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ANTRITTSREDEN
stand bald ein systematischer „Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt“, der
Hans Jonas’These, die wissenschaftlich-technische Zivilisation brauchte einen neuen
kategorischen Imperativ, die nüchternere Diagnose entgegenstellte: Moral als Preis der
Moderne.
Die Anfänge eines weiteren Forschungsgebietes, der von Platon bis Hegel ver-
nachlässigten Philosophie einer internationalen Rechtsordnung, reichen bei mir in
die 80er Jahre zurück. Nicht die spätere Globalisierungsdebatte, sondern eine
Schnittmenge von Kant und der 200-Jahrfeier der Französischen Revolution führte
mich zu jener Universalisierung des in Frankreich erst nationalen Republikanismus,
die Kant in der Schrift „Zum ewigen Frieden“ vornimmt. Aus der anfänglichen
Text-Interpretation und eine Erinnerung an von Räumers Studie zu Friedensrufen
und Friedensplänen seit der Renaissance wuchs im Laufe eines Jahrzehnts — Philo-
sophie braucht ihre Zeit — eine systematische Studie heran, ein Versuch über Demo-
kratie im Zeitalter der Globalisierung, der im Plädoyer für eine subsidiäre und föderale
Weltrepublik gipfelt.
Nach 15 Jahren in der Schweiz (mit wechselnden Gastprofessuren an fast allen
ihrer Universitäten) stellte sich die große Frage: Bleiben wir auf immer, oder versu-
chen wir eine Rückkehr nach Deutschland? Die Jahre waren selten gelungen-glück-
lich; ich blieb aber Metöke, niedergelassener Ausländer, zumal als Deutscher. Vor die
Alternative gestellt: Berlin (Humboldt-Universität), München oder Tübingen sowie
nachgeschoben Zürich fiel die Entscheidung nicht leicht, schließlich aber doch
zugunsten der Eberhard Karls Universität. Auch an ihr ergab sich eine Doppelmit-
gliedschaft sowohl bei den Philosophen als auch den Juristen und die Möglichkeit,
mein Freiburger Institut für Sozialphilosophie und Politik als Forschungsstelle Poli-
tische Philosophie fortzusetzen. Ohnehin bleibe ich über einen Lehrauftrag an der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und neuerdings einer Ständigen
Gastprofessur für Rechtsphilosophie an der Universität Sankt Gallen mit der
Schweiz verbunden. Mittlerweile seit vielen Jahren bin ich im Aufnahmeausschuß
der Alexander von Humboldt-Stiftung und im Wissenschaftlichen Beirat der Fritz
Thyssen Stiftung für die Philosophie zuständig. Und wenn die Gelegenheit es gebie-
tet, nehme ich in den Medien zu ethischen und politischen Fragen Stellung.
So intellektuell und politisch spannend die Ethik und die Politische Philoso-
phie sind — nach einem viel breiteren Studium bin ich mit ihnen allein nicht zufrie-
den. Zur Zeit versuche ich, ein wenig an die Physik-Interessen meiner Jugend anzu-
knüpfen. Uber den Gedanken „transzendentaler Naturgesetze“ beispielsweise sehe
ich in Kants Kritik der reinen Vernunft das Muster für eine „Philosophie im Zeitalter
der Naturwissenschaften“. Zugleich ist sie das Muster für eine Philosophie, die lange
vor der heutigen Globalisierung so etwas wie eine epistemische Weltrepublik ent-
wirft — nicht als Alternative, aber als Ergänzung zur politischen.
Wie fühlt man sich als Philosophiedozent in Tübingen? Nach Erfahrung mit
vielen Universitäten kann ich auf beide em Loblied singen: auf die Studenten und
auf zahlreiche kooperationsbereite Kollegen. Das Interesse an öffentlichen Vorlesun-
gen, zum Beispiel an einer Reihe „Geschichte der Philosophie“, ist enorm: bei Stu-
denten, in der Stadt und im Umland von Stuttgart bis auf die Alb. Daraus entstand
ANTRITTSREDEN
stand bald ein systematischer „Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt“, der
Hans Jonas’These, die wissenschaftlich-technische Zivilisation brauchte einen neuen
kategorischen Imperativ, die nüchternere Diagnose entgegenstellte: Moral als Preis der
Moderne.
