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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2002
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Antrittsreden
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Burkhardt, Hans: Antrittsrede vom 14. Dezember 2002
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0123
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ANTRITTSREDEN

Neben der Hochschultätigkeit hatte ich die Aufgabe der wissenschaftlichen
Leitung einer Abteilung für Bildverarbeitung im 1989 gegründeten Mikroelektro-
nik-Anwendungszentrum (MAZ) Hamburg GmbH, an dessen Planung ich im Auf-
trag der Wirtschaftsbehörde entscheidend mitgearbeitet hatte. Planungsvolumen
waren ca. 120 Mio. DM und das Labor hatte kurz vor meinem Weggang von Ham-
burg über 100 Mitarbeiter. Es war em gelungenes Beispiel für erfolgreichen Wis-
senstransfer in die industrielle Praxis.
Seit 1975 liegt der Forschungsschwerpunkt meiner Arbeiten auf dem Gebiet
des Rechnersehens oder Computer Vision. Das Forschungsgebiet kann wohl am
besten damit erklärt werden, dass man hier versucht, dem Rechner menschliches
Sehvermögen beizubringen. Dazu gehören die Fähigkeiten Muster in Bildern zu
erkennen (z. B. Zeichen- und Schrifterkennung, Erkennung von Objekten aus belie-
bigen perspektivischen Ansichten), oder Stereobilder in Bezug auf eine räumliche
Interpretation auszuwerten. Dies beinhaltet auch die Fähigkeiten Entfernungen von
Objekten sowie deren räumliche Anordnung abzuschätzen, was für Aufgaben der
Navigation von entscheidender Bedeutung ist. Das bedeutet insbesondere eine
räumliche Interpretation des Gesehenen aus zwei oder mehreren projektiven An-
sichten zu erzeugen. So möchte man z. B. aus einer Sequenz von Videobildern eine
vollständige räumliche Rekonstruktion einer Häuserflucht in einer Straße erreichen
oder aus mehreren Ansichten eines Maschinenbauelementes eine maßgetreue 3D-
Rekonstruktion ableiten. Es gehört die Kamerabasierte Vermessung des Rumpfes
eines Verkehrsflugzeuges aus dem Bereich der Flugzeugindustrie genauso dazu wie
das Vermessen von Freiformflächen aus dem Bereich der Autoindustrie. Oder auch
die Erarbeitung einer Radio-Reportage zur Beschreibung der Aktionen von Fuß-
ballspielern auf dem Spielfeld aus einer Videosequenz, oder die Bewegung von Ver-
kehrsteilnehmern (Autos, Fußgänger, etc.) in einer Straßenszene.
Themenschwerpunkte bilden bei unseren Arbeiten dabei die Invariantentheo-
rie, optimale Algorithmen zur Bildrestauration, Methoden zur Bewegungsschätzung
und Stereobildauswertung sowie die Parallelisierung von Algorithmen. Aus Anwen-
dungssicht gibt es eine ganz Reihe von Projekten aus dem Bereich der industriellen
Sichtprüfung, der Qualitätsüberwachung, der Medizin sowie der Analyse und bild-
gestützten Überwachung sowie Regelung von Verbrennungsprozessen. Ein sehr ehr-
geiziges Forschungsvorhaben war ein vom BMBF gefordertes Projekt mit dem
Namen MOVIS (Mobiles visuell-interpretatives System für Blinde und Sehbehin-
derte), worin wir innerhalb von drei Jahren den Prototyp eines elektronischen Seh-
hilfesystems für Blinde entwickelt haben. Der Blinde trägt eine Brille mit einem
integrierten Stereokamerasystem, deren Bildsignale von einem tragbaren Rechner
ausgewertet werden mit dem Ziel, menschliche Sehfähigkeiten zur Unterstützung
bei der Orientierung und bei der Erkennung von Objekten nachzubilden. Das
System konnte generische Objekte in Straßenszenen erkennen, wie etwa eine Tele-
fonzelle, ein Fußgängerüberweg oder auch eine S-Bahn-Haltestelle. Die Erken-
nungsergebnisse wurden dann per Sprachausgabe mit Angabe der Entfernung an den
Blinden übermittelt. Sehr aktuell sind Arbeiten zur rauminvarianten Erkennung von
dreidimensionalen biologischen Strukturen (es geht dabei um ein vom Deutschen
 
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