7. Juni 2002 | 75
Zu den Machtgrundlagen gehört auch das Recht, also die von der Rechts-
und Verfassungsordnung eingeräumten Kompetenzen. Machtmittel sind die formel-
len Verfahren, die der Staat durch seine Prozess- und Vollstreckungsordnungen zur
Verfügung hält. Während für die Sozialwissenschaften das Recht nur ein Faktor unter
vielen ist, spielt die Rechtsordnung nach ihrem Selbstverständnis die absolut erste
Rolle unter den Formationen, die den Zusammenhalt menschlicher Verhältnisse
sichern. Machtbeziehungen stabilisieren eine gesellschaftliche oder politische Einheit
nicht per se, sondern nur dann, wenn sie sich mit einem Werte- oder Normengefüge
verbinden. Geschichtlich hat sich — zumindest im mediterran-atlantischen Raum —
die Normativität des Rechts als effizienteste Form der Stabilisierung menschlicher
Verhältnisse erwiesen. Wie alle Normgefüge, so bestimmt auch das Recht sein Ver-
hältnis zur Macht. Es sichert Machterwerb, Machterhalt und Machtausübung, oder
es ist an ihnen desinteressiert, oder es verbietet und pönalisiert sie. Stellt man Sub-
jekt und Objekt um, dann gehorcht die Macht dem Recht: der Zustand des Gleich-
gewichts und der verfassungsmäßigen Ordnung. Oder sie negiert es: der Zustand der
Rebellion und Revolution.
Wie steht nun die Wirtschaftswissenschaft zum Phänomen der Macht? Bei
ihren Untersuchungen pflegt sie den Aspekt des Rechts von vornherein einzubezie-
hen, ja bisweilen die Begriffe ,,Macht“ und „Recht“ mehr oder weniger gleichzu-
setzen. Diese Besonderheit hat ihre eigene Geschichte. Zugrunde liegt ein bestimm-
tes Theoriekonzept, welches die Frage für sinnvoll hält, ob menschliches Handeln
von der Theorie bestimmt wird, ihr zu folgen gar nicht vermeiden kann, oder ob
Handeln im Widerspruch zu ihr möglich ist. Im deutschen Sprachraum wurde die
Frage infolge des berühmten Vortrags von Eugen v. Böhm-Bawerk aus dem Jahre
1914 in die Formel „Macht oder ökonomisches Gesetz“ gekleidet und in ersterem
Sinn, im Sinne der Theorie beantwortet. Unter Konstellationen der Macht hat
Böhm-Bawerk die Einwirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse seitens des
Staates (primär in Form von Gesetzen oder Verwaltungsmaßnahmen) und seitens
monopolartiger Organisationen hervorgehoben. Letztere — Böhm-Bawerk hatte hier
die Unternehmerverbindungen und vor allem die Arbeiterkoalitionen im Auge -
wurden damals in Österreich und Deutschland von der Rechtsordnung toleriert
oder sogar legalisiert. Wenn auf so intensive Weise das Recht in die Diskussion ein-
bezogen wird, erhebt sich von selbst die Frage, wie nun das Recht seinerseits zu
dem Gegen- oder Nebeneinander von „Macht“ und ökonomischer Gesetzlichkeit
Stellung nimmt. Es geht hier um zwei Spezifika der Diskussion, und zwar einmal
um das Zeitmoment: Auf die Dauer, sagte Böhm-Bawerk, würde sich die Macht
(das Recht) den Gesetzlichkeiten des Gleichgewichts fügen. Diese Prophetie ist für
die Rechtsordnung wenig hilfreich, kann sie ja auf das große Gleichgewicht nicht
warten, weil sie hic et nunc mit Ungleichgewichtslagen zu tun und Entscheidungen
zu treffen hat. Den zweiten Aspekt bildet die scharfe Unterscheidung, die aus ver-
teilungstheoretischer Sicht — Eigentum versus Arbeit — zwischen der funktionellen
und der personellen Fragestellung getroffen wird; nur für erstere wird die Begren-
zung der Macht (des Rechts) durch das ökonomische Gesetz, ihre Begrenztheit also,
behauptet.