Die Anfänge eines weiteren Forschungsgebietes, der von Platon bis Hegel ver-
nachlässigten Philosophie einer internationalen Rechtsordnung, reichen bei mir in
die 80er Jahre zurück. Nicht die spätere Globalisierungsdebatte, sondern eine
Schnittmenge von Kant und der 200-Jahrfeier der Französischen Revolution führte
mich zu jener Universalisierung des in Frankreich erst nationalen Republikanismus,
die Kant in der Schrift „Zum ewigen Frieden“ vornimmt. Aus der anfänglichen
Text-Interpretation und eine Erinnerung an von Räumers Studie zu Friedensrufen
und Friedensplänen seit der Renaissance wuchs im Laufe eines Jahrzehnts — Philo-
sophie braucht ihre Zeit — eine systematische Studie heran, ein Versuch über Demo-
kratie im Zeitalter der Globalisierung, der im Plädoyer für eine subsidiäre und föderale
Weltrepublik gipfelt.
Nach 15 Jahren in der Schweiz (mit wechselnden Gastprofessuren an fast allen
ihrer Universitäten) stellte sich die große Frage: Bleiben wir auf immer, oder versu-
chen wir eine Rückkehr nach Deutschland? Die Jahre waren selten gelungen-glück-
lich; ich blieb aber Metöke, niedergelassener Ausländer, zumal als Deutscher. Vor die
Alternative gestellt: Berlin (Humboldt-Universität), München oder Tübingen sowie
nachgeschoben Zürich fiel die Entscheidung nicht leicht, schließlich aber doch
zugunsten der Eberhard Karls Universität. Auch an ihr ergab sich eine Doppelmit-
gliedschaft sowohl bei den Philosophen als auch den Juristen und die Möglichkeit,
mein Freiburger Institut für Sozialphilosophie und Politik als Forschungsstelle Poli-
tische Philosophie fortzusetzen. Ohnehin bleibe ich über einen Lehrauftrag an der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und neuerdings einer Ständigen
Gastprofessur für Rechtsphilosophie an der Universität Sankt Gallen mit der
Schweiz verbunden. Mittlerweile seit vielen Jahren bin ich im Aufnahmeausschuß
der Alexander von Humboldt-Stiftung und im Wissenschaftlichen Beirat der Fritz
Thyssen Stiftung für die Philosophie zuständig. Und wenn die Gelegenheit es gebie-
tet, nehme ich in den Medien zu ethischen und politischen Fragen Stellung.
So intellektuell und politisch spannend die Ethik und die Politische Philoso-
phie sind — nach einem viel breiteren Studium bin ich mit ihnen allein nicht zufrie-
den. Zur Zeit versuche ich, ein wenig an die Physik-Interessen meiner Jugend anzu-
knüpfen. Uber den Gedanken „transzendentaler Naturgesetze“ beispielsweise sehe
ich in Kants Kritik der reinen Vernunft das Muster für eine „Philosophie im Zeitalter
der Naturwissenschaften“. Zugleich ist sie das Muster für eine Philosophie, die lange
vor der heutigen Globalisierung so etwas wie eine epistemische Weltrepublik ent-
wirft — nicht als Alternative, aber als Ergänzung zur politischen.
Wie fühlt man sich als Philosophiedozent in Tübingen? Nach Erfahrung mit
vielen Universitäten kann ich auf beide em Loblied singen: auf die Studenten und
auf zahlreiche kooperationsbereite Kollegen. Das Interesse an öffentlichen Vorlesun-
gen, zum Beispiel an einer Reihe „Geschichte der Philosophie“, ist enorm: bei Stu-
denten, in der Stadt und im Umland von Stuttgart bis auf die Alb. Daraus entstand