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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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A. Das akademische Jahr 2014
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Schmidt, Jochen: Nietzsches »Wille zur Macht« – Eine Entzauberung: Gesamtsitzung am 26. April 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0056
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II. Wissenschaftliche Vorträge

tionalsozialisten, „Der völkische Beobachter“, auf der Titelseite zum hundertsten
Geburtstag Nietzsche als heroischen „Propheten des Krieges“ feierte.
Unter den Philosophen fixierte sich besonders Heidegger auf das vermeintli-
che Hauptwerk Nietzsches, obwohl er die Problematik der Kompilation erkannte.
Seine Faszination durch die besonders in späten Nachlass-Notaten hervortreten-
de, sonst aber keineswegs dominierende Vorstellung des „Willens zur Macht“ ging
so weit, dass er Nietzsches Nachlass insgesamt zu Nietzsches „eigentlicher Phi-
losophie“ erklärte. Seine Behauptung führte dazu, dass sich bis in die Gegenwart
hartnäckig ein einseitiges Interesse für die nachgelassenen Notate hält, als seien
diese nicht weitestgehend bloße Lesefrüchte, Exzerpte, Gedankenskizzen, Stich-
worte, Pläne sowie für die Publikation nicht mehr in Betracht gezogene und des-
halb beiseite gelegte Aufzeichnungen.
Zu unterscheiden ist zwischen dem angeblichen Hauptwerk „Der Wille zur
Macht“, das als Werk nie existiert hat, und der gedanklichen Konzeption eines ,,Willens
zur Macht“, die nicht nur in nachgelassenen Aufzeichnungen, sondern auch in
mehreren von Nietzsche selbst veröffentlichten und autorisierten Werken greifbar
ist. Die scheinbar so eingängige Prägung verdeckt eine vieldeutige und komplexe
Problematik. Was versteht Nietzsche unter „Wille“, was unter „Macht“? In wel-
chem Kontext stehen diese Begriffe und wo liegen ihre Voraussetzungen? Wie bil-
det sich dieses Theorem aus? Ich gehe hier der letzten Frage nach.
Schopenhauer, mit dessen Werk Nietzsche sehr gut vertraut war, hatte in sei-
nem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung den „Willen“ in einer missver-
ständlichen Weise zum Angelpunkt seiner pessimistischen Philosophie gemacht.
Abweichend vom geläufigen Sinn des Wortes meint er mit dem „Willen“ einen
heillosen metaphysischen Weltgrund, der allem konkreten Dasein vorausliegt und
dieses wesentlich durch Schmerz, Leiden und Widersprüche bestimmt sein lässt.
Die konkreten Manifestationen dieser metaphysischen Willenskonzeption beob-
achtet er in der Hexenküche einer von blinden Triebspannungen erfüllten Welt.
Sein zweiter Hauptbegriff, derjenige der „Vorstellung“, meint die Repräsentation
dieser Welt in Empfindungen, Wahrnehmungen und Gedanken; sie schließt die
Fähigkeit des Menschen ein, sich im Medium des schönen Scheins über die Un-
seligkeit des so gedeuteten Seins zu erheben, wenn auch nur temporär und illusi-
onär. Daher rührt bei ihm, wie dann auch in Nietzsches Frühwerk, die besondere
Bedeutung der Kunst, die fast Erlösungsqualität erhält, aber das Verhängnis nicht
gänzlich aus dem Leben und dem Bewusstsein zu verdrängen vermag. Den sich
im Dasein manifestierenden „Willen“ versteht Schopenhauer als elementaren Lebens-
drang, dem, so paradox dies im Hinblick auf den Willensbegriff erscheint, primär
gerade nichts Intentionales anhaftet. Er spricht vom ,^Villen zum Leben“, und in
einer eigenen Schrift handelt er sogar vom ,^Villen in der Natur“, um die Grund-
disposition zu charakterisieren, die alles Leben als naturhaftes Schicksal bestimmt.
Hier liegt der begriffliche Geburtsfehler von Nietzsches Konzeption des „Willens

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