
kirche haben und biß an jüngsten tag erhalten will 6,
auß grosser güte und barmhertzigkeit zu diser un-
serer letzten zeit die lehre seines seligmachenden
worts, sampt dem waren verstand und gebrauch der
heüigen sacramenten, durch seinen heüigen und teu-
ren rüstzeug 7, doctorem Martinum Lutherum, auß
heiliger gött[2]licher schrift wider das bapstumb
und sonsten alle rotten und secten widerumb ge-
leutert, erklert und erstritten hat, und solche auch
in den kirchen dieser löblichen grafschaft angenom-
men und bißhero in einhelhger und einmütiger con-
fession unter der obrigkeit, predigern und zuhörern
erhalten worden 8, und aber doch auch nit weniger
vonnöten, allen fieiß anzuwenden, dieselben zu be-
halten, als anfengklich zu bekommen, sein wül:

so ist bedes 9 lerern und zuhörern hoch vonnöten,
das sie in disen gefehrlichen zeiten, - da der Teufel
nicht wenigers, als m der ersten kirchen bald nach
der apostel zeit, allerley opiniones, corruptelas 10,
schwermereyen und ketzereyen erweckt und das
helle hecht des götthchen worts widerumb außzu-
leschen gentzhchen vorhabens ist - der heiligen bey-
lag 11 des unverfelschten worts Gottes und waren ge-
sunden und einfeltigen gebrauchs und verstands der
heüigen sacramenten wol warnemen, die geister
priiffen, die widersprecher straffen (Tit. 1 [9]),

7 Rüstzeug, masc. = Werkzeug. Die Bedeutung geht
auf Luthers Übersetzung von Apk 9, 15 zurück
(Grimm 8, 1553).

8 Am 14. Dez. 1575 hatte der Öhringer Diakon
K. Zinn an den Neuensteiner Rat Hyso geschrieben,
daß die „kirchen dieser landsart ... bisher one ruhm
zu melten in der lehr und ceremonien ganz fridlich
und eintrechtig gewesen“ (PA 101, 3, 6).

9 Beide(s) ... und = sowohl ... als (auch) (Grimm 1,
1365).

10 Corruptela = was zum Yerderben führt; die Verfüh-
rung zum Schlechten.

11 Beilage = Depositum, Niederlage {nana&rjy.rj 2 Tim
1, 12 = anvertrautes Gut). (Grimm 1, 1377; für die
evangelische Lehre gebraucht, Fischer 1, 798.)

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