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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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A. Das akademische Jahr 2014
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Schmidt, Jochen: Nietzsches »Wille zur Macht« – Eine Entzauberung: Gesamtsitzung am 26. April 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0054
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II. Wissenschaftliche Vorträge

den Verlagen liegen. Im Vorwort zu dem unmittelbar vor dem Zusammenbruch
verfassten Rückblick, dem er den Titel Ecce homo gab, beklagte Nietzsche voller
Bitterkeit, „dass man mich weder gehört, noch auch nur gesehen hat. Ich lebe auf
meinen eignen Credit hin, es ist vielleicht bloss ein Vorurtheil, dass ich lebe? ...“
Schwer einzuschätzen ist die bemerkenswerte Tatsache, dass sich der sensa-
tionelle Erfolg gerade in dem Moment einstellte, in dem Nietzsche wahnsinnig
wurde, noch schwerer einzuschätzen, welchen Anteil daran die zum allgemeinen
Bildungsgut gehörende Verbindung von Genie und Wahnsinn hatte. Bald schon
holte Nietzsches Schwester den Umnachteten nach Weimar und inszenierte dort
den tragisch-heroisch stilisierten Kult, der bis zum Ende des Dritten Reichs flo-
rierte, zumal Hitler selbst eigens zur Beförderung dieses Kults mehrmals nach
Weimar kam. Der „Wille zur Macht“, die Verherrlichung von Kampf und Krieg, die
in dem Zarathustra-Kapitel „Vom Krieg und Kriegsvolke“ Ausdruck fand, machte
schon im Ersten Weltkrieg Nietzsche so sehr zum Inbegriff des kriegslüsternen
Deutschen, dass man in England bereits 1915 vom „Nietzschean War“ sprach. Mit
entgegengesetztem Vorzeichen erschienen in Deutschland zu Beginn des Krieges
Publikationen, die Nietzsche als Verkünder eines heldenhaften Krieges feierten.
Das alles bestimmte auf Jahrzehnte hinaus die Wirkungsgeschichte. Ich selbst
besitze noch die feldgrau gebundene und auf schlechtem Kriegspapier gedruck-


Hitler beim Anblick einer Nietzsche-Büste, 1934 (Quelle: Klassik Stiftung Weimar)

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