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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0317
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12. Kap. Yon der Kirchendisziplin

in bann getan hette, oder 12 were umb dergleichen
und anderer laster willen anf vorgehende verma-
nung, wie obgemelt, vom consistorio in bann erklert
worden, und aber ime solche sünde wider leid sein
ließ und begerte in der kirchen gemeinschaft und
zum gebrauch der heiligen sacramenten wider auf-
genommen zu werden, nachdem nun der superinten-
dens, pfarrer und sonsten jederman gnugsame
zeichen warer buß an im spüreten s und solchs an
das consistorium hetten wider gelangen lassen^, soll
der nunmehr arme, bußfertige sünder auf nachvol-
gende weise wider aufgenommen und von seinetwe-
gen durch den pfarrer an einem sontag bald nach
der amptpredigt 13 von off[43]ner 11 cantzel das er-
gernuß einer gantzen gemein abgebeten werden:

hForm öffentlicher abbit

Lieben christen, ich hab mit Ewer Lieb unsers
tragenden ampts halber und gemeiner 15 kirchendis-
ciplin etwas zu handlen, das wöllet mit gedult an-
hören und, wie frommen christen zustehet, im be-

g-g Fehlt D. In Braunsbacher und Neuensteiner Ex.
wieder gestrichen.

11 Als Vorlage diente ein Öhringer Forniular (Forma
publicae confessionis et absolutionis notoi’ie facino-
rosorum...). Beginn desselben: Nach getoner und
volender predigt redet der prediger die kirchen
Gottes ongefarlich also an: Liebe Christen. Wir
haben mit ewer liebe unsers tragenden ampts und
gemeiner disciplin und kirchenzucht halben etwas
zu handlen, das wöllet mit vleiß und gedult an-
hören und im besten, wie es dan gemeint, aufnemen
und deuten. Es hat sich N. N., ein burger. Im
Öhringer Exemplar am Rande hs. vermerkt: Die-
ser vortrag geschiehet vor dem Yatter unser etc.
Hs. Einträge bezeugen die Benutzung der ,,Form
öffentlicher abbit“, vor allem bei Unzucht. Es sind
häufig zwei (Langenburger, Neuensteiner, Nürn-
berger, Ruppertshofener Ex.) oder mehrere Per-
sonen (Braunsbacher, Neuensteiner, Nürnberger,
Öhringer Ex.) vorgestellt. Die Sünder wurden
vorne der Gemeinde vor Augen gestellt (Eintra-
gungen in Nürnberger und Ruppertshofener Ex.).
KO 1688 wurde beim ganzen Formular die Plural-
form für „mans- und weibsperson“ übergedruckt.

1 Öhringer Formular: greuliche unzucht und ehe-
bruch. Entsprechend Elpersheimer, Nürnberger
und Ruppertshofener Ex. In Langenburger Ex. be-
sonders deutlich: mit hurerey und unzucht befleckt,
dergestalt, daß sie in demselben ein hurenkind ge-
zeugt und ihre (missetat)...

sten, wie es dann gemeint ist, aufnemen und deuten;
und ist die sachen dermassen beschaffen:

Es hat sich ein mannes- (oder weibs-) person in
unser pfarrgemein h allhie vor diser zeit auß ein-
gebung und trib des leidigen Satans und ubereylung
menschlicher gebrechlichkeit in N.N. laster 1 be-
geben, dermassen, das er in demselben ergriffen und
sein missetat statt- (dorf-) und landrüchtig 16 wor-
den, wie er dann von deßwegen von der wolgebornen
unserer gnedigen herrschaft als der ordenlichen
obrigkeit gestrafft und im werk selbst bannmessig
und auß der gemeinschaft der kirchen außgeschlos-
sen ist worden k.

Dieweil er aber auß Gottes wort erinnert und in
seinem gewissen uberzeuget worden, wie so gantz
[43 b] vergessenlich und abscheuhenlich er sich an
der göttlichen maiestat und seinen gebotten 1, auch
eusserlicher zucht und erbarkeit vergriffen, auch in
was geistlichen und zeitlichen jammer er sich ge-
stürtzt und nun nicht allein des gemeinen gebets 17,
sondern auch des ewigen und seligen lebens müste
beraubt sein m, gehet ime solcher jammer zu hertzen

k In Braunsbacher, Elpersheimer, Nürnberger Ex
ist der Nebensatz ganz oder teilweise hs. gestrichen.

1 In Öhringer Formular dazu Bibelstellen: Exod. 20
[2—17], Deut. 5 [6-18], Levit. 18 [6-23],

m Öhringer Formular Marg. [d.h. amRande]: 1. Oorin.
5 [9-11], 6 [9. 10], Ephes. 5 [5], Gal. 5 [19-21].

12 Danach sollte die öffentliche Abbitte auch ohne vor-
gehende Bannerklärung des Konsistoriums gesche-
hen. Dies kann sich am ehesten auf einen freiwilligen
Akt beziehen. 1580 stellte die Neuensteiner Kanzlei
fest, der Weikersheimer Pfarrer Mögner habe einmal
von der Kanzlei die Erlaubnis erhalten, eine Frau
aus Schrozberg ihrer eigenen Bitte entsprechend die
öffentliche Abbitte üben zu lassen. (Franz, Kirchen-
leitung 54.) Anm. g zeigt, daß nach der Langenbur-
ger Beratung 1577 (danach D) das Konsistorium zur
Lossprechung noch nicht eingeschaltet werden
brauchte.

13 Predigt beim Amt, dem sonntäglichen Hauptgottes-
dienst.

14 = öffentlich von der.

15 = was alle in der Gemeinde angeht, öffentlich.

16 Rüchtig, Adj. von „ruchte“ (Geschrei, Gerede) -
übel bekannt, berüchtigt (Grimm 8, 1344), und zwar
in der ganzen Stadt oder dem ganzen Land.

17 Gemeinsames Gebet der Gemeinde während des
Gottesdienstes, hier als Fürbitte.

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