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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2014
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Hofmann, Werner: Die Galaxie in einem neuen Licht: Astronomie mit Gammastrahlen: Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 24. Oktober 2014
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0067
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Werner Hofmann

Gamma-Quanten abstrahlen, die ihrerseits wieder wechselwirken, sodass eine
ganze Elementarteilchen-Kaskade entsteht, die viele Kilometer durch die At-
mosphäre läuft. Die Kaskadenteilchen erzeugen dabei das blaue „Cherenkov-
Licht“. Cherenkov-Licht wird mit einem kleinen Öffnungswinkel von etwa ei-
nem Grad in Flugrichtung der Kaskaden-Teilchen abgestrahlt und erzeugt auf
der Erde einen Lichtfleck von ca. 250 m Durchmesser. Ein abbildendes Teleskop,
das von diesem Lichtfleck getroffen wird, kann ein Bild der Teilchenkaskade im
Cherenkov-Licht aufnehmen und aus der Geometrie der Kaskade die Richtung
des Gamma-Quants bestimmen, sowie aus der Lichtintensität die Energie des
Gamma-Quants. Bildlich gesprochen fotografiert das Teleskop die Spur eines
Gamma-Quants, genauso wie man die Spur eines Meteors mit einer normalen
Kleinbildkamera aufnehmen kann. Da das Cherenkov-Licht nicht sehr intensiv
ist - nur etwa ein blaues Lichtquant pro Quadratmeter - erfordert die Technik
Teleskope mit großen Lichtsammelflächen - oft 100 m2 und mehr - und es kann
nur in dunklen Nächten beobachtet werden.
Inzwischen kennt man über 150 Quellen hochenergetischer Gamma-Strah-
lung am Himmel. Deren große Zahl war eine ziemliche Überraschung; kosmische
Teilchenbeschleunigung ist offenbar kein seltener und ungewöhnlicher Prozess,
wie zuerst angenommen. Teilchenbeschleunigung wird in einer Vielzahl von
Objekten beobachtet: in Supernova-Überresten - den ringförmigen Stoßwellen
explodierter Sterne, um Pulsare - schnell rotierende Neutronensterne, um hei-
ße Sterne, an schwarzen Löchern. Die anfangs „exotische“ Gamma-Astronomie
bei höchsten Energien ist zu einem regulären Gebiet der Astronomie geworden;
Cherenkov-Teleskope können inzwischen Himmelskarten im Gamma-Licht
aufzeichnen, komplex geformte Strahlungsquellen auflösen, deren Position mit
einer Genauigkeit von etwa 10 Bogensekunden bestimmen, und Lichtkurven va-
riabler Strahlungsquellen mit Minuten-Auflösung aufnehmen. Ermöglicht wurde
dies durch die weitere Verbesserung der Cherenkov-Technik, insbesondere durch
den Einsatz von Teleskopsystemen, bei denen mehrere Teleskope gleichzeitig die
Kaskade aus verschiedenen Blickwinkeln fotografieren und damit eine räumli-
che Rekonstruktion der Kaskade ermöglichen. Eines der weltweit erfolgreichsten
Cherenkov-Teleskopsysteme ist das unter Federführung des Max-Planck-Instituts
für Kernphysik aufgebaute H.E. S. S.-Teleskopsystem in Namibia, mit dem weit
über die Hälfte aller bekannten kosmischen Tera-Elektronenvolt-Strahlungsquel-
len entdeckt wurden und mit dem erstmals die Milchstraße in diesem „neuen
Licht“ kartiert wurde. H. E. S. S. steht für „High Energy Stereoscopic System“.
Für diese Errungenschaften wurde das H. E. S. S. Team 2006 mit dem Descartes-
Forschungspreis der Europäischen Kommission geehrt, und 2010 mit dem Rossi-
Preis der American Astronomical Society. Im Jahr 2009 wurde H. E. S. S. als eines
der 10 weltweit erfolgreichsten Observatorien identifiziert, in einer Liga mit Ob-
servatorien, deren Bau und Betrieb vielfach teurer ist.

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