Zu den Machtgrundlagen gehört auch das Recht, also die von der Rechts-
und Verfassungsordnung eingeräumten Kompetenzen. Machtmittel sind die formel-
len Verfahren, die der Staat durch seine Prozess- und Vollstreckungsordnungen zur
Verfügung hält. Während für die Sozialwissenschaften das Recht nur ein Faktor unter
vielen ist, spielt die Rechtsordnung nach ihrem Selbstverständnis die absolut erste
Rolle unter den Formationen, die den Zusammenhalt menschlicher Verhältnisse
sichern. Machtbeziehungen stabilisieren eine gesellschaftliche oder politische Einheit
nicht per se, sondern nur dann, wenn sie sich mit einem Werte- oder Normengefüge
verbinden. Geschichtlich hat sich — zumindest im mediterran-atlantischen Raum —
die Normativität des Rechts als effizienteste Form der Stabilisierung menschlicher
Verhältnisse erwiesen. Wie alle Normgefüge, so bestimmt auch das Recht sein Ver-
hältnis zur Macht. Es sichert Machterwerb, Machterhalt und Machtausübung, oder
es ist an ihnen desinteressiert, oder es verbietet und pönalisiert sie. Stellt man Sub-
jekt und Objekt um, dann gehorcht die Macht dem Recht: der Zustand des Gleich-
gewichts und der verfassungsmäßigen Ordnung. Oder sie negiert es: der Zustand der
Rebellion und Revolution.
Wie steht nun die Wirtschaftswissenschaft zum Phänomen der Macht? Bei
ihren Untersuchungen pflegt sie den Aspekt des Rechts von vornherein einzubezie-
hen, ja bisweilen die Begriffe ,,Macht“ und „Recht“ mehr oder weniger gleichzu-
setzen. Diese Besonderheit hat ihre eigene Geschichte. Zugrunde liegt ein bestimm-
tes Theoriekonzept, welches die Frage für sinnvoll hält, ob menschliches Handeln
von der Theorie bestimmt wird, ihr zu folgen gar nicht vermeiden kann, oder ob
Handeln im Widerspruch zu ihr möglich ist. Im deutschen Sprachraum wurde die
Frage infolge des berühmten Vortrags von Eugen v. Böhm-Bawerk aus dem Jahre
1914 in die Formel „Macht oder ökonomisches Gesetz“ gekleidet und in ersterem
Sinn, im Sinne der Theorie beantwortet. Unter Konstellationen der Macht hat
Böhm-Bawerk die Einwirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse seitens des
Staates (primär in Form von Gesetzen oder Verwaltungsmaßnahmen) und seitens
monopolartiger Organisationen hervorgehoben. Letztere — Böhm-Bawerk hatte hier
die Unternehmerverbindungen und vor allem die Arbeiterkoalitionen im Auge -
wurden damals in Österreich und Deutschland von der Rechtsordnung toleriert
oder sogar legalisiert. Wenn auf so intensive Weise das Recht in die Diskussion ein-
bezogen wird, erhebt sich von selbst die Frage, wie nun das Recht seinerseits zu
dem Gegen- oder Nebeneinander von „Macht“ und ökonomischer Gesetzlichkeit
Stellung nimmt. Es geht hier um zwei Spezifika der Diskussion, und zwar einmal
um das Zeitmoment: Auf die Dauer, sagte Böhm-Bawerk, würde sich die Macht
(das Recht) den Gesetzlichkeiten des Gleichgewichts fügen. Diese Prophetie ist für
die Rechtsordnung wenig hilfreich, kann sie ja auf das große Gleichgewicht nicht
warten, weil sie hic et nunc mit Ungleichgewichtslagen zu tun und Entscheidungen
zu treffen hat. Den zweiten Aspekt bildet die scharfe Unterscheidung, die aus ver-
teilungstheoretischer Sicht — Eigentum versus Arbeit — zwischen der funktionellen
und der personellen Fragestellung getroffen wird; nur für erstere wird die Begren-
zung der Macht (des Rechts) durch das ökonomische Gesetz, ihre Begrenztheit also,
behauptet.